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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 06.11.2008:

Mehr Wissenschaftlerinnen an die Spitze

In Forschung und Lehre soll es zukünftig mehr Professorinnen geben

Vor gut hundert Jahren wurden an deutschen Universitäten die ersten Frauen zum Studium zugelassen. Das Großherzogtum Baden führte im Sommersemester 1900 als erstes deutsches Land an beiden Landesuniversitäten Freiburg im Breisgau und Heidelberg offiziell das Frauenstudium ein. Nachdem 1918 in Deutschland beschlossen wurde, dass Frauen auch die Dozentenlaufbahn einschlagen dürfen, wurde 1923 Margarete von Wrangell die erste ordentliche Professorin an einer deutschen Universität. Die Chemikerin wurde auf den Lehrstuhl für Pflanzenernährung an der Universität Hohenheim berufen.

Wenige Frauen in Spitzenpositionen
Heute studieren mehr Frauen denn je an einer deutschen Hochschule. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beendeten im Jahr 2003 rund 105.600 Studentinnen ihr Studium erfolgreich, 20 Jahre zuvor waren es gerade die Hälfte. Im Wintersemester 2007/2008 schrieben sich 178.405 Studienanfängerinnen an deutschen Hochschulen ein: Ihr Anteil an den Studienanfängern sowie der Anteil der Studentinnen an den Studierenden insgesamt liegen damit bei etwa 50 Prozent.

Die Zahl von Wissenschaftlerinnen in den Führungspositionen der Hochschulen hingegen ist nur gering gestiegen. Ihr Anteil beträgt gerade einmal 15 Prozent. Deutschland und Österreich sind die Länder mit den wenigsten Professorinnen. Dabei unterscheidet sich der Frauenanteil in den einzelnen Fachrichtungen deutlich: Nur in den Kunstwissenschaften sowie den Sprach- und Kulturwissenschaften liegt der Anteil der Professorinnen über 20 Prozent. In den Ingenieurwissenschaften beträgt er nur sieben Prozent, im Bereich Mathematik/Naturwissenschaften zehn Prozent.

Mögliche Gründe für die geringere Frauenquote
Die Gründe sind vielfältig. Zu ihnen gehören das zurückhaltendere Auftreten von Wissenschaftlerinnen ebenso wie die in Deutschland noch vorherrschende Vorstellung vom „Alleinernährermodell“ und die Schwierigkeit, Partnerschaft, Kinder und hochqualifizierten Beruf zu vereinen. In vielen Ländern gibt es auch im Post-Doc-Bereich oft nur Stipendien ohne soziale Rechte wie Mutterschutz. Außerdem haben Frauen bedeutend weniger Möglichkeiten der Netzwerkbildung an den Hochschulen.

Das Forschungsnetzwerk „Women in European Universities“ spürt seit Ende der 1990er Jahre die Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in der Professorenschaft auf. Dem Netzwerk gehören die Politologin Annette Zimmer von der Universität Münster sowie Kolleginnen aus sechs europäischen Ländern an. Die Professorin Annette Zimmer sieht eine „versteckte Diskriminierung“, die sich zum Beispiel bei der Finanzierung von Promotionen zeigt. Rund 76 Prozent der männlichen Wissenschaftler erhalten eine feste Anstellung an einem Forschungsinstitut oder an der Universität, aber nur 57 Prozent der Frauen. Stattdessen sind Frauen häufiger auf Stipendien, den Partner oder die Eltern angewiesen, was sich erschwerend auf den Einstieg in den Wissenschaftsbetrieb auswirkt. Denn wer Professor werden will, muss Akzeptanz unter den Wissenschaftlern der eigenen Hochschule erwerben und sich zugleich im Fachgebiet etablieren.

Professorinnen auf dem Vormarsch
Dennoch dringen Frauen allmählich in die Männerdomäne vor. Auch wenn 2006 nur rund 5.700 Frauen eine Professur innehatten, das entspricht einem Anteil von 15 Prozent, waren es 1995 lediglich acht Prozent. Mithilfe einer intensiven Frauenförderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung steigt ihre Zahl allmählich. Das Projekt „Anstoß zum Aufstieg“ beispielsweise bot spezielle Karriere- und Bewerbungstrainings für Wissenschaftlerinnen an. In den Jahren 2001 bis 2004 konnten dadurch über 700 Teilnehmerinnen ihre Karrierechancen in Wissenschaft und Forschung verbessern. Seitdem wird das Trainingsangebot unter dem Titel „Potenziale nutzen“ in Kooperation zwischen dem Deutschen Hochschulverband (DHV) und dem Kompetenzzentrum „Frauen in Wissenschaft und Forschung“ (CEWS) kontinuierlich weitergeführt. Im Rahmen des Projektes femtec.network - Careerbuilding für den weiblichen Führungsnachwuchs aus Ingenieur- und Naturwissenschaften wird ein Karriereförderprogramm für besonders begabte Studentinnen der Natur- und Ingenieurwissenschaften entwickelt, erprobt und evaluiert.

Das BMBF zeichnet mit dem TOTAL E-QUALITY-Prädikat Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus, die sich mit personal- und institutionspolitischen Maßnahmen um die Durchsetzung von Chancengleichheit in ihren Einrichtungen bemühen und dabei auch Erfolge erzielen. Mit dem Karriereförderungskonzept „Peer Mentoring“ will es den Frauenanteil in den Führungspositionen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen erhöhen.

