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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 24.10.2013:

„Der Prozess der Qualitätssicherung kann nur gelingen, wenn alle an der beruflichen Bildung Beteiligten mitmachen“

DEQA-VET Jahresfachtagung 2013
Das Bild zum Artikel
Werkstattgespräch auf der DEQA-VET Fachtagung
Quelle: DEQA-VET

 

Am 18. und 19. September 2013 fand die 5. DEQA-VET-Jahresfachtagung im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn statt. Unter dem Motto "Bildungsrepublik Deutschland – Werkstattgespräche im Haus des Lebenslangen Lernens und der Qualitätssicherung" diskutierten rund 80 nationale und internationale Expertinnen und Experten über den Stand der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung in Deutschland und Europa und formulierten zentrale Empfehlungen für ein gemeinsames Leitbild.


Ziel der Tagung war es, ein Verständnis dafür herzustellen, dass Qualitätssicherung und -entwicklung in der beruflichen Bildung die Kooperation aller beteiligten Akteure erfordert. Vor dem Hintergrund des EQAVET-Prozesses und des lebenslangen Lernens sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gemeinsamkeiten erarbeiten, die in Leitbilder einfließen, um langfristig eine Qualitätssicherungskultur in Betrieben, Berufsschulen und weiteren Einrichtungen der beruflichen Bildung zu etablieren.

Der so genannte EQAVET-Prozess, eine Qualitätsinitiative von 33 europäischen Staaten, resultiert aus dem Bestreben, die unterschiedlichen Berufsbildungssysteme in Europa weiterzuentwickeln und vergleichbarer zu machen. In jedem Land wurden dafür nationale Anlaufstellen eingerichtet. In Deutschland übernimmt diese Funktion seit 2008 die beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn angesiedelte „Nationale Referenzstelle für Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung“ (DEQA-VET).

„Qualität durch Kommunikation“

Prof. Dr. Michael Heister vom Bundesinstitut für Berufsbildung begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und machte darauf aufmerksam, dass die Qualitätssicherung an der Hochschule, in der beruflichen Bildung sowie in kleineren und mittleren Betrieben noch Schwächen aufweise ‒ bei der Weiterbildung und bei den beruflichen Schulen seien die Qualitätsmanagementsysteme stärker. Daraus ergebe sich die Frage, die auch die Fachtagung begleitet: „Wie kriegen wir in den nächsten Jahren mehr Qualitätssicherung hin und wie können wir hier im BIBB insbesondere in der beruflichen Bildung für mehr Qualität sorgen?“. Thomas Gruber von der Deutschen Referenzstelle für Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung (DEQA-VET) hob hervor, dass der Prozess der Qualitätssicherung nur gelingen kann, wenn alle an der beruflichen Bildung Beteiligten mitmachen und miteinander ins Gespräch kommen. „Durch den Bottom-up-Prozess, den wir in Deutschland seit fünf Jahren miteinander gehen, haben wir die Chance, über ein gemeinsamen Bildungsverständnis nachzudenken“, so Gruber.

Prof. Dr. Rudolf Tippelt von der Ludwig-Maximilians-Universität München betonte in seinem Einführungsvortrag „Commitment durch Kommunikation – Grundlage für die Bildungsdemokratie“, dass das Zusammenführen wichtiger Akteure aus den unterschiedlichen Bildungsbereichen – allgemein- und berufsbildende Schulen, Hochschulen, kulturelle und soziokulturelle Einrichtungen, Betriebe, Lehrende und Lernende, Bildungsberatungsstellen – in Netzwerken wichtig sei, um ausgewählte Ziele besser realisieren zu können. Auch wenn das Interesse an einer Beteiligung im Netzwerk bei den Akteuren der beruflichen Bildung oft nur gering sei, ließen sich durch Kommunikation und eine bessere Vernetzung im systematischen Übergangsmanagement Fehlentscheidungen eher vermeiden. Als Beispiele führte er den Collective-Impact-Ansatz (Interorganisationale Kooperation in den USA) an, sowie das Förderprogramm Lernende Regionen, beides Modelle, die vorsehen, dass Betriebe, allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen in einem regionalen Netzwerk komplementär, projektorientiert, supportiv und integrativ zusammenarbeiten. Erreicht werde eine solche „Qualität durch Kommunikation“ nach Tippelt u.a. durch die Festlegung gemeinsamer Ziele, eine interorganisationale Kooperation, eine reflektierte Gestaltung, einen ethisch reflektierten Führungsstil und eine Professionalisierung durch Kompetenzaufbau.

