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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 14.09.2000:

"Deutsch oft eine Art Ausschlusskriterium"

Wolfgang Fehl von Pro Qualifizierung über Sprachprobleme und ausländische Unternehmer in der Ausbildung
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Wolfgang Fehl

Forum Bildung: Was unterscheidet Pro Qualifizierung von anderen Projekten in der beruflichen Aus- und Weiterbildung?

Fehl: Unsere Devise ist: Weg von der alten Betreuungsmentalität, die Einzelnen hilft, aber nicht systematisch ist. Eine Gesamtstruktur zu schaffen - das ist eines unserer Hauptanliegen. Das Problem, früher wie auch heute noch, ist ja, dass die Politik weder ein Integrations- noch ein Eingliederungskonzept geschaffen hat, so dass viele im Bereich der Aus- und Weiterbildung ihr eigenes Süppchen kochen. Wenn wir eine erfolgreiche Integration betreiben wollen, müssen wir die oft kleinkariert angelegte Förderlandschaft durchbrechen.

Forum Bildung: Die Konzepte von BQN (Beratungsstelle zur Qualifizierung ausländischer Nachwuchskräfte, Anm. d. Red.) und Pro Qualifizierung setzen erst nach der Schule ein. Ist das nicht zu spät?

Fehl: Wenn man nur nach der Schule anfangen würde, wäre es tatsächlich ein reiner Reparaturbetrieb. Diese Projekte müssen im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch in der Schule aktiv sein, denn wir müssen ja vor allem an die Eltern heran kommen und das funktioniert am besten über die Schule. Für unser Engagement haben wir auch von den Berufsschulen in Köln den Innovationspreis berufliche Bildung bekommen.

Forum Bildung: Pro Qualifizierung ist seit Jahren in der Aus- und Weiterbildung aktiv. Haben Sie den Eindruck, dass ausländische Arbeitnehmer über mehr Kompetenzen verfügen müssen als ihre deutschen Kollegen?

Fehl: Ja. Ich habe den Eindruck, dass es so ist. Ausländer müssen sich oft dafür rechtfertigen, dass sie Ausländer sind. Dabei bestehen junge Migranten nicht nur die nach deutschen Kulturkriterien zusammengestellten Tests, sondern bringen auch noch die Stärken ihrer Kultur mit ein.

Forum Bildung: Studien zeigen, dass die Deutschkenntnisse von Migranten der dritten Generation immer mehr nachlassen? Liegt das an den Medien?

Fehl: Die Medienlandschaft trägt erheblich dazu bei, aber nicht nur bei ausländischen Jugendlichen.

Forum Bildung: Ist es dann nicht kontraproduktiv, wenn Pro Qualifizierung auf die Muttersprache setzt?

Fehl: Da haben Sie einen falschen Eindruck. Wir sprechen Migranten in ihrer Muttersprache an, weil wir sonst gar nicht an sie heran kommen würden. Die Sprache ist nun einmal eine große Hürde, was Sie schon daran sehen, dass immer noch zu wenig Ausländer an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen - Deutsch stellt oft eine Art Ausschlusskriterium dar. Wenn der Kontakt erst einmal hergestellt ist, müssen wir die Sprachanstrengungen erhöhen, um Deutsch als Fachsprache zu etablieren. Dann haben wir die halbe Miete geschafft.

Forum Bildung: Seit 1999 läuft das Projekt KAUSA (Koordinierungsstelle - Ausbildung in ausländischen Unternehmen). Ausländische Unternehmen, die ausbilden sind ja ein sehr aktuelles Thema. Wie hilft das Projekt?

Fehl: Eine Hauptaufgabe ist die Koordinierung der Projekte, die mittlerweile bundesweit arbeiten. In vielerlei Hinsicht ergänzen sich die Anliegen von KAUSA und Pro Qualifizierung, beispielweise, wenn wir in ausländischen Betrieben für Ausbildung werben und die Unternehmer sich deshalb zum Ausbilder weiterbilden lassen. Die IHK zu Köln hat in diesem Bereich vor einigen Jahren ein schönes Modell entwickelt. Ein Lehrgang für türkische Unternehmer, die in Deutsch geschult wurden wie die deutschen Ausbilder auch. Sie bekamen zusätzlichen Förderunterricht und eine muttersprachliche Fachberatung. Von den 18 Teilnehmern haben 17 bestanden. Und die bilden jetzt aus.

Forum Bildung: Und wen bilden die aus? Migranten?

Fehl: Nein, nicht nur ausländische Jugendliche. Das wäre auch das falsche Signal.

Forum Bildung: Wie kommen ihre Bemühungen bei den Arbeitsämtern und den ausländischen Unternehmen an?

Fehl: Riesig. Immer mehr Kammern und Arbeitsämter nehmen sich des Themas an und stellen nun auch vermehrt Muttersprachler ein. Man darf jetzt nur nicht den Fehler machen, ausländische Unternehmer als Lückenbüßer für nicht vorhandene deutsche Ausbildungsplätze einzusetzen.

Forum Bildung: Wie sehen Sie die Zukunft der beruflichen Aus- und Weiterbildung?

Fehl: Es sieht gar nicht schlecht aus, weil langsam Netzwerke entstehen, vieles verzahnt ist, aber es müsste noch weiter fokussiert werden.

Forum Bildung: An den Schnittstellen?

Fehl: Ja sicher. Und da hapert es oft. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir haben einen kleinen Spielfilm auf türkisch produziert ("ADIM ADIM", Anm. d. Red.), in dem Ausbildungsberufe vorgestellt wurden. Die Idee war, diesen Film in den Arbeitsämtern offensiv anzubieten. Viele wissen nicht einmal, dass es solche Filme in den Arbeitsämtern gibt. Sie sehen, man muss noch viel mehr über Schnittstellen nachdenken.

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 14.09.2000
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