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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 03.12.2020:

„OER muss noch mehr zum Mainstream werden!“

#OERcamps tragen zur Verbreitung von freien Lehr- und Lernmaterialien bei
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Kristin Hirschmann

#OERcamps sind Treffen der Praktiker*innen zu „Open Educational Resources“ (OER) - digitale und offene Lehr-Lern-Materialien mit freien Lizenzen - im deutschsprachigen Raum. 2012 fand das erste #OERcamp in Bremen statt, seitdem folgten zahlreiche weitere. Die Online-Redaktion von „Bildung + Innovation“ sprach mit Kristin Hirschmann, Projektleiterin von #OERcamps, über die Ziele der Treffen, die #OERcamp-Webtalks und darüber, was passieren muss, damit sich freie Bildungsmaterialien noch mehr durchsetzen.


Online-Redaktion: Wie kam es zur Entstehung der #OERcamps? Welche Ziele verfolgen sie?

Kristin Hirschmann: Bei der Entstehung der #OERcamps spielte das EduCamp 2011 in Bielefeld eine große Rolle. Vorausgegangen waren Diskussionen und auch Empörung einiger OER-Aktivist*innen über den Schultrojaner (Erläuterung: Schulbuchverlage wollten auf Schulrechnern eine Software installieren, die Plagiate bzw. urheberrechtlich geschützte Werke identifiziert). In Sessions auf dem EduCamp fand die Empörung darüber dann ihren Ausdruck: OER-Interessierte tauschten sich aus und konnten diskutieren. Daraus entstanden konkrete Initiativen. Andere Versuche, sich mit OER zu beschäftigen, verliefen im Sand. Und es entstand schließlich ein Whitepaper „Zur Situation von OER in Schulen in Deutschland” von Jöran Muuß-Merholz und Felix Schaumburg, das eigentlich geschrieben wurde, um zu zeigen, dass OER keine Relevanz in Deutschland hatte. Während der Recherchen wurden dann doch mehr Akteur*innen ausfindig gemacht, die sich mit OER in Deutschland beschäftigten. Dies gab den Anlass für das erste #OERcamp in Bremen 2012.

Die Ziele der #OERcamps sind die Wissensvermittlung zu OER-Themen, die Erweiterung des OER-Akteur*innen-Kreises und auch die Vernetzung der OER-Akteur*innen. Zudem möchten wir bei der OER-Erstellung sowie Verbreitung eigener OER unterstützen und eine erlebbare Praxis von Offenheit ermöglichen und fördern.

Online-Redaktion: Seit 2012 finden regelmäßig #OERcamps statt. Wie haben sie sich im Laufe der Zeit verändert?

Kristin Hirschmann: Die Akteur*innen, die sich auf den #OERcamps austauschen, sind seit 2012 diverser und auch mehr geworden. Zudem haben sich die Formate ausdifferenziert: 2012 fing es mit einem reinen Barcamp an - also einer Unkonferenz. Dann gab es wiederkehrendes Interesse an konkreten Inhalten, sodass das Barcamp mit Workshops ergänzt wurde.

Im November 2019 fand zudem die erste von zwei #OERcamp-Werkstätten statt, bei der die Teilnehmenden sehr intensiv eigene OER mit der Unterstützung von Coaches erstellten und veröffentlichten. Gerade die Veröffentlichung war bei diesem Konzept ein wichtiger Grund, um zu zeigen, dass die Erstellung von OER nicht so eine große Hürde darstellt, wie einige vielleicht meinen mögen.

Online-Redaktion: Wie weit verbreitet sind OER in Deutschland heute, und inwiefern haben die Camps zu der Verbreitung beigetragen?

Kristin Hirschmann: Als die #OERcamps starteten, war es ein kleiner Kreis an Personen, der in Deutschland etwas mit OER anfangen konnte, vielleicht um die 100 Leute. Derzeit sind OER immer noch kein Massenphänomen, dennoch ist das Konzept bekannter. Die Idee von OER hat sich aus der Nische heraus langsam in den Mainstream verbreitet, ist aber noch lange nicht angekommen. Die #OERcamps haben dazu natürlich nicht allein beigetragen. Ich würde die Rolle der #OERcamps darin sehen, dass viele OER-Akteur*innen die Treffen als Impulse genutzt und als Ort des Austausches und der Vernetzung wahrgenommen haben, um die Idee von OER weiter zu tragen.

Online-Redaktion: Sie bieten seit dem Sommer die virtuelle #OERcamp SummOERschool an. Was ist darunter zu verstehen?

Kristin Hirschmann: Die #OERcamp SummOERschool umfasst sechs Selbst-Lern-Kurse rund um freie Lehr-Lern-Materialien, mit denen man sich zu ganz unterschiedlichen Aspekten von „Open Educational Resources“ fortbilden kann. Mit dabei sind: Wie man OER sucht und findet, offene Webtools für offenes Lehren und Lernen, Onlinekurse selbst gestalten, Podcasts und Videos aufnehmen und bearbeiten, 14 Erklärvideos über OER sowie ein Kurs, in dem man H5P lernt. Das ist eine freie Software, um interaktive Lerninhalte online zu gestalten.

