Suche

Gebärdensprache DGS-Button Leichte Sprache LS-Button
Erweiterte Suche

Ariadne Pfad:

Inhalt

Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 02.10.2009:

Qualität in der Berufsbildung sichern

Die Deutsche Referenzstelle für Qualität in der Berufsbildung (DEQA-VET) wurde offiziell vorgestellt
Das Bild zum Artikel
Auftaktveranstaltung zur Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung am 22. September 2009 in Bonn. Foto: Ralf Naahs

Die Qualitätssicherung in der Berufsbildung gewinnt zusehends an Bedeutung. Immer differenzierter werdende Aus- und Weiterbildungssysteme, sich wandelnde Anforderungen an die Qualifikation von Fach- und Führungskräften sowie die demografische Entwicklung machen eine Qualitätssicherung in allen Bereichen der beruflichen Bildung notwendig. Auch wenn es eine Vielzahl von Initiativen und Konzepten gibt und zahlreiche Unternehmen Qualitätsmanagementsysteme eingeführt haben, besteht keine Einigkeit darüber, mit welchen Verfahren und Instrumenten die angestrebte Ausbildungsqualität und der Ausbildungsprozess gesichert und weiterentwickelt werden sollen. Es gibt keine einheitlich festgelegten Qualitätsstandards, stattdessen gehen die Ansichten über Anforderungen und Maßnahmen zur Sicherung betrieblicher Ausbildungsqualität sogar unter Berufsbildungsfachleuten auseinander.

Qualität in der beruflichen Bildung seit Kopenhagen
Politik und Berufsbildungsakteure bemühen sich verstärkt, ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich der Nutzung von Qualitätsindikatoren zu schaffen und Transparenz in das Dickicht der Verfahren zu bringen. Auf europäischer Ebene kam das Thema „Qualität in der beruflichen Bildung“ mit dem Lissabon-Prozess (2000) in den Blickpunkt, systematisch umgesetzt wird es seit dem Kopenhagen-Prozess (2002). Man einigte sich in der Erklärung von Kopenhagen auf eine verstärkte europäische Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung, auf eine Erhöhung von Transparenz, Information und Beratung (zum Beispiel den Europass), eine Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen, den Austausch von Modellen und Methoden sowie die Entwicklung von allgemeinen Kriterien und Prinzipien für die Qualität in der Berufsbildung. Auf der Folgekonferenz in Maastricht wurde die Entwicklung eines Europäischen Qualifikationsrahmens (EQF) sowie ein europäisches Kreditpunktesystem für die berufliche Bildung (ECVET) beschlossen. Im Jahr 2005 gründete die Europäische Kommission das European Network on Quality in Vocational Education and Training VET (ENQA VET), um die Zusammenarbeit im Bereich der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung in der EU zu intensivieren.

Das Netzwerk ENQA-VET
Die Hauptaufgaben von ENQA-VET bestehen in der Förderung der Kooperation unter den relevanten Stakeholdern auf nationaler und europäischer Ebene, der Entwicklung einer Kultur der Qualitätssicherung, dem Aufbau einer gemeinsamen Plattform, der Entwicklung und Förderung gemeinsamer Richtlinien und Kriterien sowie gemeinsamer Instrumente und Indikatoren und der Verbreitung von „best practice and governance“ auf dem Gebiet der Qualitätssicherung in der Berufsbildung. Derzeit sind 23 Staaten Mitglieder von ENQA-VET. In jedem Mitgliedsland wird ein nationaler Referenzpunkt für Qualität in der Berufsbildung eingerichtet, um einen Austausch zum Thema Qualität in der europäischen Berufsbildung zu fördern. Die Europäische Kommission hat im April 2008 eine Empfehlung für einen Europäischen Referenzrahmen zur Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung (EQARF) vorgelegt, der im Frühjahr 2009 vom Europäischen Parlament und Rat verabschiedet wurde. Dieser soll die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ihrer Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungssysteme unterstützen.

Die Nationale Referenzstelle DEQA-VET
Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wurde am 1. August 2008 die Deutsche Referenzstelle für Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung „DEQA-VET“ beim Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn eingerichtet. DEQA-VET steht für German (Reference Point for) Quality Assurance in Vocational Education and Training und ist als Netzwerk-Knoten im europäischen Netzwerk ENQA-VET zu verstehen. Sein Ziel ist es, die Einsicht in den Nutzen und die Kultur der Qualitätssicherung in Deutschland und Europa zu fördern. Dazu vernetzt es die nationalen Stakeholder. Das sind u. a. Sozialpartner, Betriebe, Berufsschulen, Berufsfachschulen, Anbieter und Zertifizierungsstellen beruflicher Fort- und Weiterbildung wie auch die Berufsbildungsforschung sowie Bildungspolitik und
-verwaltung der Länder und des Bundes im Bereich der beruflichen Bildung. Die Referenzstelle unterstützt diese Akteure mit Angeboten, Good-Practices und Know-how im Bereich Qualitätssicherung und -entwicklung und übernimmt eine vermittelnde Rolle von und zur europäischen Ebene.

