Doppelte Klassenleitung ein pädagogisches Konzept für "schwierige" Lerngruppen - Unterrichtsmaterial online bei Elixier

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Dieser Fachartikel ist ein Erfahrungsbericht über das Konzept der Doppelbesetzung von Klassenleitungen zur intensiven und effektiven pädagogischen Betreuung "schwieriger" Lerngruppen.

Anbieter:

Lehrer-Online | Eduversum GmbH, Taunusstr. 52, 65183 Wiesbaden

Autor:

Lars Fedeler

Lange Beschreibung:

Das pädagogische Konzept "doppelte Klassenleitung" "Moment mal. Besteht eine Klassenleitung nicht grundsätzlich aus zwei Lehrkräften? Es gibt doch die hauptamtliche Klassenlehrkraft und an ihrer Seite eine Stellvertreterin beziehungsweise einen Stellvertreter." Mit dieser Reaktion werde ich oft konfrontiert, wenn ich von meinen Erfahrungen mit dem Konzept "doppelte Klassenleitung" berichte, das seinen Ursprung in diesem Fall nicht an einer Pädagogik-Fakultät einer Uni hat, sondern von uns Lehrkräften aus der Praxis heraus entwickelt wurde, um die pädagogische Arbeit im Unterrichtsalltag zu optimieren. (Wer den Begriff "doppelte Klassenleitung" bei Internet-Suchmaschinen eingibt, stößt auf ähnliche Ansätze an einigen anderen Schulen im Land.) Dass zwei Lehrkräfte hauptamtlich und gleichberechtigt eine Klasse leiten, ist das Grundprinzip des Konzepts. Im Idealfall besteht diese "Doppelspitze" aus einer Lehrerin und einem Lehrer. Um vor der Klasse zusammen Präsenz zu zeigen und gemeinsam zu agieren, gehört eine wöchentliche "Teamstunde" mit beiden Klassenlehrkräften als unverzichtbarer Bestandteil zum Konzept. Die Teamstunde dient einerseits zur effektiven Bearbeitung der vielen organisatorischen Aufgaben, die eine Klassenleitung im Laufe eines Schuljahres zu erledigen hat. Vor allem kann die Teamstunde aber dazu genutzt werden, um akute Probleme von Schülerinnen und Schülern "unter sechs Augen" zu besprechen. In welchen Klassen ist eine "doppelte Klassenleitung" sinnvoll? Grundsätzlich erscheint eine Doppelbesetzung der Klassenleitung in großen Klassen mit mehr als 25 Lernenden sinnvoll. Eine intensive, individuelle pädagogische Betreuung ist dort für eine einzelne hauptamtliche Klassenlehrkraft aus praktischen Gründen nur schwer zu leisten, gerade wenn der pädagogische Handlungsbedarf groß ist. Entscheidender als die Anzahl der Schülerinnen und Schüler ist aber das Kriterium, inwieweit es sich um "schwierige" Klassen mit einem überwiegend problematischen Arbeits- und Sozialverhalten handelt. Derartige Lerngruppen kommen in nahezu allen Jahrgangsstufen und Schulformen vor. Die Ursachen für "Problemklassen" sind oft vielschichtig und häufig struktureller Natur  beispielsweise ein schwieriges soziales Umfeld mit Armut und mangelnder Förderung von Kindern und Jugendlichen, sprachliche Defizite und Perspektivlosigkeit. Ist aufgrund von Erfahrungswerten damit zu rechnen, dass Klassen, Jahrgänge oder womöglich ganze Schulen von Lernenden mit gravierenden persönlichen Problemen geprägt werden, macht es Sinn, dem erwartungsgemäß hohen pädagogischen Handlungsbedarf zusätzlich zu gängigen Maßnahmen der Schulsozialarbeit mit dem Konzept der doppelten Klassenleitung zu begegnen. Positive Erfahrungen mit dem Konzept "doppelte Klassenleitung" Besonders in den Stressphasen am Anfang und am Ende eines Schulhalbjahres, wenn sich die vielen organisatorischen Pflichten zu einem großen Berg auftürmen, weiß ich es als Klassenlehrer zu schätzen, die Aufgabenlast mit einer zuverlässigen Team-Partnerin teilen zu können. Zum Beispiel in folgender Situation am Schuljahresbeginn: Klassenlehrkraft A sammelt das Kopiergeld ein, während Klassenlehrkraft B die Fahrkarten für den Schulbus verteilt; zeitgleich und im Rahmen einer Teamstunde also nicht auf Kosten des Fachunterrichts. Das Konzept der Doppelbesetzung einer Klassenleitung kann im Schulalltag für Lehrkräfte sehr effektiv, zeitsparend und nervenschonend sein. Viel wichtiger ist aber der Wert für die pädagogische Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern: Aus deren Sicht sowie auch aus der Perspektive der Eltern  ist im Bedarfsfall eine bessere Ansprechbarkeit der Klassenleitung gewährleistet. Die wöchentliche Teamstunde kann als eine Art "Sprechstunde" genutzt werden, um sich gegenüber dem Klassenleitungsteam mit Sorgen und Problemen verschiedener Art zu öffnen. "Sechs-Augen-Gespräche" können aber auch von den Klassenlehrkräften initiiert werden, wenn das Arbeits- oder Sozialverhalten einer Schülerin oder eines Schülers dazu Anlass bietet. Zudem finden in diesem Rahmen zu Beginn eines neuen Schuljahres Individualgespräche mit allen Lernenden statt, sofern die Klasse neu gebildet wurde. Je nach Situation erweisen sich unterschiedliche Lehrerpersönlichkeiten in einem Klassenleitungsteam als hilfreich: Beispielsweise kann die äußerst empathische Lehrkraft A besonders gut zuhören und gilt als "Anlaufstelle" mit dem stets offenen Ohr. Dagegen bringt die resolute Lehrkraft B ihre Stärken ins Spiel, wenn es um beherztes Handeln und konsequente Maßnahmen geht. Die Lernenden haben darüber hinaus die Möglichkeit, sich bei ganz sensiblen Themen erst einmal gegenüber einer Klassenlehrkraft ihrer Wahl zu öffnen. Mein Hauptargument für das Konzept der doppelten Klassenleitung ist der Vorteil, der sich aus einem regelmäßigen intensiven Austausch über Schwierigkeiten und Herausforderungen ergibt: Durch die gemeinsame Reflexion im Klassenleitungsteam können Probleme von Schülerinnen und Schülern gründlicher durchleuchtet werden. Vor allem in puncto Maßnahmen hilft die Abstimmung mit der Teampartnerin oder dem Teampartner, mit Besonnenheit und Augenmaß vorzugehen. Besonders für unerfahrene Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger stellt die Arbeit in einem Klassenleitungsteam eine erhebliche Erleichterung dar nicht nur im Umgang mit Pflichten und Problemen des Schulalltags, sondern auch beim Planen und Durchführen von Projekten und Klassenfahrten . Mögliche Probleme bei der Umsetzung Die erfolgreiche Realisierung des Konzepts der doppelten Klassenleitung ist in erster Linie abhängig von der Akzeptanz im Kollegium. Eine entscheidende Rolle spielt aber auch die Bereitschaft der Schulleitung, den passenden organisatorischen Rahmen zu schaffen vor allem im Hinblick auf die Einrichtung der wöchentlichen Teamstunden, in denen beide Klassenlehrkräfte präsent sind. Dies setzt voraus, dass das Konzept als "pädagogische Investition" und nicht als bloße "Ressourcenverschwendung" betrachtet wird. Umsetzungsschwierigkeiten können auch auf der banalen organisatorischen Ebene auftreten. Besonders in der Anfangsphase ist es für viele gewöhnungsbedürftig, zwei Klassenlehrkräfte mit den relevanten Informationen zu versorgen. Eltern müssen beispielsweise lernen, E-Mails mit wichtigen Anliegen an zwei Adressen zu senden. Kommunikationsprobleme können auch auftreten, wenn zum Beispiel das Schulsekretariat nur Klassenlehrkraft B darüber informiert, dass nach den Herbstferien eine neue Schülerin in die Klasse kommt. Miteinander reden und im ständigen intensiven Austausch bleiben ist angesichts solcher Herausforderungen das A und O für die beiden Lehrkräfte, die eine Klasse gemeinsam leiten. Dazu gehören auch Offenheit und Klarheit, was das interne Verhältnis betrifft: Fühlt sich beispielsweise eine der beiden Klassenlehrkräfte von der anderen ausgenutzt oder übergangen, sollte dieses Problem möglich frühzeitig angesprochen und geklärt werden. Demnach ist eine stabile "Harmonie" im Klassenleitungsteam eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung für die pädagogische Arbeit. Die Schulleitung sollte angesichts dessen eine eigenständige Teambildung ermöglichen, sodass nur Lehrkräfte zusammenfinden, zwischen denen "die Chemie stimmt". Trotzdem ist die Gefahr zwischenmenschlicher Konflikte damit nicht gebannt. In vielen Fällen versuchen Schülerinnen und Schüler, die Klassenlehrkräfte gegeneinander "auszuspielen", gerade wenn es sich um unterschiedliche Lehrerpersönlichkeiten handelt. In solchen Situationen sollten sich die Lehrkräfte davor hüten, ein Muster anzunehmen, das aus Filmen bekannt ist: "Good Cop vs. Bad Cop". Diese Rollenverteilung spaltet letztlich ein Klassenleitungsteam und widerspricht somit dem Grundgedanken. Ein weiteres Problem, das bei der Umsetzung des Konzepts der doppelten Klassenleitung durchaus auftreten kann, ist der längerfristige beispielsweise krankheitsbedingte Ausfall einer Klassenlehrkraft. In diesem Fall ist pragmatisches und lösungsorientiertes Handeln des Kollegiums sowie der Schulleitung gefragt, um ein neues möglicherweise provisorisches Klassenleitungsteam aufzustellen. Fazit Das Konzept der doppelten Klassenleitung kann Lehrkräften die pädagogische Arbeit in problematischen Lerngruppen erleichtern. Davon profitieren letztlich auch die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern. Die Umsetzung kann allerdings von organisatorischen und zwischenmenschlichen Schwierigkeiten behindert werden. Diese sollten den Beteiligten im Vorfeld bewusst sein.

Bildungsebene:

Sekundarstufe I

Frei zugänglich:

nein

Kostenpflichtig:

ja

Lernressourcentyp:

Arbeitsmaterial

Lizenz:

Frei nutzbares Material

Sprache:

Deutsch

Themenbereich:

Schule fachunabhängige Bildungsthemen sonstige fachunabhängige Bildungsthemen
Berufliche Bildung Berufliche Bildung allgemein Berufswahl, Berufsvorbereitung, Berufsberatung

Geeignet für:

Lehrer