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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 01.02.2024:

Wie verändert KI Bildungsinformationssysteme?

DBS-Fachtag zum Thema KI
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Bildrechte: Deutscher Bildungsserver

Auf dem ersten Fachtag des Deutschen Bildungsservers (DBS) wurde gemeinsam mit Expert*innen darüber diskutiert, wie Künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen kann, Bildungsprozesse zu verbessern und welche Kompetenzen Lehrende und Lernende für den Einsatz von KI brauchen. Nach informativen Vorträgen, die über Vor- und Nachteile generativer Sprachmodelle aufklärten, diskutierten die Teilnehmenden in Workshops darüber, wie sich Bildungsinfrastrukturen und -informationssysteme durch KI verändern und entwickelten eigene Anwendungsszenarien.


Der Deutsche Bildungsserver veranstaltete seinen ersten Fachtag am 18. Januar 2024 im DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main. Unter dem Titel „Künstliche Intelligenz: Zukunft von Bildungsinformation und Wissenstransfer!?“ wurde beleuchtet, inwiefern sich Informationssysteme durch den Einsatz von KI verändern (müssen). Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Detlef Reuter, Bundesministerium für Bildung und Forschung, und Prof. Dr. Marc Rittberger, Direktor des Informationszentrum Bildung (IZB) des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Reuter betonte, Bund und Länder stünden dem Thema KI aufgeschlossen gegenüber, das BMBF fördert schon länger u.a. den KI-Campus, die Lernplattform für Künstliche Intelligenz zur Stärkung von KI- und Datenkompetenzen. Er begrüße es daher sehr, dass sich der DBS dem Thema annehme. Prof. Dr. Rittberger bestätigte, dass KI für die Bildungsforschung und Bildungsinformation eine große Rolle spiele und erhoffte sich von dem Fachtag Anregungen, wie KI zukünftig zur Verbesserung von Informationssystemen eingesetzt werden könne. Carolin Anda und Susanne Grimm vom DBS-Team moderierten die Veranstaltung.

Lernkompetenz und KI-Kompetenz als zentrale Zukunftskompetenzen fördern
Den Auftakt der Fachtagung bildeten zwei Vorträge, die sich mit den Vorteilen und Risiken generativer Sprachmodelle sowie ihrem Nutzen für Bildungsinformationssysteme befassten. Prof. Dr. Tina Seufert von der Universität Ulm wies in ihrem Vortrag „Lernkompetenz und KI-Kompetenz als zentrale Zukunftskompetenzen fördern“ darauf hin, dass generative künstliche Intelligenz Bildungsprozesse und das Lernen erheblich unterstützen könne. ChatGPT könne Texte zusammenfassen, Grammatik verbessern und sei auch effizientes Werkzeug für Lehrende, indem es Lernquizze, Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad und sogar vollständige Unterrichtspläne erstellt, Ideen und Feedback gibt sowie Texte in verschiedene Sprachen übersetzt.

Um KI richtig anwenden und KI-Kompetenzen aufbauen zu können, sei aber die Förderung der Lernkompetenzen entscheidend, betonte Prof. Dr. Seufert. Dazu gehören Selbstreflexion, Veränderungsfähigkeit, Lernbereitschaft und Eigenverantwortung. Nur wer über diese Basiskompetenzen verfüge und genügend Vorwissen mitbringe, sei dazu in der Lage, die optimale Tool-Wahl zu treffen, die generative KI zu bedienen, die richtige Eingabeaufforderung (Prompt) für das gewünschte Ergebnis einzugeben und die Resultate zu überprüfen. Daher sei es wichtig, Reflexion und kritische Diskussion zu üben, vielfältige Erfahrungen mit KI zu sammeln und zu entscheiden, welche Aufgaben der Mensch und welche die Maschine übernehmen solle. Seufert betonte auch, dass sich die Bildung durch den Einsatz von generativer KI verändern müsse, da sie den Studierenden einen freien Zugang zu Wissen ermögliche. Im Vordergrund müssten heute vielmehr die Lernprozesse stehen und nicht die Produkte, Reflexion an Stelle von Reproduktion gesetzt werden. Lehrkräfte müssten Lernbegleiter*innen statt Wissensvermittler*innen sein und digitale sowie Lernkompetenzen vermitteln.

