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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 14.09.2000:

"Substanzielle Förderungen statt verbaler Bekenntnisse"

Prof. Steinmetz von der TU Darmstadt zum Thema Qualitätssicherung
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Prof. Dr. Ralf Steinmetz

Forum Bildung: Neue Technologien sind Ihr Arbeitsgebiet. Wie wichtig ist Medienkompetenz für ein gutes Bildungssystem?

Steinmetz: Sehr wichtig. Medienkompetenz ist der produktive Umgang mit den Neuen Medien. Die aufwendige Technik müssen alle lernen, aber alle müssen auch um die Grenzen der Technik wissen.

Forum Bildung: Welche Grenzen?

Steinmetz: Die Infrastruktur in diesem Bereich befindet sich in einem archaischen Zustand. Wenn Sie auf dem Computer eine neue Software installieren wollen, müssen Sie als Normalverbraucher schon fast Experte sein. Das ist, wie wenn Sie an der Tankstelle Benzin tanken wollen und deshalb noch den Vergaser und den Motor ausbauen müssen, weil irgendwelche Treiber nicht so recht passen. Das wird auch die nächsten Jahre noch so bleiben.

Forum Bildung: Medienkompetenz und frühe Spezialisierung - zwei Schlagworte in der Bildungsdiskussion. Sind das die neuen Prioritäten?

Steinmetz: Wissen ist ein Rohstoff, den wir viel mehr pflegen müssen als in der Vergangenheit. Ich bin aber zum Beispiel ein Verfechter des Zentralabiturs. Jeder braucht eine Basis an breitem Wissen. Im Studium kann man sich dann spezialisieren und vertiefen. Jeder muss verstehen, dass er lebenslang lernen muss und auch, dass Bildung Geld kostet. Dieses Bewusstsein hat sich noch nicht durchgesetzt, weil immer noch viele davon ausgehen, dass Bildung gratis ist.

Forum Bildung: Ist das deutsche Hochschulsystem antiquiert - Stichwort "institutionelle Förderung" und Industrie?

Steinmetz: Nein, nicht völlig. Man kann etwas draus machen, aber die Strukturen sind nicht dafür gemacht, flexibel und innovativ zu sein. Ansätze bilden zum Beispiel eine weitere Autonomie der Universitäten wie sie an der TU Darmstadt verfolgt wird. Es gibt immer wieder Förderprogramme, die nach dem "Gießkannenprinzip" funktionieren. Deshalb sucht jeder, der etwas bewegen will, Schleichwege innerhalb des Systems. Zum Beispiel verbietet die institutionelle Förderung den Universitäten die Beteiligung an Start-Up-Unternehmen, wie dies in den USA möglich ist. Wenn wir vielversprechende Studenten fördern wollen, die ein Unternehmen gründen, müssen wir uns eben andere Arten der Unterstützung einfallen lassen.

Forum Bildung: Profilsetzungen bei den Universitäten wie in England und den USA?

Steinmetz: Das angelsächsische Modell hat viele Vor- und Nachteile. Es werden in Deutschland oftmals nur die Vorteile hervorgehoben, aber es gibt auch in den USA viele Unis, die vom Niveau her weit unter deutschen Fachhochschulen liegen. Auch mit unserem System, das meiner Meinung nach gut ist, lässt sich eine Elitenförderung realisieren. Man sollte aber mit der Gleichmacherei aufhören: Alle Unis und Fachhochschulen wollen immer allen alles anbieten. Wir brauchen unterschiedliche Bildungseinrichtungen für unterschiedliche Ziele.

Forum Bildung: Trotzdem werden England und die USA immer als positive Beispiele herangezogen. Liegt das daran, weil diese Länder wesentlich jüngere Absolventen haben?

Steinmetz: Da muss man sehr aufpassen und sollte bei Vergleichen stets mit Nettozahlen arbeiten, vor allem beim Alter der Absolventen. In England ist die Schuldauer kürzer und es gibt weder Wehr- noch Zivildienst. Da muss man sich nicht wundern, dass die Absolventen viel jünger sind. Außerdem hat sich England Cambridge und Oxford als Tradition geleistet. Tradition war im Deutschland der 60er Jahre ein Wort, das nicht gerade salonfähig war. Stattdessen wurde alles "gleichgemacht" und die Resultate sehen wir heute.

Forum Bildung: In einem anderen Interview haben Sie gesagt, dass die deutschen Unis aufpassen müssen, damit die amerikanische Konkurrenz ihnen im eigenen Land nicht die Klientel wegnimmt. Sind die Amerikaner schneller und innovativer auf dem internationalen Bildungsmarkt?

Steinmetz: Auf jeden Fall. Nicht alle, aber doch einige amerikanische Unis müssen ihr Geld selbst erwirtschaften und bekommen Leistungsmaßstäbe von außen gesetzt, bei denen nicht nur die Anzahl der Studenten den Ausschlag gibt, sondern auch Qualität. Und das prägt natürlich.

Forum Bildung: In Amerika gibt es aber auch ein anderes Verhältnis zwischen Universität, Staat und Wirtschaft?

Steinmetz: Die Unis sind heute auch in Deutschland schon auf Drittmittel der Industrie angewiesen. Wir finanzieren auch in Deutschland Forschung zunehmend mit Industriemitteln. Die Industrie ist hier aber nicht bereit, ein Forschungs-Outsourcing zu betreiben wie in den USA.

Forum Bildung: Muss man bei Qualitätssicherung auch darüber nachdenken, Lehre und Forschung künftig zu trennen?

Steinmetz: Forschung und Lehre gehören für mich zusammen. Sie brauchen für die Forschung den Input der Studenten, bekommen aber nur gute Studenten, wenn Sie gut lehren. Einschränkend lässt sich aber sagen, dass man in der Lehre kein Spitzenforscher sein muss. Deshalb kann man darüber nachdenken, wissenschaftliche Mitarbeiter früher in die Lehre einzubinden.

Forum Bildung: Wer muss in der Bildungspolitik die Eckdaten festlegen?

Steinmetz: Auf jeden Fall nicht mehr nur unsere Bildungsministerin, denn dazu geht das Thema Bildung mittlerweile über ihr Ressort hinaus.Forum Bildung: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?Steinmetz: Substanzielle Förderungen und nicht nur verbale Bekenntnisse, so dass - zum Beispiel in der Kommunikationstechnik - die deutsche Forschung in der Weltspitze einen festen Platz erreichen kann.

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 14.09.2000
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