Zentrale Leitfragen der Werkstattphasen
Qualitätssicherung wird in den Bereichen der beruflichen Bildung weitgehend isoliert vorgenommen. Ziel und Aufgabe der vier Werkstätten Allgemeinbildung, Duale Berufsbildung, Vollzeitschulische Berufsbildung und Berufliche Erwachsenen- und Weiterbildung, die im Rahmen der Fachtagung stattfanden, war es deshalb, in drei Werkstattphasen übergeordnete Bildungsziele zu formulieren. Auch sollten Antworten auf Leitfragen wie „welche Gemeinsamkeiten werden mit welchen anderen Segmenten gesehen?“, „welche Erwartungen werden beiderseits gestellt?“, oder „welche übergreifenden Leitlinien lassen sich aus den Gemeinsamkeiten für die Qualitätssicherung ableiten?“ gefunden und ein gemeinsames Leitbild entwickelt werden.

Das Finden von Gemeinsamkeiten
In den ersten beiden Werkstattphasen wurden als Gemeinsamkeiten der verschiedenen Bildungsbereiche die Vorbereitung auf die Lebens- und Arbeitswelt, die Qualifizierung für den Arbeitsmarkt, die Beschäftigungsfähigkeit sowie die Weiterentwicklung von allgemeinen und individuellen Kompetenzen diagnostiziert. Die Erwartungen der anderen Bildungsbereiche beispielsweise an die Qualitätssicherung der Schulen bestünden in der Bereitschaft zu einem bildungsübergreifenden Dialog, der Anschlussfähigkeit der in der Schule erworbenen Qualifikation (Ausbildungsreife), der Vermittlung von Grundlagenwissen und Kulturtechniken sowie der praxisnahen Vermittlung von Qualifikation bei vollzeitschulischer Berufsbildung. Von Schule wird erwartet, dass sie die fachtheoretischen Bestandteile der beruflichen Qualifizierung vermittelt. Betriebe wiederum sollen ihren Teil erfüllen. Mit Blick auf die bildungsbereichübergreifende Perspektive wurde festgestellt, dass eine gemeinsame Vision, ein gemeinsamer Kompetenzbegriff und ein integrativer Dialog fehlt und es auch an der Kooperation zwischen den Institutionen mangelt. Der Handlungsbedarf im Bereich der Schulen bestehe in einem Mehr an Miteinander und Vernetzung sowie in Strategien der Verstetigung. Insgesamt müsse die Kooperation mit der Praxis verstärkt werden.

Herausgearbeitet wurde in der Werkstatt „Duale Berufsbildung“, dass das verbindende Glied mit den anderen Segmenten die personelle Betrachtungsweise in der Qualität und die Lernergebnisorientierung sei. Gemeinsame Erwartungen beträfen die Transparenz über die Qualifikationen, die über die anderen Segmente erworben werden, das Vertrauen in andere Abschlüsse, intensiven Austausch und Kooperation. Schule und Betrieb müssten ihre Vorurteile und Rollenvorstellungen überwinden. Auch seien die Prüfungen im dualen System nicht kompetenzorientiert. Es müssten schon in der allgemeinbildenden Schule Bildungswege und Berufsbilder aufgezeigt werden.
In der beruflichen Erwachsenen- und Weiterbildung stellen Lernende mit Migrationshintergrund spezifische Herausforderungen dar. Betriebe brauchen Kompetenzeinstellungsprofile und einen Ausbildungsplan. Aufgabe der Leiter sei es, bestehende Routinen zu hinterfragen. Es wurde festgehalten, dass die Ressourcen und die Qualifikation des Bildungspersonals verbessert werden könnten, die Berufsbilder zu stark ausdifferenziert und die Prüfungen zu wenig kompetenzorientiert seien.

Werkstattphase 3: Das Haus des Lebenslangen Lernens gestalten

In Werkstattphase drei wurde versucht zusammenzufassen, was als gemeinsames verbindliches Leitbild überregional und bildungsbereichsübergreifend dienen könnte. Herausgearbeitet wurden Elemente einer übergreifenden Qualitätssicherung: ein gemeinsames Bildungsverständnis, institutionelle Rahmenbedingungen, das Einbeziehen non-formeller und informeller Bildung, politische Legitimation für übersektoriale Zusammenarbeit, Leitbegriffe für die Bildung, Zielklärung.

