Leichte Sprache verständliche Sprache - Unterrichtsmaterial online bei Elixier

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Dieser Fachartikel beschäftigt sich mit der sogenannten "Leichten Sprache", einer vereinfachten Form der Standardsprache, die in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten zum Einsatz kommt. Ursprünglich diente sie als Instrument, um auch Menschen mit Behinderung "die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft" zu ermöglichen (UN-Behindertenrechtskonvention 2006). Auch für die Schule geht es um einen wichtigen Aspekt von Inklusion und Exklusion: Wie können Lehrpersonen durch eine einfache, verständliche Sprache alle Schülerinnen und Schüler erreichen? Der Artikel stellt hierfür wichtige Regeln vor.

Anbieter:

Lehrer-Online | Eduversum GmbH, Taunusstr. 52, 65183 Wiesbaden

Autor:

Claudia Mutter

Lange Beschreibung:

Ich verstehe nur Bahnhof! Lehrerinnen und Lehrer verfügen über eine hohe Sprachkompetenz. Sie stammen überwiegend aus gebildeten Familien, haben eine gymnasiale Schullaufbahn absolviert oder das Abitur auf einem anderen Weg geschafft, ein Hochschulstudium abgeschlossen und den Vorbereitungsdienst beziehungsweise das Referendariat durchlaufen. Sie leben seit ihrer Kindheit, so könnte man sagen, in der Blase eines gebildeten Milieus, in dem Kommunikation auf elaboriertem Niveau stattfindet und anspruchsvolle Medien genutzt werden. Und dennoch kennt bestimmt jede und jeder folgende Erfahrung: Man muss ein amtliches Schreiben lesen und versteht nur Bahnhof! Was bedeuten bloß all diese Begriffe? Was steht denn jetzt in diesem ewig langen Satz? Was meint dieses Bandwurmwort aus mindestens fünf aneinandergehängten Nomen? Und wieso können die nicht eine größere Schrift wählen, da braucht man ja eine Lupe! Für viele unserer Schülerinnen und Schüler sind aber auch ganz "normale" Texte aus dem Unterricht so schwer zu verstehen, dass ihnen Zukunftsaussichten, zum Beispiel eine Berufsausbildung, versperrt bleiben ein Problem, das nicht nur zu prekären individuellen Lebensverhältnissen führt, sondern auch gesellschaftliche Folgen hat. Die Verwendung der "Leichten Sprache" kann dabei helfen, die Situation von "sprachschwachen Lernern" (Leisen 2013) und Lernerinnen, mit und ohne Migrationshintergrund, zu verbessern. Leichte Sprache Was ist das? Die Idee einer vereinfachten Sprache stammt aus der People-First-Bewegung in den USA, die sich vor etwa 50 Jahren für die Rechte von Menschen mit Lernschwierigkeiten engagierte und zum Beispiel unverständliche Gesetzestexte in einfache Sprache übersetzte. In Deutschland verbreitete sich Leichte Sprache zu Beginn der 1990er Jahre zunächst in der Behindertenselbsthilfebewegung und führte 2006 zur Gründung des Vereins "Netzwerk Leichte Sprache". Dort sind Übersetzerinnen und Übersetzer, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Politikerinnen und Politiker tätig und setzen sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderung, Lernschwächen oder sonstigen sprachlichen Schwächen zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigt werden. Eine besondere Rolle kommt dabei den Adressatinnen und Adressaten von Texten in "Leichter Sprache" zu: Sie überprüfen, ob diese ihre Funktion erfüllen. Regeln für Leichte Sprache Der Verein bietet die kompletten Regeln für Leichte Sprache als PDF-Dokument auf seiner Internetseite Das ist Leichte Sprache Netzwerk Leichte Sprache (leichte-sprache.org) an. Die wichtigsten Regeln im Überblick: Benutzen Sie bekannte und kurze Wörter. Wenn Sie schwierige Wörter, Fremd- und Fachwörter benutzen: Erklären Sie in einem eigenen Satz, was sie bedeuten. Verwenden Sie für eine Sache immer dasselbe Wort. Verzichten Sie auf Synonyme. Sprachschwache Lernende werden durch verschiedene Begriffe für ein und dieselbe Sache verunsichert. Zerlegen Sie zusammengesetzte Wörter in ihre Teile. Schreiben Sie diese mit Bindestrich, um ihre Bestandteile zu verdeutlichen. Verwenden Sie keine Abkürzungen. Schreiben Sie die dahinterstehenden Ausdrücke aus.  Formulieren Sie kurze Sätze (Faustregel: etwa acht Wörter). Verwenden Sie Hauptsätze (Parataxe, Satzreihen). Vermeiden Sie Nebensätze (Hypotaxe), die im Deutschen durch die Satzklammer (Prädikat am Ende) besonders schwer zu verstehen sind. Packen Sie nur eine Information in einen Satz. Drücken Sie sich eindeutig aus. Verzichten Sie auf Metaphern und bildhafte Ausdrücke. Verzichten Sie auf Ironie. Nennen Sie konkrete Beispiele für abstrakte Zusammenhänge. Benutzen Sie viele Verben und wenige Substantive. Benutzen Sie Verben im Aktiv. Passivsätze sind schwerer zu verstehen. Verzichten Sie auf den Konjunktiv. Vermeiden Sie den Genitiv. Verwenden Sie stattdessen Formulierungen mit "von" (Annas Eltern = die Eltern von Anna). Wählen Sie für selbst erstelltes Arbeitsmaterial eine leicht lesbare Schrift und Schriftgröße, zum Beispiel Arial 14. Serifenschriften