Die Auftaktveranstaltung von DEQA-VET
Am 22. September 2009 fand die Auftaktveranstaltung im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn statt, um die Nationale Referenzstelle in der Fachöffentlichkeit bekannt zu machen. In den Eröffnungsreden wurde die Bedeutung der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung in den Vordergrund gestellt, aber auch auf die Schwierigkeit verwiesen, konkrete Qualitätskriterien zu bestimmen. So deutete Professor Dr. Reinhold Weiß vom BIBB in seiner Begrüßungsrede darauf hin, dass Qualität eine unbestimmte Größe sei, die nicht legal definiert werden könne. Kornelia Haugg vom BMBF betonte, dass das deutsche duale Berufsbildungssystem sehr leistungsstark sei, dass Globalisierung, technischer Wandel, die aktuell schwierige wirtschaftliche Situation sowie die demografische Entwicklung aber erhöhte Anforderungen stellten. Es gehe darum, eine Kultur der Qualitätsbildung zu schaffen, in der Qualität nicht nur vorhanden ist, sondern sichtbar gemacht wird und wahrgenommen werden kann. Trotz vieler Maßnahmen fehle es bisher an einem systematischen Katalog von Qualitätskriterien. Den herzustellen sei oberste Priorität der 23 Mitgliedstaaten von ENQA-Vet. Sophie Weißwange von der EU-Kommission versicherte, dass alle Staaten im Juni 2009 die Implementierung der Empfehlung für einen Europäischen Referenzrahmen zur Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung als eine der Prioritäten der Mitgliedstaaten bestätigt haben und man sich schon auf ein Set von Qualitätsindikatoren geeinigt habe. Die Herausforderung in seiner Umsetzung liege jetzt darin, „ein Gleichgewicht zwischen Kreativität und Kontrolle“ zu finden.

Zur Arbeit von ENQA-VET und DEQA-VET
Die grundlegenden Zusammenhänge von EQARF, ENQA-VET und DEQA-VET erläuterte Karin Küßner vom BMBF in ihrem Vortrag „Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung“. Sie betonte, dass der Europäische Bezugsrahmen für Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung (EQARF) die Mitgliedstaaten dabei unterstützt, eine Kultur der Qualitätssicherung und -verbesserung zu fördern und auf eine Qualitätsüberwachung durch interne und externe Evaluierung mittels quantitativer und qualitativer Analysen zielt. Nach der Methodik „Planen, Durchführen, Kontrollieren und Optimieren“ von Instrumenten und Verfahren sollen die Mitgliedstaaten unter Beteiligung aller relevanten Bildungsakteure bis zum Jahr 2011 ein Konzept zur Qualitätsverbesserung entwickeln. Die Nationalen Referenzstellen, wie die deutsche DEQA-VET in Bonn, sollen dabei helfen, Information und Kommunikation der nationalen Stakeholder zu fördern und die Mitwirkung bei der Umsetzung der ENQA-Vet-Aktivitäten voranzutreiben.

Das österreichische ARQA-VET
Wie erfolgreich die Arbeit einer Nationalen Referenzstelle sein kann, stellte Dr. Franz Gramlinger aus Wien dar. Die österreichische Referenzstelle für Qualität in der Berufsbildung ARQA-VET hat seine Arbeit ein Jahr früher aufgenommen als die deutsche und diente der DEQA-VET in vielerlei Hinsicht als Vorbild. Nach der Gründungsphase im Oktober 2007 wurden sehr schnell die ersten konkreten, operativen Aktivitäten gestartet. Dazu gehören der Auftrag zu einer Machbarkeitsstudie zur Umsetzung des Europäischen Peer Review-Verfahrens im österreichischen berufsbildenden Schulwesen und – gemeinsam mit QIBB (QualitätsInitiative BerufsBildung) und dem öibf (Österreichisches Institut für Berufsbildungsforschung) – die Konzeption und Durchführung einer Pilotstudie zum selben Thema. Außerdem die aktive Mitarbeit in der QIBB-Steuergruppe, die Bereitstellung von up-to-date Informationen zum Thema Qualität in der Berufsbildung, die Vernetzung von Qualitäts-Experten und Expertinnen auf der Homepage und die Etablierung von ARQA-VET als Anlaufstelle für die „Qualitäts-Dimension“ verschiedener Bildungsthemen.

