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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 25.10.2001:

"Wir müssen das Lernen und Entlernen üben"

Trendforscher Peter Wippermann über das Arbeiten in der Zukunft
Das Bild zum Artikel
Prof. Peter Wippermann

Forum Bildung: Spezialistentum gilt in der Wissensgesellschaft nicht mehr als das Nonplusultra. Was für Fähigkeiten sind dann gefragt?

Wippermann:
Das Wissen der Zukunft besteht aus Spezialwissen, Kontextwissen und Kreativität. Spezialwissen wird immer wichtig sein, da es aber schnell veraltet, müssen alle Menschen das Lernen und Entlernen üben. Wir müssen in der Lage sein, das Wissen, das gerade noch nützlich erschien, aufzugeben, um etwas Neues zu lernen. Das Kontextwissen befähigt den Menschen, sein Fachwissen in größere Zusammenhänge einzubinden und durch Kreativität können neue Wege eingeschlagen werden.

Forum Bildung: Viele Personalchefs nennen die Soft Skills heute schon vor dem Fachwissen. Wie wichtig sind Teamfähigkeit und soziale Kompetenz wirklich?

Wippermann: Soft Skills sind heute die unerlässliche Basis, denn Innovationen entstehen aus der Gemeinschaft heraus. Die Tatsache, dass wir die Soft Skills zu ernst nehmen, hängt damit zusammen, dass es heute viel mehr Einzelkinder gibt. Die Familie hat die Soft Skills den Kindern früher unbewußt mit auf den Weg gegeben.

Forum Bildung:
Bei der schnellen Verfallszeit von Wissen gewinnt das lebenslange Lernen an Bedeutung. Sie behaupten, das Bildungssystem sei dafür nicht gerüstet. Warum?

Wippermann:
Das Verständnis von Bildung ändert sich nur langsam. Bildung wird teilweise auch heute noch als geschlossenes System gesehen, das man mit einem Abschluss verlässt, um sich dem richtigen Leben zu stellen. Heute muss Bildung aber die Fähigkeit trainieren, neues Wissen zu erkennen und aufzunehmen.

Forum Bildung:
Die Zukunft soll anscheinend den Einpersonenunternehmen, den Ich-AG´s, gehören. Wer oder was ist die Ich-AG?

Wippermann: Das Neue an der Ich-AG ist, dass wir unser gesamtes Leben, sowohl Freizeit als auch Beruf, ökonomisch bewerten. Lohnt sich das, bringt mich das weiter, wie kann ich das optimieren? Eine Input-Output-Rechnung, die früher nur für das Arbeitsleben galt. Die Aufgabe jedes Einzelnen besteht nun darin, seine individuelle "work-life-balance" zu finden.

Forum Bildung: Mobile Arbeitnehmer heißen heute Jobnomaden. Wieviel Mobilität braucht und erträgt unsere Gesellschaft?

Wippermann: Die Idee eines mobilen Arbeitnehmers ist natürlich die Idealvorstellung einer Wirtschaft, die sich ständig ändert. Früher hat man einem Arbeitgeber seine Arbeitskraft angeboten, um diese dort möglichst lange zu vermarkten in der Hoffnung, dass man Karriere macht. Heute sind wir nicht mehr lebenslange Arbeitnehmer, sondern wir sind Lebensunternehmer. Der Lebensunternehmer entscheidet immer wieder neu, wo er arbeitet, wann er arbeitet und was er arbeitet.

Forum Bildung: Doch die Mobilität ist ja nicht nur eine Verheißung. Viele dieser Nomaden klagen über den Stress, ständig mobil zu sein und die Entfremdung von Partner, Kind und Freunden...

Wippermann: Das ist absolut richtig. Von unserem sozialen Denken sind wir überhaupt nicht in der Lage und willens, diese Flexibilität zu leben. Wir brauchen eine Art der sozialen Sicherheit. Diese wird momentan sogar von Sozialdemokraten wie Gerhard Schröder und Tony Blair in Frage gestellt. Der Staat soll ihrer Meinung nach kein soziales Netz mehr bieten, sondern nur noch Hilfe zur Selbsthilfe geben. Das bedeutet in der Konsequenz, dass wir all unseren selbstverständlichen Bedürfnisse selbst konstruieren müssen. Das bedeutet zusätzliche Arbeit. Und das macht wieder Stress.

Forum Bildung: Power-Nap - das Mittagsschläfchen - gehört in anderen Ländern längst zur Arbeitskultur. In Deutschland wirft der Chef immer noch ein mißtrauisches Auge auf Mitarbeiter, die sich mal kurz hinlegen, obwohl der Power-Nap die Leistungsfähigkeit nachweislich erhöht. Haben wir hierzulande eine antiquierte Einstellung zur Arbeit?

Wippermann: In gewisser Weise schon. Die Haltung des misstrauischen Chefs hat im Industriezeitalter Sinn gemacht, weil die Maschinen den Rhythmus vorgegeben haben und die Menschen diesem Rhythmus folgen mussten. In dem Moment, in dem man aber für Ideen, Kreativität, soziale Kontakte und Kommunikation bezahlt wird, ist etwas anderes entscheidend: Die effektive Lösung der Aufgaben und nicht die physische Anwesenheit.


Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 25.10.2001
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