Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen
Erschienen am 10.09.2001:
"Ich halte die Langzeitstudiengebühren für richtig" - 2.Teil
Forum Bildung: In der geplanten Dienstrechtsreform der Bundesregierung soll die Habilitation als Regelvoraussetzung für eine Professur abgeschafft werden. Einige Vertreter der CDU sind damit gar nicht einverstanden. Warum nicht?
Frankenberg: Wenn wir die Autonomie der Hochschule, die Existenz vielfältiger Hochschullandschaften und differenzierter Fachkulturen ernst nehmen, dann sollten wir dem Markt und dem Wettbewerb vertrauen. Es muss alternative Wege zur Qualifikation geben. In den Natur- und Ingenieurwissenschaften ist die Habilitation längst nicht mehr die Voraussetzung für eine Professur, sondern etwa die Erfahrung in einem Unternehmen neben der wissenschaftlichen Tätigkeit. Man sollte sowohl den Weg der Junior-Professur als auch der Habilitation offen halten. Allerdings muss die Junior-Professur als Berufungschance attraktiv sein und darf nicht diskriminiert werden. Wir dürfen nicht den gleichen Fehler wie mit den Assistenz-Professuren in den 70er Jahren machen. Die Gefahr droht, wenn wir jetzt einseitig die Habilitation als Regelvoraussetzung ansehen würden.
Forum Bildung: Die Dienstrechtsreform der Bundesregierung sieht auch vor, dass Professoren leistungsabhängig bezahlt werden. Eigentlich müsste Ihnen das ja - im Sinne des Wettbewerbs - gefallen?
Frankenberg: Im Sinne modernen Personalmanagements ist es notwendig, dass man erstens eine marktorientierte Besoldung hat, um Professoren aus der Wirtschaft zu gewinnen, und Leistungsanreize bietet. Doch kann dies auch in Teilen das jetzige Besoldungssystem leisten - allerdings nur bei weiteren Rufen. Es ist ja nicht so, dass wir ein ganz starres System hätten. Die große Frage ist, ob die gegenwärtige Besoldungsreform der Bundesregierung dieses wirklich voll leisten kann. Sicher nicht, wenn man die baden-württembergischen und bayerischen Änderungswünsche zurückweisen sollte. Denn wenn die Grundvergütungen nicht deutlich angehoben werden oder Bandbreiten geschaffen werden, damit auch die Länder Spielräume haben, dann wird das Lebenseinkommen der Professorinnen und Professoren effektiv sinken. So wird der Professorenberuf natürlich nicht attraktiver.
Das Zweite ist, dass diese Reform nicht kostenneutral sein kann. Sie müssen denjenigen, die in der Marktkonkurrenz stehen, schon bei der Erstberufung höhere Gehälter zahlen. Wenn dies aber - bei einer konstanten Summe von Personalausgaben - einseitig zu Lasten eines größeren Teils der übrigen Professorinnen und Professoren geschieht, würden die Universitäten letztendlich teure Berufungen vermeiden. Ganz einfach aus dem Grund, weil die Gremien der Hochschulen wissen, dass aus dem Topf, aus dem die eigenen Zulagen kommen, auch die Gehälter der hochdotierten Kolleginnen und Kollegen kommen werden. Das ist dann nicht böswillig, sondern ein menschlicher Automatismus.
Ich befürchte daher, dass wenn unsere Vorschläge - Erhöhung der Grundvergütung und Vermeidung der Kostenneutralität - abgelehnt werden sollten, die Reform in der Praxis in ihr Gegenteil verkehrt wird.
Forum Bildung: Und wie sieht Ihrer Meinung nach die Alternative aus?