wie Times New Roman sind schwerer zu lesen. Lassen Sie genug Abstand zwischen den Zeilen. Gliedern Sie Ihren Text durch Absätze und Überschriften. Wählen Sie ein linksbündiges Layout, auch für die Überschriften. Benutzen Sie Bilder und Zeichnungen zur Visualisierung. Für die mündliche Kommunikation lässt sich ergänzen: Artikulieren Sie klar und deutlich. Vermeiden Sie Dialekt. Sprechen Sie langsam. Sprechen Sie so laut, dass alle im Raum Sie gut hören können. Halten Sie beim Sprechen Blickkontakt. So können die Zuhörenden Ihre Mundbewegungen beobachten und Sie besser verstehen. Lassen Sie auch Ihren Körper sprechen. Setzen Sie Gesten und Mimik ein. Nutzen Sie visuelle Unterstützungsmittel: Symbole, Bilder, Wortkarten und so weiter. Leichte Sprache in der Schule? In allen Schularten, auch im Gymnasium, ist Heterogenität in den Klassenzimmern zum Normalzustand geworden. Viele Schülerinnen und Schüler sind mit einer anderen Herkunftssprache aufgewachsen, die sie weiterhin zu Hause, in der Familie und teilweise im Freundeskreis sprechen. Deutsch haben sie nicht systematisch wie eine Fremdsprache erlernt, sondern oft nur rudimentär als Zweitsprache durch das Leben in Deutschland erworben oder sie sind, wie die Flüchtlinge aus der Ukraine , gerade dabei, dies zu tun. Aber auch Kinder und Jugendliche mit Deutsch als Muttersprache zeigen zunehmend sprachliche Defizite, die sie am Lernen hindern und ihre Bildungslaufbahn bremsen. Ziele von Leichter Sprache Durch den gezielten Einsatz von "Leichter Sprache" im Unterricht kann den Kindern und Jugendlichen das Lernen erleichtert oder sogar erst ermöglicht werden. Denn durch einfach formulierte Fragen, Aussagen, Anweisungen, Aufgaben und so weiter erreicht die Lehrperson alle Schülerinnen und Schüler, auch diejenigen, die mit "normalen" oder komplizierten Texten überfordert wären. Leichte Sprache ermöglicht einen barrierefreien Zugang zu Bildung und Weltwissen für alle und ist ein Beitrag zur Inklusion. Natürlich gibt es auch Einwände gegen "Leichte Sprache" in der Schule. Führt sie nicht zu Niveauverlust und Leistungsverfall? Können komplexe Gedanken überhaupt in einfacher Sprache ausgedrückt werden? Versperrt man den Kindern und Jugendlichen nicht den Zugang zu Wissenschaft und Kultur? Stigmatisiert man Menschen, indem man sie der Zielgruppe von "Leichter Sprache" zuordnet, und bewirkt damit das Gegenteil von Inklusion? Diese Fragen werden kontrovers diskutiert. Prominenter Vertreter der Gegenposition zur Forderung nach Leichter Sprache ist der Philosoph Konrad Paul Liessmann. In seiner polemischen Streitschrift "Geisterstunde" (Liessmann 2004) beklagt er die "Praxis der Unbildung", zu der auch die Verwendung vereinfachter Sprache gehöre. Aber werden hier nicht Ursache und Wirkung verwechselt? Schlechte Leistungen sprachschwacher Schülerinnen und Schüler werden nicht durch einfache Sprache verursacht, sondern durch eine zu schwierige Bildungssprache . Leichte Sprache darf nicht als Selbstzweck verstanden werden, sondern als wirksames, vorübergehend eingesetztes Mittel, um Kinder und Jugendliche in ihren sprachlichen und fachlichen Kompetenzen zu fördern. Sowohl das individuelle als auch das Leistungsniveau der ganzen Lerngruppe sollen dadurch gesteigert werden. Elaborierte Sprache ist das Ziel, Leichte Sprache der Weg dorthin. Die zentrale Frage ist deshalb: Will ich als Lehrperson durch meine Unterrichtssprache alle mit ins Boot nehmen oder möchte ich gar nicht (immer) von jedem und jeder verstanden werden? Sprache ist der Schlüssel zur Welt (Wilhelm von Humboldt). Manche Menschen brauchen eine Sonderanfertigung dieses Schlüssels: Für Blinde wurde die Braille-Schrift erfunden, um ihnen die Teilhabe an Schriftkultur und Bildung zu ermöglichen; hörgeschädigte Menschen kommunizieren über Gebärdensprache und können dadurch in vereinfachter Form am politischen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen, zum Beispiel durch die Übersetzung politischer Reden in Gesten. Auch für Geheimsprachen, die sich nur an einen begrenzten Kreis von Personen richtet, braucht man einen speziellen Schlüssel. Leichte Sprache ist ein Universalschlüssel für alle und soll jungen Menschen helfen, die Sprache des Unterrichts nicht als exklusive Geheimsprache zu erleben. Literaturverzeichnis Leisen, Josef (2013). Handbuch Sprachförderung im Fach. Sprachsensibler Fachunterricht in der Praxis. Grundlagenteil. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen.

Bildungsebene:

Berufliche Bildung Sekundarstufe I Sekundarstufe II Spezieller Förderbedarf

Frei zugänglich:

nein

Kostenpflichtig:

ja

Lernressourcentyp:

Arbeitsmaterial

Lizenz:

Frei nutzbares Material

Sprache:

Deutsch

Themenbereich:

Schule fachunabhängige Bildungsthemen sonstige fachunabhängige Bildungsthemen
Berufliche Bildung Berufliche Bildung allgemein Berufswahl, Berufsvorbereitung, Berufsberatung

Geeignet für:

Lehrer