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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 04.02.2016:

Allein in einer fremden Welt

Junge unbegleitete Flüchtlinge brauchen besondere Unterstützung
Das Bild zum Artikel
Dr. Heike Kahl, Manuela Schwesig und Aydan Özoğ
uz beim Auftakt von "Willkommen bei Freunden" am 28. Mai 2015 in Berlin
Quelle: DKJS

 

Rund ein Drittel der Schutzsuchenden, die vor Verfolgung, Krieg, Terror und Unterdrückung nach Deutschland flüchten, sind laut UNICEF noch minderjährig. Viele von ihnen reisen sogar ohne Eltern oder eine andere erwachsene Bezugsperson. Sie kommen ganz allein in ein fremdes Land und müssen allein die bürokratischen Prozesse durchlaufen. Auf der Suche nach Sicherheit und Geborgenheit sind sie besonders gefährdet. Die jungen Menschen, von ihren Erlebnissen oft traumatisiert, stehen bei ihrer Ankunft in Deutschland vor großen Herausforderungen. Deshalb brauchen sie eine besondere und behutsame Betreuung durch die beteiligten Jugendamtsmitarbeiter, Sozialpädagogen und ehrenamtlichen Vormünder. Unbegleitete minderjährige Jugendliche werden nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (§42 SGB VIII) vom Jugendamt in Obhut genommen. Das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher wurde am 28. Oktober 2015 aktualisiert und beinhaltet, dass ausländische Kinder und Jugendliche Zugang zu den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe haben. Außerdem wurde das Mindestalter zur Begründung der Handlungsfähigkeit im Asylverfahren von 16 auf 18 Jahre angehoben.

Viele Akteure helfen

In den aufnehmenden Städten und Kommunen helfen zahlreiche haupt- und ehrenamtliche Akteure, geeignete Unterkünfte zu finden und die Kinder und Jugendlichen altersgerecht zu betreuen, zu fördern und zu integrieren. Für viele ist das eine ganz neue Aufgabe. In den meisten Kommunen werden deshalb die Kräfte gebündelt. Ehrenamtskoordinatoren der Kommunalverwaltung zum Beispiel vermitteln zwischen freiwilligen Helfern, Flüchtlingsunterkünften und gemeinnützigen Organisationen. Jugendamtsmitarbeiter beraten zusammen mit pädagogischen Experten, Fortbildungszentren und Therapeuten über konkrete Bildungsmöglichkeiten für junge Flüchtlinge.
Auch verschiedene Verbände setzen sich für unbegleitete Kinder und Jugendliche ein. Etwa der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), der sich schon seit 1998 für die Rechte von Jugendlichen stark macht, die ohne sorgeberechtigte Begleitung nach Deutschland kommen. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk oder der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit versuchen für die Situation junger Menschen ohne gesicherten Aufenthalt zu sensibilisieren. Mit seiner aktuellen Empfehlung richtet das Bundesjugendkuratorium (BJK) den Blick auf die schwierige Lebenssituation und die Integrationsperspektiven der geflüchteten jungen Menschen: „Einmal Flüchtling immer Flüchtling – diese Sichtweise müssen wir verabschieden. Die jungen Menschen, die bei uns Schutz und Aufnahme suchen und aus unterschiedlichen Sozialisationskontexten stammen, brauchen so schnell wie möglich den Zugang und die Integration in die Aufnahmegesellschaft. Das bedeutet in erster Linie Bildung und Ausbildung, Begleitung sowie bei Bedarf Hilfe und Therapie", so Mike Corsa, Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums.

