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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 27.05.2004:

Mit ausgestreckter Hand

Wie Doris Ahnen die Qualität der Bildung in Schulen und Hochschulen verbessern will
Das Bild zum Artikel
Doris Ahnen, Präsidentin der KMK und Kultusministerin in Rheinland-Pfalz

Bildung PLUS: Frau Ahnen, Sie sind jetzt seit fünf Monaten amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Inwiefern unterschiedet sich die Arbeit als Präsidentin der KMK von derjenigen als Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz? Gibt es da nicht auch Loyalitätsprobleme?

Ahnen: Das sind zwar zwei verschiedene Rollen, aber von Problemen würde ich nicht reden. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz spricht naturgemäß für alle 16 Bundesländer und vertritt als solche Positionen, die im Konsens gefunden wurden, und der ist viel größer als oft angenommen wird. Die Bildungsministerin eines Landes ist dafür zuständig, die Bildungspolitik in ihrem Bundesland voranzubringen, und da kann man sehr viel unmittelbarer die eigenen Vorstellungen in Entwicklungen umsetzen und nach außen vertreten.  

Bildung PLUS: Reformanstrengungen sind in Bund und Ländern zu beobachten. Haben wir schon alle Konsequenzen aus PISA gezogen?

Ahnen: Die Kultusministerkonferenz hat sehr schnell nach der Vorlage der Ergebnisse von PISA 2000 Folgerungen in sieben Handlungsfeldern beschrieben. Die Ländergemeinschaft und alle Länder arbeiten intensiv daran und haben entscheidende Initiativen auf den Weg gebracht, um unser Bildungssystem zu verbessern. 

Bildung PLUS: Bundesweit haben Sie sich den Ruf einer Promoterin von Ganztagsschulen erworben. Welche Rolle spielt der Schwerpunkt individuelle Förderung durch Ganztagsschulen auch in Ihrer Arbeit als KMK-Präsidentin? Welche Schwerpunkte wollen Sie darüber hinaus setzen?

Ahnen:  Die individuelle Förderung muss und soll in allen Schulen verstärkt werden. Der Ausbau des Angebots von Ganztagsschulen gehört zu den oben genannten sieben Handlungsfeldern der KMK, von daher ist dies natürlich auch einer der Schwerpunkte bundesweit, wenn es um die Verbesserung unseres schulischen Bildungssystems geht. Durch die im Jahr 2003 angelaufene Unterstützung des Bundes in Form von Investitionszuschüssen für die Schulträger wird dieses Vorhaben unterstützt.

Ich habe mir für die Zeit meiner Präsidentschaft zudem vorgenommen, dass ich mich besonders der Schnittstellen im Bildungssystem annehmen will. Damit meine ich vor allem den Übergang von der Elementarbildung in Kindertagesstätten zu den Grundschulen, aber auch die Übergänge von der Schule in Berufs- oder Hochschulausbildung. Diese Übergänge sollten für die Kinder und Jugendlichen keine Einschnitte, sondern fließende Übergänge sein. Ein Beispiel dafür ist, dass sich die KMK und die Jugendministerkonferenz gemeinsam auf einen Rahmen für die frühe Bildung in Kindertagesstätten verständigt haben, der auf der KMK-Plenarsitzung im Juni verabschiedet wird.  
 
Bildung PLUS: Mädchen sind in naturwissenschaftlichen Fächern wie Chemie, Physik aber auch in technischen unterrepräsentiert. Was können Sie als KMK-Präsidentin tun, um hier Mädchen voranzubringen?

Ahnen: Es gibt bereits eine ganze Reihe von Initiativen in allen Bundesländern, die das Ziel haben, gerade das Interesse von Mädchen im technischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen gezielt zu fördern. Ein bundesweit herausragendes Projekt ist beispielsweise der alljährliche Girls´ Day, bei dem sich 2004 mehr als 111.000 Schülerinnen bundesweit über naturwissenschaftliche und technische Berufe informiert haben. Ein bewusster Umgang mit den Unterschieden zwischen Jungen und Mädchen bei den Interessen und beim Lernverhalten ist wichtig. Ich persönlich halte sehr viel von Mentoring-Programmen, in denen - wie beispielsweise im rheinland-pfälzischen Ada-Lovelace-Projekt - Studentinnen oder Berufstätige Schülerinnen naturwissenschaftliche und technische Inhalte, Studienfächer und Berufe näher bringen.

