Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
Erschienen am 31.07.2025:
Leistungsschwächere Schüler*innen systematisch erkennen und gezielt unterstützen
Das Projekt „Mathe sicher können“ bietet eine diagnosegeleitete Förderung im Fach Mathematik

Viele Viertklässler*innen in Deutschland weisen Schwächen in mathematischen Fähigkeiten auf. Um die wichtigen mathematischen Basiskompetenzen zu sichern, werden im Projekt „Mathe sicher können“ seit 2010 Diagnose- und Fördermaterialien für mathematikschwache Schüler*innen und ihre Lehrkräfte entwickelt und erprobt. Viele Schulen arbeiten schon mit den Materialien. Auf einer Online-Fortbildungsplattform können Lehrkräfte die Inhalte kennenlernen.
Der IQB-Bildungstrend zeigt zwischen 2011 und 2021 deutliche Defizite in den mathematischen Fähigkeiten von Viertklässler*innen in Deutschland auf. Der Anteil der Schüler*innen, die die bundesweit festgelegten Mindeststandards nicht erreichen, ist von 15,4 Prozent im Jahr 2016 sogar auf 21,8 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Fehlende Basiskompetenzen erschweren den Lernfortschritt in der Sekundarstufe I erheblich. Und wenn die Mindeststandards in Klasse 9 und 10 nicht erreicht werden, sind sowohl die Ausbildungsfähigkeit als auch eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ernsthaft gefährdet.
Das Projekt „Mathe sicher können“
Das Projekt „Mathe sicher können“ (MSK) stellt die diagnosegeleitete, gezielte Förderung leistungsschwacher Schüler*innen im Fach Mathematik in den Fokus. Das bundesweite Bildungsprojekt wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Susanne Prediger, Prof. Dr. Christoph Selter, Prof. Dr. Birte Friedrich und Prof. Dr. Daniela Götze an der Technischen Universität Dortmund entwickelt und wird vom Deutschen Zentrum für Lehrerbildung Mathematik (DZLM) getragen. Die Entwicklung von Förderansätzen und -materialien für mathematikschwache Schüler*innen ist fest in das Forschungsprofil des Instituts für Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts an der TU Dortmund eingebunden. Die enge Verbindung von Forschung und Entwicklung schafft die Grundlage dafür, dass einerseits fachdidaktisch fundierte und direkt im Unterricht einsetzbare Produkte entstehen und andererseits tiefgreifende empirische Erkenntnisse zu Lehr-Lernprozessen, deren typischen Verläufen, Herausforderungen und Wirkmechanismen gewonnen werden. „Mathe sicher können“ ist bereits in sieben Bundesländern eingeführt. 2023 war in Berlin jede dritte Grundschule beteiligt, in Hamburg zwei Drittel aller Stadtteilschulen und in Bremen die Hälfte aller Stadtteilschulen. Jeweils fünf bis zehn Schulen arbeiten in Netzwerken zusammen.
Die Diagnose- und Fördermaterialien
Auf wissenschaftlicher Basis und in enger Zusammenarbeit mit zahlreichen Projektschulen wurden für die Sicherung mathematischer Basiskompetenzen im Projekt „Mathe sicher können“ seit 2010 Diagnose- und Fördermaterialien für mathematikschwache Schüler*innen und ihre Lehrkräfte entwickelt und erprobt. Zunächst für den Unterricht der Klassen 5 bis 7 von nicht-gymnasialen Schulformen, anschließend für die Klassen 3 und 4. Alle Materialien orientieren sich an den Prinzipien „Verstehensorientierung“, „Diagnosegeleitetheit“ und „Kommunikationsförderung“: Im Rahmen der Förderung soll ein mathematisches Verständnis aufgebaut werden, das an dem Denken der Lernenden ansetzt und im Austausch zwischen Lernenden und Lehrkraft vermittelt wird.
Für die Primarstufe wurden Diagnose- und Fördermaterialien in 15 Förderbausteinen zu den Inhaltsbereichen „Natürliche Zahlen“ ab Klasse 3 entwickelt, die jeweils Handreichungen mit didaktischen Hintergrundinformationen zur Vorbereitung und Begleitung des Einsatzes der Materialien enthalten. Für die Sekundarstufe I gibt es Diagnose- und Fördermaterialien zu den Inhaltsbereichen „Natürliche Zahlen“ (Klasse 3 bis 5), „Brüche, Prozente, Dezimalzahlen“ (ab Klasse 6) und „Sachrechnen“ (Klasse 4 bis 7). In insgesamt 45 Bausteinen werden alle Basiskompetenzen (Verstehensgrundlagen und Rechenfertigkeiten) abgebildet, über die alle Schüler*innen verfügen sollten. Die Diagnose- und Fördermaterialien, die als Open Educational Resources (OER = freie Bildungsmaterialien) frei verfügbar sind, stellen ein gutes Ergänzungsangebot zum klassischen Schulbuch dar. Mit Hilfe des ProPriMa-Materialfinders können Lehrkräfte gezielt nach Inhalten suchen.
Standortbestimmungen werden über Diagnoseaufgaben erhoben
Der erreichte Stand der Kompetenzen wird mithilfe themenspezifischer Diagnoseaufgaben klassenweit erhoben. Diese Standortbestimmungen liefern der Lehrkraft wichtige Einblicke in die individuellen Fähigkeiten und Schwierigkeiten der Schüler*innen, woraus sie gezielte Fördermaßnahmen ableiten kann. Auswertungshilfen unterstützen sie dabei, die Standortbestimmungen schnell auszuwerten und den individuellen Förderbedarf der Lernenden zu bestimmen; didaktische Kommentare verweisen die Lehrkraft auf Musterlösungen, typische Fehleranalysen und Förderhinweise. Auf Basis der Ergebnisse entscheidet die Lehrkraft flexibel, welche Basiskompetenzen in Kleingruppen gezielt vertieft und gefestigt werden. Für jede Diagnoseaufgabe gibt es eine passende Fördereinheit, die sich an den zuvor identifizierten Förderbedarfen orientiert.
Wirksamkeit ist nachgewiesen
Im Rahmen der Kooperation mit dem IPN | Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Kiel wurde die Förderwirkung von „Mathe sicher können“ in einer groß angelegten Vergleichsstudie untersucht: Dabei wurden 981 mathematikschwache Schüler*innen zu Beginn und am Ende der 5. Klasse hinsichtlich ihrer arithmetischen Basiskompetenzen getestet. Die Ergebnisse zeigen: Die 592 Kinder, die mit „Mathe sicher können“ gefördert wurden, erzielten deutlich höhere Lernzuwächse als die 389 Kinder der Kontrollgruppe mit alternativen Förderkonzepten. Damit ist die Wirksamkeit des Ansatzes auch unter realen schulischen Bedingungen empirisch bestätigt.
Um das Konzept und die Materialien einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und die Umsetzung an Schulen zu fördern, wurden zusätzlich Fortbildungsmaterialien für Lehrkräfte entwickelt. Das DZLM bietet auch eine Online-Fortbildungsplattform an, auf der Lehrkräfte in vier Bausteinen die „Mathe sicher können“-Materialien kennenlernen und anwenden können.
Autor(in): Petra Schraml
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Datum: 31.07.2025
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Links zum Thema
- Mathe sicher können
- MSK-Fortbildungsplattform
- IQB-Bildungstrends
- Deutscher Bildungsserver: Bildungsstandards
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