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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 27.01.2005:

Der Weg für Studiengebühren ist frei

Institutionen reagieren unterschiedlich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)
Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS)
Hochschulrektorenkonferenz (HRK)


Stellungnahme von Prof. Dr. Frank Ziegele vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)

"Durchdachte Lösungen sind jetzt bei Studiengebühren gefordert"

Mit seinem Urteil vom 26. Januar 2005 hat das Bundesverfassungsgericht den Weg für die Einführung allgemeiner Studiengebühren in Deutschland frei gemacht. Überraschend ist das Urteil in seiner Klarheit: jegliche Argumente des Bundes (Gebühren auf Länderebene verzerren den Wettbewerb, beschädigen die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse etc.) wurden von den Verfassungsrichtern rigoros vom Tisch gewischt. Damit ist ein zentrales Hindernis für eine gute Ausbildung an deutschen Hochschulen beseitigt worden. Dies bedeutet aber nicht, dass das Ziel schon erreicht ist! Wir müssen jetzt sehr sorgfältig auf die Modelle und Umsetzungsvorschläge schauen, die sich in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln werden. Denn mit den konkreten Modellen entscheidet sich, ob Studiengebühren einen Nutzen bringen oder Schaden anrichten.

Die Politik ist jetzt gefordert, drei große Gestaltungsfragen zu lösen: Wie lassen sich Studiengebühren sozialverträglich gestalten? Wie kann sichergestellt werden, dass das Geld auch wirklich den Hochschulen (und dadurch den Studierenden) zugute kommt und nicht in Staatshaushalten "versickert"? Und auf welcher Ebene sollen Gebührenmodelle gestaltet werden - bundesweit einheitlich, von den Ländern oder dezentral von den Hochschulen selbst?

Das CHE Centrum für Hochschulentwicklung hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Modelle und Vorschläge zu diesen Fragen entwickelt: Für eine möglichst hohe Sozialverträglichkeit bedarf es vor allem der Einführung von Darlehen mit einkommensabhängiger Rückzahlung. Die Politik sollte mit Hilfe von Zielvereinbarungen längerfristige staatliche Finanzierungszusagen machen. Die Hochschulen sollten - innerhalb eines auf Landesebene festgesetzten Rahmens - über die Gebührenhöhe selbst entscheiden können. In Bezug auf die Darlehen gibt es bereits konkrete Ansätze und Überlegungen: Unter anderem existieren so genannte Bildungsfonds, und die Kreditanstalt für Wiederaufbau wird in Zusammenarbeit mit dem CHE Mitte Februar einen möglichen Ansatz vorstellen. Die Konzepte und Überlegungen des CHE finden sich im "CHE-Reformradar" (http://www.che.de/reformradar.php).

Die Beispiele zeigen: Es gibt genügend gute Ideen. Jetzt ist es an Politik, Ministerien und Hochschulen, bei der Suche nach Gestaltungslösungen konstruktiv zusammenzuarbeiten und keine unausgegorenen Lösungen einzuführen.


Stellungnahme des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS)

"Wir werden uns der Einführung von Studiengebühren entschieden entgegenstellen!"

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Bund nicht die Gesetzgebungskompetenz für ein bundesweites Verbot von Studiengebühren hat. Wir halten dieses Urteil für fatal, da aus unserer Sicht nun Verwerfungen in der Hochschullandschaft und in der sozialen Zusammensetzung der Studierendenschaften zu befürchten sind. Offensichtlich hat das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage von einigen politischen Einschätzungen geurteilt, die wir nicht teilen. So geht das Gericht davon aus, dass die Länder ohnehin nur bis zu 500 Euro Studiengebühren erheben wollen. Tatsache ist, dass Niedersachsen und Baden-Württemberg schon jetzt über rund 700 Euro offen nachdenken.

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht entschieden, ob Studiengebühren ein sinnvolles hochschulpolitisches Instrument sind und ob diese eingeführt werden müssen. Vielmehr ist es jetzt eine politische Entscheidung eines jeden Bundeslandes. Wir rufen die Bundesländer dazu auf, von jeglichen Plänen zur Einführung von Studiengebühren Abstand zu nehmen. Vielmehr ist auch jetzt eine bundesweite Einigung notwendig, die aus unserer Sicht nur ein bundesweiter Ausschluss von Studiengebühren sein kann. Alles andere wäre eine bildungspolitische Katastrophe und ein sozialpolitischer Ausschluss von Unterprivilegierten von Bildungschancen. Auch angeblich sozialverträgliche Modelle erfüllen ihren Namen nicht. Vielmehr würde die hohe Verschuldung viele Menschen vom Studium abschrecken, da die Belastung nach dem Eintritt ins Berufsleben zu hoch wäre. So wären Existenzgründungen nicht mehr möglich.

Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren wird sich allen Plänen von Landesregierungen zur Einführung von Studiengebühren entschieden entgegenstellen. Wir sind auf alle möglichen Szenarien vorbereitet, dies beinhaltet eindeutig auch bundesweit koordinierte Proteste von erheblichem Ausmaß an allen Hochschulen. Bereits am Freitag wird das ABS im Rahmen einer Vollversammlung aller Bündnispartner in Düsseldorf die nächsten Schritte festlegen.


Stellungnahme von Christiane Ebel-Gabriel, Generalsekretärin der Hochschulrektorenkonferenz

"Die HRK fordert Gestaltungsmöglichkeiten für die Hochschulen"

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 26. Januar 2005 in dem Normenkontrollverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG) vom 8. August 2002 auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2004 die rahmenrechtlichen Regelungen zum Studiengebührenverbot und zur Bildung verfasster Studierendenschaften mangels Gesetzgebungsrechts des Bundes für nichtig erklärt.

Mit dem Gebührenverbot ist ein internationaler Wettbewerbsnachteil für die deutschen Hochschulen gefallen. Jetzt können und müssen die Länder Studienbeiträge ermöglichen, die den Hochschulen dringend benötigte Zusatzeinnahmen für die Lehre verschaffen. So können die Bedingungen für die Lehre verbessert und Leistungsanreize für Studierende und Hochschulen geschaffen werden. Studienbeiträge dienen insofern in doppeltem Sinn der Qualitätsentwicklung.

Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass die Einführung von Studiengebühren den Ländern die Chance bietet, die Qualität der Hochschulen und eine wertbewusste Inanspruchnahme ihrer Leistungen zu fördern und auf diese Weise auch Ziele der Gesamtwirtschaft zu verfolgen. Vorhersehbare Einbußen in den Lebensverhältnissen hat das Gericht dagegen auch angesichts der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten im Bundesgebiet nicht festgestellt.

Zusätzliches Personal und Tutorien, erweiterte Öffnungszeiten von Bibliotheken und ein verbessertes Angebot an Praktika sind als Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre nun vordringliche Aufgaben. Bereits mit einem Studienbeitrag von 1.000 Euro pro Jahr könnten die Mittel für die Lehre um etwa zehn Prozent gesteigert werden. Eine sinnvolle Wirkung kann jedoch nur erzielt werden, wenn der Staat sein Engagement nicht reduziert und die Mittel in vollem Umfang in den Hochschulen verbleiben. Damit verbietet es sich, das Verfassungsgerichtsurteil als Freibrief für ein neues Instrument der staatlichen Haushaltssanierung zu begreifen.

Das HRK-Plenum hat sich im vergangenen Juni nachdrücklich dafür ausgesprochen, den Hochschulen kein starres Gebührenmodell vorzugeben. Ob und in welcher Höhe eine Hochschule Beiträge erhebt, muss ihr - im Rahmen bestimmter, möglichst einheitlich definierter Grenzen - selbst überlassen werden.

Oberstes Gebot muss die Sozialverträglichkeit der Studienbeiträge sein. Niemand darf aus finanziellen Gründen vom Studium abgehalten werden. Die HRK schlägt zur Finanzierung von Studienbeiträgen niedrig verzinste Studienkredite vor, die über die Beiträge hinaus gegebenenfalls auch Lebenshaltungskosten während des Studiums abdecken. Sie sollten erst nach Abschluss des Studiums und ab bestimmten Einkommensgrenzen zurückgezahlt werden. Die HRK fordert die Länder auf, möglichst schnell in enger Abstimmung mit dem Bund geeignete Rahmenbedingungen für die Sozialverträglichkeit zu schaffen. Auch ein wesentlich ausgebautes Stipendiensystem sollte die Einführung von Studienbeiträgen begleiten.

Als weitere rahmenrechtliche Regelung hat das Gericht die rahmenrechtliche Verpflichtung der Länder zur Einführung verfasster Studierendenschaften für unzulässig erklärt. In verfassten Studierendenschaften sind die Studierenden einer Hochschule zwangsweise Mitglied. Dass der Bund den Ländern dieses Modell nicht auferlegen darf, ist positiv zu sehen. Studentisches Engagement in der Hochschule ist ausdrücklich erwünscht, wobei jedoch Freiwilligkeit die beste Basis für Engagement darstellt. Schließlich trägt die Mitwirkung von Studierenden in den Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen dem Mitwirkungsbedarf in hochschulpolitischer Sicht ausreichend Rechnung.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 27.01.2005
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