Bildung PLUS: Benachteiligt sind weiterhin viele Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Welches Möglichkeiten sehen Sie, diese Kinder und Jugendliche langfristig zu integrieren?

Ahnen: Auch dieser Aspekt taucht in den sieben Handlungsfeldern der KMK auf. Ein zentrales Vorhaben ist dabei unter anderem die Förderung der Sprachkompetenz im vorschulischen Bereich, wo viele Länder bereits gezielte Fördermaßnahmen in Gang gesetzt haben. Im Grundschulbereich gilt die besondere Aufmerksamkeit neben den sprachlichen Fähigkeiten der Verbesserung der Lesekompetenz und des grundlegenden Verständnisses mathematischer und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge. Außerdem bietet der Ausbau von Ganztagsschulen erweiterte Fördermöglichkeiten gerade für Kinder aus bildungsbenachteiligten Schichten und insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund.  

Bildung PLUS: Mehr Selbstständigkeit von Schulen setzt engagierte Lehrerinnen und Lehrer voraus. Wie schätzen Sie gegenwärtig das Ansehen von Lehrerinnen und Lehrern in der Gesellschaft ein?

Ahnen: Die gesellschaftlichen Erwartungen, denen sich Lehrerinnen und Lehrer täglich zu stellen haben, werden immer zahlreicher und anspruchsvoller. Eine Gesellschaft, deren Zukunft vor allem von guter Bildung abhängt, sollte daher pädagogische Leistungen auch angemessen würdigen. Da haben wir in Deutschland Nachholbedarf. Die Politik hat erkannt, dass pädagogische Arbeit höhere Wertschätzung braucht und verdient. Die im November 2003 von der Kultusministerkonferenz initiierte Kampagne "Bildung - unser Ticket in die Zukunft" ist nur ein Beleg dafür.

Wir müssen aber auch Veränderungen in der Lehrerausbildung vornehmen und neue Schwerpunkte in der Fort- und Weiterbildung setzen. Daran arbeiten wir.

Bildung PLUS: Auf welchen Zeithorizont haben wir uns einzustellen, wenn wir Leistungsverbesserungen im Schulsystem erwarten?

Ahnen: Bei den Umsteuerungsprozessen, die wir jetzt in Angriff genommen haben, rechnen Experten mit einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren bis eindeutige dauerhafte Erfolge zu sehen sind. Diese Einschätzung teile ich.
 
Bildung PLUS: Ihre Präsidentschaft als KMK-Präsidentin übergeben Sie turnusgemäß an Ihren Nachfolger. Sie schauen zum Jahreswechsel auf Ihr "Punktekonto". In welchen Punkten wollen Sie unbedingt etwas erreicht haben?

Ahnen: Ich setze darauf, dass wir zum Ende dieses Jahres bei der Qualitätssicherung und Qualitätssteigerung in Schulen und Hochschulen weiter vorangekommen sein werden. Wichtig ist mir dabei, alle Beteiligten - Lehrerkollegien, Schulleitungen und Schulverwaltungen, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern - für diese Reformen zu gewinnen. Mit weiteren Bildungsstandards für unterschiedliche Abschnitte des schulischen Werdegangs und dem neuen bundesweit zuständigen "Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen", das die Standards kontinuierlich evaluieren und weiterentwickeln wird, aber auch mit dem Vorantreiben des Bologna-Prozesses im Hochschulbereich wird das gelingen.

Und ich hoffe, dass zum Jahresende nicht nur ein Schritt getan ist, um die Abstände zwischen den unterschiedlichen Stufen in einer Bildungsbiografie zu verringern, sondern auch, dass sich beispielsweise Schule und Wirtschaft oder Schule und Kulturschaffende näher gekommen sind.

 

Doris Ahnen, 39 Jahre, amtierende Präsidentin der KMK und Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend in Rheinland-Pfalz setzt auf den Dialog von Interessengruppen und Beteiligten in der Bildungsreform. Die ausgebildete Politologin ist Mitglied der SPD und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). 1996 wurde sie jüngste Staatssekretärin m Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung in Rheinland-Pfalz.

Autor(in): Arnd Zickgraf
Kontakt zur Redaktion
Datum: 27.05.2004
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