Potenziale und Grenzen (generativer) KI in der Wissens- und Kreativarbeit
Auch Prof. Dr. Eva Bittner von der Universität Hamburg betonte in ihrem Vortrag „Potenziale und Grenzen (generativer) KI in der Wissens- und Kreativarbeit“, dass generative KI-Systeme durch ihre Fähigkeit, Texte, Bilder und Ideen zu generieren, bei der Lösung kreativer Probleme sehr hilfreich sein können. Sie verwies auf die Boston Consulting-Studie, nach der GPT-4 kreativer war als 90 Prozent der Teilnehmenden (TN), nur zehn Prozent der TN hatten kreativere Ideen. Allerdings hänge die Leistungsfähigkeit generativer KI von der Aufgabenstellung ab. Die Kompetenz, die richtigen Fragen zu stellen, müsse erlernt werden.

Die Gefahr bestehe darin, dass sich die Nutzer*innen auf das System verlassen, nicht mehr selbst denken oder sogar ihre eigenen Kompetenzen in Frage stellen. Auch wer falsche Eingaben mache und über wenig Vorwissen verfüge, könne seine Leistung eher verschlechtern, denn generative Sprachmodelle wie ChatGPT seien keine Wissens-, sondern Sprachsysteme. Sie seien zwar sehr eloquent, kennen aber weder Logik noch den Unterschied zwischen Wahrheit und Unwahrheit. Daher sei es sehr wichtig, die Ergebnisse stets zu kontrollieren. Durch sorgfältiges Kuratieren, den Zugriff auf Wissensbasen wie MS Co-Pilot, die Kombination mit anderen Tools wie GPT und Python und unter Anwendung von Prompting-Strategien können generative Sprachsysteme aber für Wissens- und Informationssysteme unterstützend wirken.

KI und Informationssysteme
Im Anschluss an die Vorträge erhielten die Teilnehmenden Gelegenheit zum Austausch und gemeinsamen Erarbeiten von Zukunftskonzepten. Der Workshop „KI und Bildungsserver - Wie passt das zusammen?“ beschäftigte sich unter der Moderation von Sebastian Wollny, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIPF, mit Weiterentwicklungspotenzialen des Deutschen Bildungsservers (DBS) unter KI. Nach einem kurzen Impulsvortrag diskutierten die Teilnehmenden in Kleingruppen über die Herausforderungen sowie mögliche Lösungswege und Anwendungsstrategien für den DBS. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass eine Übersetzung der Inhalte des DBS durch KI in verschiedene Sprachen dazu beitragen könnte, sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden. Anderssprachige Mitbürger*innen in Deutschland würden die Informationen des DBS besser verstehen und auch ausländische Forscher*innen könnten sich intensiver informieren. Eine stärkere Einbindung von KI-Tools könnte auch zur Gestaltung von Bildungsserverinhalten oder einer Guided-Tour genutzt werden, die Erstbesucher*innen durch den Bildungsserver navigiert.

Im Workshop „Vom Informations- zum Assistenzsystem: KI im Kontext bestehender Informationsinfrastrukturen“ befassten sich die Teilnehmenden mit den Auswirkungen generativer KI auf klassische Informationsinfrastrukturen. Sylvia Kullmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIPF, erläuterte den Unterschied zwischen Informationssystemen und Assistenzsystemen. Während erstere den Nutzenden nach einer optimalen Informationslogistik die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen, zielen Assistenzsysteme darauf ab, Nutzende durch konkrete Hilfestellungen in bestimmten Situationen zu unterstützen. Sie bieten einen Mehrwert, indem sie einen „schnelleren und passgenaueren Überblick über relevante Literatur/Informationen“ geben und ein „leichteres Verständnis durch nutzerfreundlich aufbereitete Suchergebnisse“ aufweisen. In Gruppen wurden potenzielle Mehrwerte durch KI - zum Beispiel durch die Verknüpfung von Inhalten und Systemen - am Beispiel des Deutschen Bildungsservers überlegt. Es wurden aber auch Risiken durch KI-basierte Assistenzsysteme wie das Fehlverhalten von Systemen oder das Urheberrecht diskutiert.

