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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 08.11.2001:

Fitnesscenter der Sinne

Kindermuseen als Bildungsorte auf dem Vormarsch

"In echt ist es nicht so groß", antwortet die siebenjährige Michaela auf die Frage, was denn mit dem großen Herzen nicht stimme. Das große Herz ist tatsächlich etwas überdimensioniert: Mit fünf Metern Höhe und 36 Quadratmeter Fläche ist das "Begehbare Herz" das Aushängeschild der Kinder-Akademie in Fulda. Über 90.000 Kinder und Erwachsene sind in den vergangenen Jahren durch die vier Herzkammern aus Gummi und Kunststoff gekrabbelt, gekrochen und geklettert, um die menschliche Anatomie von innen kennen zu lernen. Das "Begehbare Herz" steht stellvertretend für ein etwas anderes Museum, in dem keine "Bitte nicht berühren"-Schilder die Besucher auf Distanz halten. Klassische Museen müssen sich oft auf bildhafte oder textliche Erklärungen beschränken - das liegt in der Natur der Sache. Kinder aber müssen staunen, berühren, riechen und ausprobieren können, um Verstehen zu lernen. Kindermuseen, so schrieb Gerhard Frank vom Institut für Wechselspiel und Didaktik in Wien, sind "längst überfällige pädagogische ´Missing Links´, denn weder riechen Bilder und Texte, noch weinen sie und es lässt sich auch nicht auf ihnen klettern".

Kindermuseen haben in den USA eine lange Tradition


"Hands on" nennt sich diese kindgerechte Form des Museums, die auf ganzheitliche Erfahrungen ausgerichtet ist. In den USA sind Kindermuseen schon seit Jahrzehnten der Normalfall - über 200 Museen für Kinder sind es von der Ost- zur Westküste. Deutschland rangiert in diesem kulturpädagogischen Bereich noch im unteren Mittelfeld - freilich mit etwas mehr Elan, seit Politiker die frühkindliche Erziehung als Bildungsterrain entdeckt haben. Diese Einsicht schlägt sich meist allerdings nicht in größeren finanziellen Zuwendungen nieder. Die meisten deutschen Kindermuseen sind entweder Anhängsel von großen Museen wie im historischen Museum in Frankfurt am Main, der Kunsthalle in Karlsruhe oder gehen auf die Initiative von Einzelpersonen zurück. Die Kinder-Akademie in Fulda ist so ein Fall. Zehn Jahre nach der Gründung sichert Gründerin Helen Bonzel als Mäzenin die Grundfinanzierung. Mit Eintrittsgeldern und Spenden kommt so die Hälfte des Etats aus privaten Quellen. Für ein Museum eine erstaunliche Quote. Im Jahr 1992 waren es noch ein paar vereinzelte Ausstellungsobjekte in dem erworbenen Industriegebäude und eine festangestellte Teilzeitkraft. Heute beherbergt die Kinder-Akademie auf 2000 Quadratmetern Ausstellungen, Werkräume, eine Kinderbibliothek und 20 feste und freie Mitarbeiter.

Kultur für Kinder und von Kindern

Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth unterstrich bereits 1993 den wertvollen Beitrag, den Kinder- und Jugendmuseen zur Jugendbildung leisten können "indem sie spielerisch und leicht verständlich soziale, politische und kulturelle Werte vermitteln und zum Nachdenken anregen". Die Leiterin der Kinder-Akademie, Helen Bonzel, legt besonderen Wert darauf, dass in ihrer "Bildungs- und Freizeiteinrichtung für Kinder und Erwachsene" nicht nur Kultur für Kinder, sondern auch Kultur von Kindern Raum geboten wird. Ob Sanitärräume, Cafeteria oder Ausstellungsobjekte, die Kinder gestalten "ihr Museum" mit. Doch nicht nur die Interaktivität ist neu, auch thematisch grenzen sich Kindermuseen von anderen Museen ab, denn sie lassen sich keinem Sammlungsgebiet zuordnen. Schließlich ist der Wissensdurst der "hochtourigen Lerner", wie Donata Elschenbroich in ihrem Bestseller "Weltwissen der Siebenjährigen" schreibt, allumfassend. In der Dauerausstellung in Fulda laden Objekte aus Kunst, Kultur, Natur und Technik zum Experimentieren ein, eine Sommerakademie und eine Fülle von ein- und mehrtägigen Workshops ergänzen das Angebot.

"Mischung aus Abenteuerspielplatz, Labor und Werkstatt"

Ein besonderer Magnet sind die Sonderausstellungen, an denen die enge didaktische und thematische Verzahnung von klassischer Ausstellung und Werkstatt deutlich wird. Bis zum 13. Januar 2002 lockt die Ausstellung "LegoWelt" die kleinen Besucher an, in der nicht nur über 250, zum Teil historische Exponate, Objekte und Filme über Lego zu sehen sind, sondern auch viele begleitende Veranstaltungen. In Kooperation mit der Fuldaer Zeitung können Kinder Geschichten schreiben, in denen sie bestimmte Begriffe der Ausstellung verwenden müssen, im November leitet der Lego-Modellbauer Paul Friese einen Workshop "Harry Potter" und im Dezember können Kinder zusammen mit einem Architekten ein Bergmassiv bauen. Kai, neun Jahre, ist mit seinen Eltern schon zum dritten Mal aus Thüringen nach Fulda gekommen - im Legobecken kann er seiner Phantasie freien Lauf lassen und die bunten Steine aus Dänemark zu aufwendigen Konstruktionen zusammenstecken. Vielleicht lässt sich die Faszination Kindermuseum am besten mit den Worten der Journalistin Lore Dietzen beschreiben, die darin eine "Mischung aus Abenteuerspielplatz, Labor und Werkstatt" sieht.

 

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 08.11.2001
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