Das heißt, Interessierte können sich jetzt auf #OERcampus anmelden und finden zu jedem Kurs Videos und interaktive Übungen. Von Juli bis September gab es zudem die Unterstützung unserer #OERcamp-Coaches, die bei Fragen in Messenger-Gruppen geholfen haben. Die SummOERschool wurde außerdem von einem Online-Barcamp begleitet, bei dem die Teilnehmenden ihre eigenen Themen vorstellen und damit bearbeiten konnten.

Das Schönste an der #OERcamp SummOERschool ist, dass damit Materialien erschaffen wurden, die jede*r verändern, anpassen und weiter verwenden kann, sei es z.B. ein spezifisches Video, die interaktiven Übungen oder einen kompletten Kurs. Die Kurse und einzelnen Formate zur Weiterbearbeitung gibt es auch unter #OERcampus.

Online-Redaktion: Und was passiert bei den #OERcamp-Webtalks?

Kristin Hirschmann: Unsere ersten #OERcamp-Webtalks im Frühjahr 2020 bildeten die Grundlage für die #OERcamp SummOERschool. Bei den Web-Seminaren geben die #OERcamp-Coaches einen Input von ca. 20 Minuten, danach haben die Teilnehmenden die Möglichkeiten Fragen zu stellen, auf ihre Projekte einzugehen oder interaktiv etwas auszuprobieren. Neben diesem Live-Charakter, bei dem der Antwort- und Frage-Teil einen großen Fokus einnimmt, zeichnen wir die Inputs auf, damit sie auch im Nachhinein noch anzuschauen sind. Seit November 2020 können OER-Interessierte und Newbies wieder unsere Web-Seminare besuchen: Bis Januar 2021 gibt es jeden (Werk-)Tag (mit Weihnachtspause) ein Web-Seminar einer/eines #OERcamp-Coaches. Die Themen der jetzigen Webtalks haben wir aus dem wertvollen Feedback der Teilnehmenden im Frühjahr ermittelt. Dieses Mal sind wieder Fortsetzungen von offenen Webtools, weitere H5P Inhaltstypen sowie das Suchen und Finden von OER dabei. Thematisch neu hinzugekommen sind Do-it-yourself (DIY) und Making sowie Open Source Tools zur Installierung auf dem eigenen Server. Begleitend zu den Webtalks gibt es - wie auch schon in der ersten Staffel - Messenger-Gruppen, über die man mit den Coaches und anderen Teilnehmenden in den Austausch treten kann.

Weitere Infos zu den Web-Seminaren, einen Kalender zum Abonnieren, den Link für die Messenger-Gruppen und die bisherigen Aufzeichnungen gibt es unter #OERcamp-Webtalks.

Online-Redaktion: Die Bundesregierung hat ja bereits die Förderlinie OERinfo durchgeführt, und auch in den Ländern gibt es Initiativen. Was muss, auch von der Politik, noch getan werden, damit sich freie Bildungsmaterialien weiter durchsetzen und von mehr Lehrkräften benutzt bzw. erstellt werden können?

Kristin Hirschmann:
OER muss noch mehr zum Mainstream werden! Wenn man den Begriff OER in Lehrerzimmern heutzutage erwähnt, dann hat der Großteil bestimmt schon einmal etwas von OER gehört. Was es genau ist und wie es den Unterricht bereichern und erleichtern kann, ist dann womöglich noch nicht bekannt. Es muss noch viel mehr Sensibilisierung dafür geben, dass das Erstellen und auch Weiterverwenden von OER keine große Hürde darstellt. Und es muss noch viel mehr OER-Qualifizierung stattfinden sowie die Kultur des Teilens verbreitet werden!

Online-Redaktion: Das für Oktober vorgesehene #OERcamp musste ausfallen. Sind weitere Camps oder Aktionen geplant?

Kristin Hirschmann:
Das #OERcamp-Classic im Oktober 2020 in Berlin konnte Corona-bedingt leider nicht in Präsenz stattfinden. Wir haben uns kurzerhand mit dem EduCamp zusammengetan, das online zum gleichen Zeitpunkt stattgefunden hat. Dies war natürlich besonders schön, da das EduCamp maßgeblich zur Entwicklung der #OERcamps beigetragen hat.

Bis Ende Januar 2021 kann man noch an den #OERcamp-Webtalks teilnehmen. Bis dahin geht auch unsere aktuelle Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Danach schauen wir mal, wie sich die Dinge weiterentwickeln.


Kristin Hirschmann zog es nach dem Studium der Kulturwissenschaften in Lüneburg nach Dänemark, um dort European Studies zu studieren. Erste Berufserfahrungen sammelte sie im Bildungsbereich bei Viva con Agua e.V., um sich danach als Fellow von Teach First Deutschland an einer Hamburger Stadtteilschule für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit einzusetzen. Dort verstärkte sich Kristin Hirschmanns Interesse, Jugendliche durch digitale Bildung zu empowern. Diese Vision konnte sie bereits als Programmleitung der TINCON umsetzen und verfolgt sie jetzt als Konsortin bei J&K – Jöran und Konsorten – Agentur für Bildung, indem sie Bildungsveranstaltungen und Bildungsprojekte entwickelt und betreut.

 

 

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 03.12.2020
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