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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 13.03.2025:

Demokratie muss gelernt werden

Das Projekt „aula - schule gemeinsam gestalten“ fördert Selbstwirksamkeit und demokratische Teilhabe von Kindern und Jugendlichen
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: aula gGmbH

Das Projekt „aula - schule gemeinsam gestalten“ vereint politische und digitale Bildung, fördert demokratische Praktiken und Kompetenzen und macht Beteiligung für Kinder und Jugendliche erfahrbar. Schüler*innen entwickeln in einem vorher vereinbarten Rahmen Ideen für die Gestaltung ihres Schulumfelds, finden dafür Mehrheiten und beschließen die Umsetzung. Sie lernen so, wie demokratische Prozesse funktionieren und dass sie mit Engagement und Verantwortung ihren Lebensraum gestalten und verändern können. Dabei werden sie didaktisch begleitet, um den Prozess zu reflektieren.


In Zeiten, in denen die Demokratie gefährdet ist, ist es umso wichtiger, dass sie von jungen Menschen eingeübt wird. Demokratisches Handeln muss gelernt werden und wo geht das besser als in der Schule. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat bereits 2009 in einer Erklärung auf die Bedeutung der Erziehung zur Demokratie als Aufgabe schulischer Arbeit hingewiesen.

aula - schule gemeinsam gestalten
Ein Projekt, das sich dafür einsetzt, demokratische Kompetenzen an Schulen zu vermitteln und eine demokratische Schulkultur zu schaffen, ist „aula - schule gemeinsam gestalten“. Es entstand als Projekt des Vereins politik-digital e.V., wird aber heute von der im Juli 2022 gegründeten aula gGmbH geführt. Ziel des innovativen Beteiligungskonzepts ist die erlebte Selbstwirksamkeit. aula, das für „ausdiskutieren und live abstimmen“ steht, ermöglicht Kindern und Jugendlichen in einem festen, vorher vereinbarten Rahmen, eigene Ideen für die Gestaltung ihres Schulumfelds zu entwickeln, Mehrheiten dafür zu finden und die Umsetzung gemeinsam zu beschließen. Sie lernen durch diese aktive Mitbestimmung, wie demokratische Prozesse funktionieren und dass sie mit Engagement und Verantwortung ihren Lebensraum gestalten und verändern können. Dabei werden sie didaktisch begleitet, um den Prozess zu reflektieren und die Verbindung zwischen Alltagsentscheidungen und demokratischer Verantwortung zu entdecken.

Marina Weisband, Diplom-Psychologin und Expertin für digitale Partizipation und Bildung, hat das Projekt 2014 ins Leben gerufen. Seitdem leitet sie es und entwickelt es beständig weiter. aula ist konzipiert für den Einsatz an allgemeinbildenden Schulen ab der 5. Klasse und an außerschulischen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren, lässt sich aber auf alle Beteiligungsprozesse übertragen, die transparent gestaltet werden sollen. Lese- und Schreibkenntnisse sowie grundlegende Computerkenntnisse sind notwendig, um einen eigenen Account auf der aula-Plattform bedienen zu können.

aula in der Schule einbinden
Im Mittelpunkt von aula steht eine Online-Plattform mit zugehöriger App, mit der der Beteiligungsprozess organisiert, strukturiert und für alle transparent gemacht wird. Die Software sowie das didaktische Begleitmaterial stehen als offene Bildungsressourcen zur Verfügung. Mithilfe von Leitfäden und der Lernplattform kann aula selbstständig an der Schule installiert und umgesetzt werden. Die technische und didaktische Betreuung des Projektes kann aber auch durch das aula-Team erfolgen. Entscheidet sich eine Schule dazu, aula anzuwenden, werden in der Regel zunächst Multiplikator*innen - zum Beispiel vier Lehrer*innen und sechs Schüler*innen - vom aula-Team in Workshops ausgebildet, damit sie die aula-Planung an ihrer Schule leiten können. Schulleitung, Eltern und Kollegium sollten hinter aula stehen, das sich sowohl mit der ganzen Schulgemeinschaft als auch klassen-, stufen- oder kursweise umsetzen lässt.

Das Beteiligungsverfahren
Bevor aula an einer Schule gestartet wird, wird ein verbindlicher Beteiligungsvertrag abgeschlossen, der aufzeigt, in welchem Rahmen sich die Ideen bewegen können und was die Rechte und Pflichten jeder*s Einzelnen sind. Bei diesem Vertrag handelt es sich in der Regel um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Schulkonferenz, durch aula beschlossene Ideen mitzutragen. Danach bekommen alle beteiligten Schüler*innen ein aula-Benutzerkonto und können über die Online-Plattform jederzeit Ideen einstellen, diskutieren, ausarbeiten und darüber abstimmen. aula ist von jedem Computer, Tablet oder Smartphone mit Internetzugang aus nutzbar.