Frankenberg: Das ganze Problem könnte man ja auch viel einfacher lösen: Zum Beispiel haben wir bei einer Berufung von Professoren aus dem Ausland und der Wirtschaft zu wenig Flexibilität. Wir können zum Beispiel Professuren nicht nur halb besetzen, so dass die betreffenden Professoren daneben noch eine andere Berufstätigkeit ausüben können. Für die wenigen Topleute, an die ich hier denke, hätte es eigentlich auch genügt, außertarifliche Angestelltenverhältnisse zu schaffen und bei C3- und C4-Professuren Leistungszulagen anstelle der Alterszulagen einzuführen. Dann hätte man ein einfaches und transparentes Modell gehabt, in dem die Besoldung des Einen unabhängig von der des Anderen ist. Dafür bräuchte man dieses gigantische Gesetzesvorhaben eigentlich nicht unbedingt. Wenn die Besoldungsreform des Bundes scheitert, haben wir eine Alternative: Die Ausdehnung der außertariflichen Angestelltenverträge auf der einen und die Schaffung von Leistungsanreizen im gegenwärtigen Besoldungssystem auf der anderen Seite - und das Ganze mit der gleichen Wirkung für alle Hochschularten.
Meiner Meinung nach hat man die Reform falsch herum aufgezogen. Und jetzt droht sogar das noch Schlimmere: Eine Reform des Professorendienstrechtes ohne Reform des wissenschaftlichen Dienstes. Durch die Starrheit des BAT verlieren wir die jungen Leute an die Wirtschaft. So verpassen wir die Chance, die besten Leute für die Universitäten zu gewinnen und wenn dann noch durch die Optik der niedrigen Grundvergütung die Attraktivität des Professorenberufes nachlässt, hätten wir eine doppelt negative Strategie gefahren.
Forum Bildung: In den Unis in Baden-Württemberg sollen künftig auch Personen lehren, die eine "gleichwertige wissenschaftliche Leistung" außerhalb der Universität vorweisen. Was und wen kann man sich darunter vorstellen?
Frankenberg: Die gleichwertige wissenschaftliche Leistung ersetzt im Grunde die Habilitation. Es gibt Forschungsleistungen außerhalb der Hochschule, die in Unternehmen und Forschungseinrichtungen oder im Ausland erbracht werden. Das sind Wege, die wir genauso wertschätzen müssen wie die Wege der Qualifikation in den Hochschulen. Es muss möglich sein, dass jemand von draußen in eine Hochschule geht, der eine hohe wissenschaftliche und praktische Qualifikation erworben hat. In vielen Bereichen ist das schon der Status quo: In den Ingenieurwissenschaften, Architektur, Kunst und den Fachhochschulen sowieso.
Forum Bildung: Hochschulpolitik ist Ländersache, so steht es im Grundgesetz. Zugleich sollen aber Qualität und Vergleichbarkeit der Angebote, möglichst sogar im internationalen Rahmen, sichergestellt werden. Ein Widerspruch?
Frankenberg: Qualität resultiert nicht aus Gleichheit und Standardisierung, diese resultiert vielmehr aus dem Wettbewerb. Wir haben einen Wettbewerb in der Forschung und um Stellen, aber kaum einen Wettbewerb im Bereich der Lehre. Erst wenn wir dort einen Wettbewerb haben - und der beginnt mit der Auswahl der Studierenden - wird auch die Lehre diesem qualitativ förderlichen Wettbewerbsprozess unterliegen. Dieser kommt aber nur in Gang, wenn es unterschiedliche Lehrangebote gibt. Wir müssen auf jeden Fall Mindeststandards garantieren - zum Beispiel durch Akkreditierungsagenturen oder eine Evaluationsagentur wie in Baden-Württemberg, die regelmäßig eine Evaluation aller Studiengänge vornimmt. Wir können auf viele Standardisierungen wirklich verzichten, wie wir sie etwa über die gemeinsame Rahmenprüfungsordnung der HRK und der KMK haben. Denn letztlich entscheidet der Markt über die Qualität und die Abnahme der Studierenden.
Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 10.09.2001
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