Zentrum für Chancengleichheit
Als Informations-, Service- und Koordinationszentrum mit internationaler Ausrichtung trägt das Kompetenzzentrum für Frauen in Wissenschaft und Forschung - Center of Excellence Women and Science (CEWS) – als Abteilung der Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V. (GESIS) zur Durchsetzung von Chancengleichheit für Frauen in Wissenschaft und Forschung bei. Es dient wissenschaftlichen und politischen Einrichtungen, Institutionen, Wissenschaftlerinnen sowie Unternehmen als nationale Koordinierungs-, Informations- und Beratungsstelle. Ziele sind die Erhöhung des Frauenanteils in den Führungspositionen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die Erhöhung der Effizienz der gleichstellungspolitischen Maßnahmen und die Beachtung von geschlechterbezogenen Aspekten in allen Wissenschafts- und Forschungsbereichen. Ein zentrales Instrument ist die Datenbank Femconsult, über die derzeit auf Datensätze von 7.000 Wissenschaftlerinnen zurückgegriffen werden kann.

Rahmenbedingungen für Frauen verbessern
Durchsetzung von Chancengleichheit bedeutet auch, die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Arbeit und Familie zu verbessern. Daher bieten die meisten institutionell geförderten Einrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Helmholtz Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Fraunhofer Gesellschaft (FhG) Kinderbetreuungsangebote für ihre Beschäftigten an. Das BMBF hat diese Angebote durch die Ermächtigung, Haushaltsmittel kostenneutral für Kinderbetreuung aufzuwenden, ermöglicht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft will mit einem Selbstverpflichtungsmodell für jedes einzelne Institut den Frauenanteil unter den Nachwuchswissenschaftlern in den kommenden fünf Jahren deutlich erhöhen. Zudem sollen der Wiedereinstieg von Frauen nach Familienphasen mit Stipendien gefördert und die Kinderbetreuungsangebote verbessert werden.

Das „Professorinnenprogramm“
Im neuen Programm des BMBF ist vorgesehen, in den kommenden fünf Jahren 200 Stellen für Professorinnen an deutschen Hochschulen zu schaffen. Mit dem „Professorinnenprogramm“ verfolgen der Bund und die Länder das Ziel, im Rahmen ihrer gemeinsamen Anstrengungen zur Förderung von Wissenschaft und Forschung die Gleichstellung von Frauen und Männern in Hochschulen zu unterstützen, die Repräsentanz von Frauen auf allen Qualifikationsstufen im Wissenschaftssystem nachhaltig zu verbessern und die Anzahl der Wissenschaftlerinnen in den Spitzenfunktionen des Wissenschaftsbetriebs zu steigern. Das BMBF und die Länder stellen für das Programm 150 Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert wird damit die Anschubfinanzierung für – vornehmlich vorgezogene – Berufungen von Frauen auf unbefristete W2- und W3-Professuren in den nächsten fünf Jahren. Aber auch die Finanzierung von Berufungen auf freie Professuren ist möglich. Je Berufung und Jahr liegt die Fördersumme bei bis zu 150.000 Euro, die zur Hälfte vom BMBF und dem jeweiligen Land, in dem sich die Antrag stellende Hochschule befindet, getragen werden. Bis zu drei Berufungen pro Hochschule sind möglich.

Das Besondere an dem „Professorinnenprogramm“ ist, dass die Förderung die positive Begutachtung eines Gleichstellungskonzeptes der Bewerber-Hochschule voraussetzt. Die Begutachtung erfolgt durch ein unabhängiges Expertengremium, das sich aus herausragenden Vertreterinnen und Vertretern von Wissenschaft, Forschung und Hochschulmanagement zusammensetzt. „Damit wird das Professorinnenprogramm zu einem anerkannten und nachhaltigen Instrument für mehr Chancengerechtigkeit für Frauen in Forschung und Lehre sowie zur dauerhaften Förderung von Spitzenwissenschaftlerinnen“, erläutert Bundesbildungsministerin Annette Schavan.

Pünktlich zum Internationalen Frauentag am 8. März 2008 ist das „Professorinnenprogramm“ gestartet. Etwa ein Drittel der 113 Hochschulen hat Gleichstellungskonzepte eingereicht, von denen insgesamt 79 – weil qualitativ zielführend – positiv bewertet wurden. Die Spitzengruppe, sieben Hochschulen, die alle herausragend begutachtet wurden, verteilt sich auf fünf Bundesländer (Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz). 70 Prozent der Programmmittel können für diese erste Runde ausgegeben werden. Damit sollen nun bis zu 140 Stellen für hochqualifizierte Spitzenforscherinnen gefördert werden.

Bei positiver Bewertung des „Professorinnenprogramms“ durch die Nachfolgeorganisation der BLK, die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK), im Jahre 2011 besteht die Möglichkeit, das Programm auch nach Ablauf der offiziellen Förderlaufzeit fortzuschreiben und damit weiterhin vielen Frauen zu ermöglichen, Spitzenpositionen an Hochschulen einzunehmen.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 06.11.2008
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