Vier Märkte zum Thema Qualitätssicherung
Vier so genannte „Märkte“ zu den Themen Qualitätssicherung durch Lernortkooperationen (Markt 1), Qualitätssicherung in der betrieblichen Ausbildung (Markt 2), die Rolle der Kammern bei der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung (Markt 3) und die Qualitätssicherung in der beruflichen Weiterbildung, gaben den an der Veranstaltung teilnehmenden Akteuren der Berufsbildung, darunter Ausbilder, Qualitätsbeauftragte, Weiterbildungsanbieter, Vertreter der Länder u.a. die Gelegenheit, sich über die aktuellen Herausforderungen bei der Qualitätssicherung auszutauschen und den „Mehrwert“ von DEQA-VET für die jeweilige Zielgruppe zu identifizieren. Jeweils drei Referenten stellten überblicksartig ihre Modelle vor und regten das Fachpublikum zur Diskussion an. Thomas Ressel von der IG Metall beispielsweise, machte im Markt 2 „Qualitätssicherung in der betrieblichen Ausbildung“ darauf aufmerksam, dass mindestens zu den Bereichen Ausbildungspersonal, Ausbildungsplanung, Lernprozess und Ergebnis der Ausbildung in jedem Ausbildungsbetrieb festzulegende Standards erfüllt werden sollten. Zugleich müssten Ausbildungsbetriebe dabei unterstützt werden, die angestrebten Qualitätsstandards zu erreichen. Hierzu bräuchte es eine funktionierende Arbeitsstruktur der an der Berufsausbildung beteiligten Akteure wie Betriebe, Berufsschulen, zuständige Stellen, Gewerkschaften. „Ein tragfähiges Qualitätsverständnis kann aber nur erzeugt werden, wenn Ausbildungsbetriebe den Nutzen der Qualitätssicherung auch erkennen, mit rein formalistischen Vorgaben wird dies nicht machbar sein“, so Ressel. Und weiter: „Das bedeutet aber auch, dass nicht jeder Betrieb ausbilden kann: Betriebe, die Auszubildende als ’billige Arbeitskraft’ ansehen, sollen und dürfen nicht ausbilden!“ Mit dieser These stieß er eine rege Diskussion an, in deren Rahmen Rudolf Fink von der Siemens AG und Hans-Hermann Lücke von KME Germany AG darstellten, wie sie in ihren Unternehmen Qualitätssicherung betreiben.

Präsentation der Website
Im Foyer des Bundesinstituts für Berufsbildung präsentierten das BIBB und andere Institutionen des Bundes, der Länder, der Sozialpartner sowie Verbände während der Auftaktveranstaltung ihre Qualitätsinitiativen. Das BIBB stellte beispielsweise die Projekte Jobstarter, AusbildungPlus, die Nationale Agentur und iMove vor. Einige Länder wie Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen und das Saarland portraitierten ihre Qualitätsmanagementsysteme. Auch die Agentur für Arbeit, das DIE, der DGB und andere Institutionen zeigten ihre Qualitätsmodelle.

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch die Präsentation der Homepage von Thomas G. Gruber, Ansprechpartner der deutschen Referenzstelle für Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung beim BIBB. Die Website gibt Auskunft über Inhalt und Ziele von DEQA-VET und ENQA-VET, sie informiert über Akteure, Konzepte und Aktivitäten in der Qualitätssicherung der beruflichen Bildung und fordert Organisationen und Betriebe dazu auf, ihre Erfahrungen mit Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung auf der Seite darzustellen.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 02.10.2009
© Innovationsportal

Ihr Kommentar zu diesem Beitrag. Dieser Beitrag wurde bisher einmal kommentiert.

 Weitere Beiträge nach Innovationsgebieten (Archiv).

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion von Bildung + Innovation erlaubt.

Die Redaktion des Online-Magazins Bildung + Innovation arbeitet journalistisch frei und unabhängig. Die veröffentlichten Beiträge bilden u. a. auch interessante Einzelmeinungen zum Bildungsgeschehen ab; die darin zum Ausdruck gebrachte Meinung entspricht nicht notwendig der Meinung der Redaktion oder des DIPF.

Inhalt auf sozialen Plattformen teilen (nur vorhanden, wenn Javascript eingeschaltet ist)

Teile diese Seite: