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„BiSS-Transfer bietet passende Konzepte und Maßnahmen für die sprachliche Bildung an.“

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Bildrechte: Trägerkonsortium BiSS-Transfer/A. Etges

04.12.2025: Anlässlich unseres 20-jährigen Jubiläums haben wir langjährig erfolgreiche Projekte nach ihren Gelingensbedingungen, Hürden und innovativen Entwicklungen befragt. Heute starten wir unsere Reihe mit einem Interview über das Programm „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS) und dessen Nachfolger BiSS-Transfer. Gerade erst ist bekannt geworden, dass die Angebote von BiSS und BiSS-Transfer auch ab 2026 für die sprachliche Bildungsarbeit erhalten bleiben. Das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) fördert dazu eine entsprechende Koordinierungsstelle. Prof. Dr. Hans-Joachim Roth, Sprecher des Trägerkonsortiums BiSS-Transfer und Verantwortlicher der neuen „Leitstelle BiSS“, berichtet über Herausforderungen in der sprachlichen Bildung, Erfolgsfaktoren von BiSS und BiSS-Transfer sowie über das enge gemeinsame Handeln und Wirken von Wissenschaft und Praxis.


Das Programm „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS) unterstützte von 2013 bis 2019 bundesweit rund 600 Kindertagesstätten (Kitas) und Schulen dabei, die Sprachbildung von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Das Programm „Transfer von Sprachbildung, Lese- und Schreibförderung“ (BiSS-Transfer) setzte 2020 die Arbeit von BiSS mit dem Ziel fort, die in BiSS wissenschaftlich erprobten Maßnahmen zur Sprachbildung, Lese- und Schreibförderung weiterzuentwickeln, in die Breite zu tragen und nachhaltig in der Schul- und Unterrichtsentwicklung zu verankern. BiSS-Transfer ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) und der Kultusministerkonferenz (KMK). Bis zu 90 Verbünde aus Schulen und Kitas arbeiten an Konzepten zu Sprachbildung, Lese- und Schreibförderung in BiSS-Transfer. Dabei knüpfen sie an den Erfahrungen und Ergebnissen aus der ersten Programmphase an. In der „Leitstelle BiSS“ findet diese Arbeit ab 2026 ihre Fortführung. Bis Ende 2027 fördert das BMBFSFJ die Koordinierungsstelle, die in den kommenden zwei Jahren dafür sorgen wird, dass alle Bundesländer die Angebote zur Sprachbildung in Schulen und Kitas weiterhin nutzen können.

Online-Redaktion: Prof. Dr. Hans-Joachim Roth, das Projekt BiSS-Transfer läuft seit Jahren erfolgreich. Welche Bedingungen waren dafür entscheidend?

Roth: Ausgangspunkt war und ist der Handlungsbedarf im Bereich der sprachlichen Bildung. Hierbei geht es darum, die Herausforderungen in der sprachlichen Bildung als Daueraufgabe zu verstehen, die sich aufgrund des permanenten gesellschaftlichen Wandels und dessen Historie ergeben. Deshalb sollten wir verstärkt bei den Basiskompetenzen ansetzen, da diese die Grundlagen für einen erfolgreichen Bildungsweg legen, was vielen Akteurinnen und Akteuren, die sich in der Bildung engagieren, selbstverständlich bewusst ist. Die Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS) und ihre Nachfolgerin BiSS-Transfer bieten genau hierfür passende Konzepte und Maßnahmen an, die wissenschaftlich fundiert und praxistauglich aufbereitet sind. Das sind nur einige der Gründe, warum immer mehr Menschen und Einrichtungen auf die Angebote der Initiative zurückgreifen.

Ein anderer Grund ist die Wirksamkeit, die sich natürlich nicht von selbst einstellt. Sie ist vom richtigen Einsatz abhängig – wir sprechen hier von „Implementation“ und „Konzepttreue“ – und genau dazu bietet BiSS-Transfer entsprechende Fortbildungen für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte an. Mehr als 38.000 Personen haben dieses Angebot mittlerweile genutzt. Heißt: Die Umsetzung haben wir von Beginn an direkt mitgedacht und eine breite Auswahl an Informations- und Qualifizierungsangeboten bereitgestellt, damit die Konzepte in der Praxis auch erfolgreich angewendet werden können. Darüber hinaus ist während der Projektlaufzeit eine Tool-Datenbank mit hilfreichen Fachinformationen entstanden, in der rund 130 Instrumente für die Diagnose, Förderung und Fortbildung beschrieben und bewertet sind.

Ein weiterer Erfolgsfaktor von BiSS und BiSS-Transfer ist die umfassende Netzwerkstruktur, die sich über alle Ebenen des Bildungssystems hinweg etabliert und bewährt hat. Wir als Trägerkonsortium haben für die unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure von Beginn an viel Raum für wechselseitigen Austausch geschaffen – etwa in Form von Fachgruppen-, Präsenz- und Online-Treffen sowie großen und kleinen Fachtagungen. Dadurch konnte zwischen Wissenschaft, Administration und den Landesinstituten sowie der schulischen und pädagogischen Praxis eine enge Zusammenarbeit entstehen, die regional, landesintern und länderübergreifend stattfindet und von den Mitwirkenden sehr geschätzt wird. Diese enge Verzahnung machte ein wechselseitiges Voneinander- und Miteinanderlernen möglich und hilft dabei, ambitionierte Projekte durchzuhalten. Hierdurch konnte in BiSS-Transfer das realisiert werden, was man seit einiger Zeit „Ko-Konstruktion“ nennt.

Online-Redaktion: Welche Hürden gab es in Ihrem Projekt zu bewältigen?

Roth: Als die Bund-Länder-Initiative BiSS 2013 startete, standen wir zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Angesichts der Vielzahl und Autonomie der handelnden Akteurinnen und Akteure im Feld der sprachlichen Bildung war es nicht einfach, wirksame Konzepte breit zu verankern. Wir stellten uns daher die Frage, wie es gelingen kann, diese zahlreichen institutionellen Akteurinnen und Akteure für ein kohärentes Handeln zu gewinnen und wie gemeinsame Ziele und Standards für die sprachliche Bildung erarbeitet werden können.

Zu Beginn ging es deshalb erst einmal darum, mit der Bildungsadministration und den Landesinstituten in den Dialog zu kommen, Herausforderungen gemeinsam zu identifizieren und mit wissenschaftlichen Methoden nach geeigneten Lösungen zu suchen. Es brauchte also einen gemeinsamen Prozess von Wissenschaft, Administration und Praxis. Dabei war es uns von Anfang an wichtig, mit allen Beteiligten Hand in Hand zusammenzuarbeiten und gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln. Denn: So gut Konzepte auch sein mögen, was bringt es, wenn diese am Ende nicht umgesetzt werden? Produkte und Maßnahmen können nur Fuß fassen, wenn sie so aufbereitet sind, dass sie in der Praxis auch genutzt werden. In BiSS und BiSS-Transfer haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher Konzepte zur sprachlichen Bildung nicht nur entwickelt, sondern sie auch in Zusammenarbeit mit Schulen und Kitas erprobt und im Transfer begleitet. Am Anfang galt es also, erst einmal strukturelle Grundlagen zu schaffen, damit Prozesse, Angebote und Netzwerke etabliert und in der Breite verankert werden können. Das hat sich ausgezahlt. Wir haben viel erreicht: Waren in BiSS erst rund 600 Schulen und Kitas dabei, ist die Zahl der Einrichtungen in BiSS-Transfer auf mehr als 4.200 gewachsen – und wächst aktuell immer weiter. Hieran zeigt sich aber auch sehr deutlich, dass Veränderungen Zeit und eine langfristige Begleitung von Mitgestalterinnen und Mitgestaltern brauchen sowie die Motivation, Sprachbildung unterrichtsübergreifend anzugehen und als Teil der Schulentwicklung zu denken.

Online-Redaktion: Zu welchen innovativen Entwicklungen hat das Projekt beigetragen?

Roth: Also, ganz generell hatte und hat BiSS den Auftrag, neue und innovative Konzepte, Maßnahmen und Methoden für die sprachliche Bildung so auszuarbeiten, dass sie in der Praxis einsetzbar sind. In der ersten Phase von BiSS gab es zum Beispiel sogenannte Entwicklungsprojekte, in denen Bereiche ausgearbeitet und neue Konzepte erprobt wurden, zu denen bis dahin nur wenige empirische Erkenntnisse vorlagen. Daraus entstanden etwa die Konzepte zum Schreiben und zur institutionellen Kooperation von Kitas und Grundschulen. In der Transferphase von BiSS, also seit 2020, wurden solche Entwicklungen im Rahmen eines Forschungsnetzwerks ausgebaut. Sechs Universitäten und Forschungsinstitute mit unterschiedlichen Expertisen forschten gemeinsam daran, unter welchen Bedingungen ausgewählte Diagnostik- und Fördermaßnahmen in der Praxis am besten wirken. Rund 130 Schulen beteiligten sich an den Erhebungen. Erst wurden Lehrkräfte fortgebildet, um dann das neue Wissen in der Schule einzusetzen. Die Studien dazu zeigen, dass sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler nach Durchführung des Lese- und Schreibtrainings nachweislich verbesserten. Auch erwies sich die Fortbildung der Lehrkräfte zum sprachbildenden Mathematikunterricht und zur Nutzung der VERA-Ergebnisse als wirksam. Die Akzeptanz der Maßnahmen bei den Lehrkräften war groß.

Eine weitere richtungsweisende Entwicklung ist zudem das enge gemeinsame Handeln und Wirken von Wissenschaft und Praxis, das zu einer großen Akzeptanz und Praxistauglichkeit der Maßnahmen in den Schulen und Kitas geführt hat. Kooperation und Partizipation sind dabei wichtige Erfolgsmerkmale unserer Arbeit und haben die sprachliche Bildungsarbeit immer mehr geprägt. Und nicht zuletzt spielt für eine gelingende Umsetzung eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit eine wichtige Rolle, damit Fachinformationen auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden. In BiSS sind mehr als 40 Publikationen – zugeschnitten auf unterschiedliche Bedarfe – und viele hilfreiche Begleitmaterialien für das Blended Learning entstanden. Viele Broschüren, Handreichungen und Journale stehen nach wie vor auf der Website www.biss-sprachbildung.de kostenfrei zur Verfügung und bilden als Transferpublikationen ein gleichwertiges Pendant zu wissenschaftlichen Publikationen.

Online-Redaktion: Was würden Sie anders machen, wenn Sie Ihr Projekt heute starten würden?

Roth: Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen – oder besser gesagt – verfolgt haben. Denn der Weg entsteht ja bekanntlich beim Gehen, und so ist in der Zeit auch eine Menge passiert, was in der 2012 erstellten Expertise und in dem von der Bund-Länder-Initiative als Mittelgeber vorgesehenen Maßnahmenkatalog nicht eingeplant war. Sprich: Die Offenheit für neue Herausforderungen und Entwicklungen war und ist entscheidend. Das ist nicht immer ein gerader Weg, sondern schlängelt sich unter Umständen auch mal, und manchmal muss man auch eine Schleife drehen oder zurückgehen, weil man etwas oder jemanden vergessen hat. Beispielsweise war für BiSS-Transfer die Entscheidung wichtig, die für Fortbildungen zuständigen Landesinstitute und weitere ländereigene Strukturen sowie die schulische Praxis von Anfang an eng in den Prozess mit einzubeziehen. Das war etwas, was in BiSS anfangs strukturell nicht angelegt war – und hier kann man durchaus sagen, versäumt wurde. In Bezug auf die Folge-Initiative BiSS-Transfer wurde es seitens der Länder zu einer Anforderung und dadurch zur Grundlage dafür, dass BiSS letztlich zu einer bekannten Marke für die sprachliche Bildungsarbeit geworden ist. Ich sehe es auch als problematisch an, dass der Elementarbereich in BiSS-Transfer in 2020 ausgestiegen ist. Das ist sehr bedauerlich, denn wir haben hierdurch wertvolle Zeit verloren, in der wir das Bildungssystem als eine Abfolge von institutionell versäulten Etappen behandelt haben, anstatt es als ein gemeinsames System anzusehen – übrigens eine in der Bildungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland alte, nur leider etwas vergessene Idee. Dabei hat das in BiSS-Transfer entstandene Projekt TRIO bereits deutlich gemacht, wie wertvoll die Bearbeitung der Übergänge für die sprachliche Bildung von Kindern wie auch die Kompetenzentwicklung der sie begleitenden Pädagoginnen und Pädagogen ist. Dasselbe gilt für den Übergang in den Beruf. Sicherlich wäre es wichtig und sinnvoll gewesen, auch diesem Thema mehr Beachtung zu schenken, anstatt sich auf die Altersphasen bis in die mittlere Sekundarschulzeit zu beschränken.

Auf der anderen Seite ist es für einen erfolgreichen Prozess sinnvoll, Schwerpunkte zu wählen, um dann in einem nächsten Schritt das Wissen und die gewonnenen Erfahrungswerte auf weitere Felder auszuweiten und Durchgängigkeit überhaupt möglich zu machen. Weitere Programme wie das aktuelle Startchancen-Programm können hier weiterkommen. Was neben vielem, das bereits genannt wurde, sehr gut gelungen ist, und woran ich definitiv festhalten würde, sind die genannten strukturellen Formate in der Entwicklung und Kooperation. Eine zentrale Rolle dabei spielt die Begleitung und Koordination durch ein Trägerkonsortium, das verschiedene Expertisen bündelt und wie eine Art Katalysator die verschiedenen Prozesse organisiert und steuert. Genau das ist in BiSS und BiSS-Transfer geschehen: Von Beginn an hat das Trägerkonsortium eng mit den Verantwortlichen in Bund und Ländern zusammengearbeitet und pragmatische Entscheidungsfindungen möglich gemacht. Dazu spielt nicht zuletzt die vertrauensvolle Zusammenarbeit in einem interdisziplinär zusammengesetzten Team eine Rolle, in dem wechselseitige Wertschätzung herrscht. Wichtig für den Erfolg eines Projekts war und ist es außerdem, ausreichend Zeit für nachhaltige Veränderungen einzuräumen. Zeit, die die Entwicklung, Erprobung, Evaluierung und Umsetzung von Konzepten auch erlaubt. Auch dies war in BiSS und BiSS-Transfer gegeben. Wichtige Strukturen, die sich als konstitutiv für den Erfolg erwiesen haben, waren also von vornherein in BiSS und BiSS-Transfer angelegt und bilden eine vielversprechende Ausgangslage, um auch in Zukunft die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu fördern. Die entstandenen Ergebnisse, Erfahrungen und Produkte stehen bereit und können auch zukünftig genutzt werden.


Prof. Dr. Hans-Joachim Roth ist Sprecher des Trägerkonsortiums BiSS-Transfer, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln und ab 2026 Verantwortlicher der Leitstelle BiSS.




Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 04.12.2025
© Bildung + Innovation

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