Gibt man eine Idee ein, hat sie zunächst den Status einer „wilden Idee“. Diese muss nicht perfekt ausformuliert sein und kann für verschiedene Bereiche gelten. Zu wilden Ideen können andere Schüler*innen Verbesserungsvorschläge einreichen, zum Beispiel Bitten um Konkretisierung („Bitte formuliere genauer, welche Art von Fest du möchtest.), Konsequenzen („Bitte schreib mit rein, was das kosten wird und woher du das Geld nehmen willst.“) oder einfach Ergänzungen zur Idee („Auf dem Fest soll es auch Kuchenverkauf geben.“). Jeder Verbesserungsvorschlag kann von allen Schüler*innen durch ein Herz geliked werden. Dadurch sieht der/die Autor*in der Idee, welche Vorschläge gut ankommen. Wenn eine wilde Idee eine vorher festgelegte Mindestanzahl an Likes erreicht hat, können Moderator*innen ein Thema für sie erstellen. Beispiele für Themen sind „Sommerfest“, „Mensa-Essen“ oder „Sportgeräte auf dem Schulhof“. Moderator*innen sind Lehrkräfte oder Schüler*innen, die gern mehr Verantwortung und Aufgaben auf der Plattform übernehmen möchten.

Ausarbeitungs- und Prüfphase
Anschließend wird die Idee „offline“ ausgearbeitet. Eine Stunde pro Woche sollte für die Reflexion der Ideen eingeplant werden. In der „aula-Stunde“ können Schüler*innen ihre Ideen vorstellen, sie besprechen, Wahlkampf für sie machen, Plakate basteln oder Kosten berechnen. Die Ergebnisse halten sie auf der Plattform fest und übergeben sie der Schulleitung oder einer entsprechenden Vertretung, die prüft, ob eine Idee mit dem Vertrag vereinbar und umsetzbar ist. Ist das nicht der Fall, muss sie die Entscheidung begründen und den Schüler*innen zurückmelden. Dann wird abgestimmt. Eine Idee gilt als angenommen, wenn sie eine bestimmte Anzahl positiver Stimmen vereint. Sie wird dann in Eigenverantwortung der Schüler*innen umgesetzt, die sich bei den Klassensprecher*innen, der Schüler*innenvertretung oder Lehrkräften Hilfe suchen können. Nach der Umsetzung der Idee folgt ein Reflexionsprozess in der aula-Stunde. Hier wird noch einmal darüber nachgedacht und diskutiert, was am gesamten Entwicklungsprozess der Idee gut gelaufen ist oder was man hätte anders machen können.

aula fördert Kompetenzen
Durch das Beteiligungsverfahren von aula und die Reflexion im Unterricht werden viele Kompetenzen im Bereich der demokratischen Bildung und der Medienbildung erworben sowie Sozial- und Selbstkompetenzen ausgebaut. Jugendliche werden durch aula kreativ, lernen gemeinsam Lösungen zu finden, ihre Ideen gut zu kommunizieren und Dinge kritisch zu hinterfragen. Sie verstehen, wie Demokratie funktioniert, und erwerben Fähigkeiten, die wichtig für demokratische Beteiligung sind. Das hilft ihnen auch dabei, sich im Netz richtig ausdrücken, Hasskommentaren und Beleidigungen entgegenzutreten und sachliche Diskussionen zu führen. Nebenbei werden Kenntnisse über Passwortsicherheit, Datenschutz und Bildlizenzen erworben. Durch die Selbstwirksamkeitserfahrungen, die Schüler*innen mit aula in der Schule machen, lernen sie sich nicht nur als Konsument*innen zu verstehen, die von einem bestehenden politischen Angebot abhängig sind, sondern werden selbst zu Gestalter*innen, die sich politisch engagieren.

aula wirkt
Dass aula wirkt, zeigt die Evaluation, die in der Pilotphase des Projekts in den Schuljahren 2016/17 und 2017/18 durchgeführt wurde. Aus 3205 wilden Ideen wurden 20 verschiedene Projekte an vier Pilotschulen entwickelt, positiv abgestimmt und zur Umsetzung gebracht. Die größten Vorteile von aula wurden von den Befragten vor allem im Bereich der Selbstwirksamkeit gesehen. 72 Prozent der befragten Schüler*innen sagten, sie hätten mit der Einführung von aula mehr das Gefühl, Dinge verändern zu können. Vor allem Lehrer*innen beobachteten, dass aula die Demokratiekompetenzen ihrer Schüler*innen genauso stärkt wie die Diskussionsfähigkeit durch das Formulieren von eigenen Ideen oder den Umgang mit digitalen Medien, gerade in jüngeren Klassen, wo aula oft die erste Online-Plattform für die Schüler*innen ist.

Mit Hilfe von regionalen Partnerschaften konnte aula seit 2014 kontinuierlich ausgebaut werden. Bundesweit arbeiten heute ca. 40 Schulen und Jugendeinrichtungen mit dem Beteiligungskonzept. Durch die Unterstützung der Deutsche Postcode Lotterie können Teach First Deutschland und aula Demokratiebildung an Schulen in herausfordernden Lagen bis Oktober 2026 gemeinsam stärken. Bis zu 180 Teach First-Fellows werden in dieser Zeit Weiterbildungsformate zur Demokratiebildung wahrnehmen, um an Kooperationsschulen gezielt mit Kindern und Jugendlichen Beteiligungsstrukturen zu festigen, Demokratiefähigkeiten zu fördern und Selbstwirksamkeitserfahrungen zu stärken.

 

 

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 13.03.2025
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