Bisher fehlen institutionelle Rahmenbedingungen für die Bildung. Wichtig sei jetzt, sich länderübergreifend auf gemeinsame Grundsätze der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung zu einigen. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) müsse jetzt zum Leben erweckt werden. Dabei müsse die Qualitätssicherung vom Lernenden her gedacht werden und nicht die einzelnen Institute herausstellen. Alle müssen sich dem Erfolg des Einzelnen widmen.

Posterausstellung im Foyer des BIBB

Im Rahmen der DEQA-VET Fachtagung informierten zehn vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) koordinierte und mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Modellversuche im Förderschwerpunkt Qualität über ihre bisherigen Ergebnisse. Bei einer Posterausstellung im Foyer konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung mit einzelnen Mitarbeitern der Modellversuche ins Gespräch kommen. Zu den insgesamt mehr als 80 entwickelten Instrumenten und Konzepten, die sich speziell an kleine und mittlere Unternehmen richten, zählt beispielsweise der "Ganzheitliche Ausbildungsnachweis". Er stellt eine Fortentwicklung des im Berufsbildungsgesetz (BBiG) verankerten Ausbildungsnachweises dar, hin zu einem umfassenden Instrument der Qualitätsentwicklung. Auszubildende können ihn beispielsweise nutzen, um eigene Leistungen zu reflektieren sowie kontinuierlich Feedback von ihren Ausbildern einzuholen. In einem weiteren Modellversuch wurde ein Leitfaden mit Checklisten und Arbeitsheften für die Professionalisierung des ausbildenden Personals entwickelt, der in Zukunft über die Handwerkskammern bundesweit an die Betriebe weitergegeben werden soll.
Des Weiteren stellten Studenten der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg ihre im Rahmen eines Praktikums bei DEQA-VET erarbeiteten Ergebnisse vor. Ihre Projektarbeit "Leitbilder - Grundlage der Qualitätssicherungskultur" untersucht segmentübergreifend Leitbilder von Schulen hinsichtlich Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeiten.

„Brauchen wir ein neues Verständnis von Bildung?“

An der abschließenden Panel-Diskussion zum Thema „Brauchen wir ein neues Verständnis von Bildung?“ nahmen Kirsten Hillmann, Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesbildungsverbände, Leipzig, OStD Eugen Straubinger, Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen e.V. (BLBS), Berlin, Peter Silbernagel, Philologen-Verband NRW, Düsseldorf, Thomas Gruber, DEQA-VET, Bonn, Hermann Nehls, DGB-Bundesvorstand, Berlin, Eberhard Kwiatkowski, Landeselternrat NRW/Bundeselternrat, Velbert, und Prof. Dr. Martin Allespach, Modellversuch Q: LAB, Frankfurt a.M, teil. Die Moderation hatte Alfred Töpper, Qualitätsgesellschaft Bildung und Beratung mbH, Berlin. Über die Notwendigkeit eines neuen Bildungsverständnisses gingen die Meinungen auseinander. Gewarnt wurde davor, Bildung auf den Begriff der Beschäftigung zu reduzieren. Dies könne zu einem funktionierenden Verständnis von Bildung führen, so Nehls. Stattdessen sollten die Lerner in den Mittelpunkt gestellt werden, befürwortet Allenspach. Hervorgehoben wurde auch die Bedeutung der non-formalen Bildung und die Prozessqualität von Bildung: Nicht nur was herauskommt ist wichtig, sondern auch, wie es vollzogen wird und wie man es besser machen kann.
Aus dem Publikum wurde als Einwand die Forderung nach Entschleunigung formuliert. Bildung müsse ein Ort sein, der zum Teil aus dem Alltagshandeln herausgenommen werde. Man sollte mehr Angebote zur Entschleunigung für die Jugendlichen, die das wünschen, sichtbar machen.

Und schließlich: „Bildung braucht Zeit. Sie ist etwas völlig anderes als Qualifikation“, so Silbernagel. Vielmehr sollten die Methoden überprüft werden, damit alle mitgenommen werden. „Mit verschiedenen Ausbildungsmethoden ist es uns gelungen, Jugendliche, die eigentlich nicht ausbildungsreif waren, zum Abschluss zu führen“, ergänzte Hermann Nehls.




Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 24.10.2013
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