Das Bundesprogramm „Willkommen bei Freunden"
Zur Unterstützung all dieser Akteure sind im Jahr 2015 zwei neue Bundesprogramme in Kraft getreten: Das Programm „Willkommen bei Freunden" ist am 28. Mai 2015 gestartet und unterstützt die Kommunen bei der Integration junger Flüchtlinge mit schneller, unbürokratischer Hilfe. Das Bundesprogramm wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration realisiert und richtet sich an alle, die sich aktiv vor Ort für Geflüchtete engagieren: Mitarbeiter der Kommunalverwaltung, Initiativen, Vereine sowie freie Träger. Unterstützt werden sie bei der Aufnahme und Betreuung junger Flüchtlinge und bei der Etablierung lokaler Bündnisse aus Behörden, Vereinen und Bildungs- und Flüchtlingseinrichtungen. Bereits bestehende Bündnisse werden durch gezielte Fortbildungen und Beratungen gestärkt. Um den regional unterschiedlichen Herausforderungen gerecht zu werden, wurden deutschlandweit sechs Servicebüros eingerichtet. Dort ermitteln die Mitarbeiter den Bedarf direkt vor Ort und erstellen gemeinsam mit den lokalen Akteuren individuell zugeschnittene Maßnahmen wie etwa Analyseworkshops, Beratung und Fortbildung, Prozessbegleitung, Bürgerdialoge oder Hospitationen und Vernetzungen. Unterstützt werden Projekte wie „Flüchtlinge Willkommen“, ein Bündnis zwischen Kreisjugendring Erlangen-Höchstadt und der Kommunalen Jugendarbeit Erlangen-Höchstadt, welches das Miteinander zwischen Flüchtlingen und der Nachbarschaft fördert und zu mehr gegenseitigem Verständnis beiträgt. Wer eine Idee hat, wie er junge Menschen der Region mit jungen Geflüchteten zusammenbringen kann, erhält einen finanziellen Zuschuss von bis zu 500 Euro. Ein weiteres Projekt, das von „Willkommen bei Freunden“ gefördert wird, ist ikonta – „interkultureller Kontaktkreis“ in Leipzig. Der Kontaktkreis bietet persönlichen und individuellen Sprachunterricht für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge zwischen 14 und 18 Jahren und die Möglichkeit, das neu Erlernte im Austausch mit einheimischen Jugendlichen anzuwenden. Zwar haben minderjährige Flüchtlinge Anspruch auf einen Platz in einer Vorbereitungsklasse, in der sie die deutsche Sprache erlernen, doch oft sind die Wartezeiten lang oder die Klassen nicht auf Jugendliche eingestellt, die noch nie oder kaum die Schule besucht haben. Hier setzt ikonta an.

Modellprojekt „Junge Flüchtlinge im Jugendmigrationsdienst"
Das zweite Bundesprogramm, das jungen unbegleiteten Flüchtlingen eine gesicherte Perspektive für ihr Leben in Deutschland bieten möchte, ist das Modellprojekt „Junge Flüchtlinge im Jugendmigrationsdienst“, das das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 2. September 2015 zusammen mit den Trägern der Jugendmigrationsdienste gestartet hat. In bundesweit 24 Einrichtungen erhalten junge Flüchtlinge spezielle und individuelle Hilfsangebote, damit sie schneller in die Gesellschaft integriert werden. So suchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendmigrationsdienste mit ihnen gemeinsam einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, sprechen mit Behörden, Schulen oder Betrieben und beziehen ‒ wenn möglich ‒ auch die Eltern mit ein. Sie vermitteln Sprachkurse, bereiten die Jugendlichen auf Bewerbungen vor und bieten Kompetenzschulungen an. Bisher waren die Jugendmigrationsdienste nur für junge Migranten mit Bleibeperspektive zuständig. Im Rahmen der Initiative "JUGEND STÄRKEN" begleiten sie an bundesweit 430 Standorten jährlich mehr als 85.000 junge Menschen mit Migrationshintergrund, um ihnen Chancengerechtigkeit und Teilhabe zu ermöglichen.

In dem neuen Modellprojekt ist jedes Bundesland mit mindestens einem Standort vertreten. An jedem der insgesamt 24 Modellstandorte wurde zusätzliches Personal eingestellt. Damit ein bundesweit wirksames Netzwerk zustande kommt, arbeiten die Programme „Junge Flüchtlinge im Jugendmigrationsdienst“, „Willkommen bei Freunden" und "JUGEND STÄRKEN im Quartier" eng zusammen.




Projekte in der Datenbank des Innovationsportals:

„Willkommen bei Freunden“


„JUGEND STÄRKEN“


„JUGEND STÄRKEN im Quartier“


“Junge Flüchtlinge im Jugendmigrationsdienst“

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 04.02.2016
© Innovationsportal

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