KI und OER
Annett Zobel, Geschäftsführerin von edu-sharing, stellte in dem Workshop „Das ist doch nicht wahr!? Wie Fachcommunities helfen, KI für Bildung zu trainieren und OER zu verbreiten“ das Projekt IT’s JOINTLY vor. Darin erstellt ein Redaktionsnetzwerk mit Fachpersonen aus der Bildungspraxis verifizierte Daten- und Wissenspools, um Halbwahrheiten und Falschinformationen in der Bildung vorzubeugen. Darauf aufbauend werden Methoden entwickelt, mit denen die Sachrichtigkeit von KI überprüft wird. Dabei erprobt das Team auch die Potenziale von KI-Anwendungen wie z.B. Chatbots. Die kostenfreie Plattform WirLernenOnline.de ist das „Schaufenster“ ihrer Arbeit und fördert die Verbreitung von offenen Bildungsinhalten (Open Educational Resources, OER). Im Rahmen des Workshops wurde erarbeitet, welche redaktionellen Akteur*innen es gibt und wie sie vernetzt werden können. Das Zögern auf Seiten der Ersteller*innen, ihre Inhalte in Datenpools öffentlich zu machen, sahen die Teilnehmenden als problematisch an. Es wurde deshalb vorgeschlagen, Arbeitnehmer*innen im öffentlichen Dienst per Dienstanweisung zu verpflichten, erstellte Inhalte als OER zu lizenzieren. Als Quellen für offene Inhalte und Daten wurden Bibliotheken, Universitäten, Repositorien wie Elixier für die Schule, OERSI für die Hochschulbildung und Moocs vorgeschlagen. Auch sollte es freien Zugriff auf die Repositorien der Bundesländer geben, so wie das OpenELEC Niedersachsen.

Künstliche Intelligenz und Suchmaschinen-Optimierung
Wie man Inhalte von Webseiten so verbessern kann, dass sie eine gute Position für entsprechende Suchanfragen belegen, war Inhalt des Vortrags „Künstliche Intelligenz und Suchmaschinen-Optimierung (SEO)“ von Dr. Sigrid Fahrer, wissenschaftliche Koordinatorin am DIPF. Sie erläuterte, dass die meisten Besucher*innen ihren Weg zu Webportalen über zu fast 90 Prozent über Google finden. Beim DBS sind es 88 Prozent aller Besucher*innen. Die durchschnittliche Klickrate (CTR) auf der ersten Position bei Google liegt bei 28,5 Prozent. Danach fällt sie stark ab. Auf den zehnten Treffer klicken im Durchschnitt nur noch 2,5 Prozent der Suchenden. Um die Platzierung in den Suchergebnislisten zu verbessern, setzen viele Portale deshalb auf Maßnahmen der Suchmaschinenoptimierung (SEO).

Mit der Entwicklung von KI-basierten Chatbots, wie ChatGPT und Google Bard, verändert sich auch die Suchmaschinenlandschaft. ChatBing liefert z.B. keine Suchergebnisseiten, sondern nur drei Links, die als Quellenangabe fungieren. Voraussetzung dafür, dass die eigene Seite platziert ist, sind Vertrauenswürdigkeit von Anbieter und Content sowie SEO. Der Content sollte nützliche Inhalte liefern, die einen Mehrwert bieten. KI-Tools können nur begrenzt unterstützend wirken, da ihre Inhalte von Suchmaschinen als SPAM deklariert werden und intensiv überprüft werden müssen. Zentral sind geeignete Keywords, die in einen Text eingebaut werden, und W-Fragen, um sein Ranking zu erhöhen. Ob KI die klassische Suchmaschine in Zukunft ablösen wird oder gewinnbringend erweitert, ist noch nicht eindeutig erwiesen, erste Nutzerstudien zeigen allerdings, dass Menschen Zusammenfassungen mögen. Setzt sich das durch, würde das Veränderungen in der Nutzung von Informationssystemen mit sich bringen, die aber derzeit noch nicht valide absehbar sind.

Was brauchen Informationsexpert*innen in der Zukunft?
In einer Schlussrunde einigten sich die Teilnehmenden darauf, dass Bildung gute Inhalte braucht und Anbieter von Informationssystemen die Verantwortung haben, Bildungsinformationen so aufzubereiten, dass sie in generative Sprachmodelle aufgenommen werden. Man müsse verhindern, dass „der Schaden uns einholt“. Denn Ziel von Bildung sei es, jungen Menschen dazu zu verhelfen, selbstständig partizipieren zu können, das könne aber verhindert werden, wenn diese sich zu sehr auf KI verlassen. Kritisiert wurde, dass die Berichterstattung über generative KI insgesamt zu technikoptimistisch sei. Ethik in der IT ist ein noch zu wenig beachtetes Feld und es gebe auch Risiken, die durch die Reichweite von generativen Sprachmodellen nicht unbeträchtlich sind.

Inwiefern sich der DBS verändern muss, um ein gutes Informationssystem zu bleiben, wird das Team in den kommenden Jahren fortlaufend diskutieren, neue Wege suchen und umsetzen. Aus den Anregungen des Fachtags werden Ideen für mögliche Workflows entworfen. Das Team wird weiterhin aufmerksam die Entwicklungen verfolgen und beobachten, wie die Nutzer*innen ihr Verhalten und ihre Suchstrategien verändern und sich fortlaufend damit auseinandersetzen - auch beim nächsten DBS-Fachtag.





Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 01.02.2024
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