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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 16.01.2014:

Demokratie wird erlebbar gemacht

STADT-SPIEL erhält Heinz-Westphal-Preis
Das Bild zum Artikel
Logo des "STADT-SPIELS"
Quelle: Kreisjugendring Herzogtum Lauenburg e.V.

 

 

Das „STADT-SPIEL – Kinder gestalten ihre Welt“, das der Kreisjugendring Herzogtum Lauenburg e.V. und die Stadt Mölln alle zwei Jahre gemeinsam ausrichten, hat Anfang Dezember 2013 den Heinz-Westphal-Preis verliehen bekommen. Mit dem Preis soll das ehrenamtliche Engagement der vielen jungen Menschen öffentlich gewürdigt und sichtbar gemacht werden.



Seit 1999 stellen der Kreisjugendring Herzogtum Lauenburg e.V. und die Stadt Mölln alle zwei Jahre im Sommer ein tolles Projekt auf die Beine: „Das STADT-SPIEL – Kinder gestalten ihre Welt.“ 300 Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 14 Jahren leben dann zehn Tage lang mit ungefähr 150 Betreuerinnen und Betreuern – davon sind etwa 15 Hauptamtliche aus verschiedenen Institutionen, alle anderen sind Ehrenamtliche! – zusammen in der Zeltstadt „Tillhausen“, die sie selbst verwalten und in der sie täglich einer anderen „Arbeit“ nachgehen. Auf dem Gelände des Möllner Freibades „Luisenbad“ und den anliegenden Wiesen werden 60 Zelte mit Strom- und Wasserleitungen sowie sanitäre Einrichtungen aufgestellt. Für die tägliche Verpflegung sorgt das Deutsche Rote Kreuz. Jedes Mal wird Tillhausen unter einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt gestellt. 2013 fand es unter dem Motto „Tilllympia“ statt, so dass es zusätzlich viele sportliche Veranstaltungen und Wettkämpfe gab.

Inspiriert wurde der damalige Vorsitzende des Kreisjugendrings, Eric Janssen, bei der Initiierung des STADT-SPIELS Ende der 90er Jahre von den Spielstadt-Projekten „Mammutstadt Ahlen" und „Mini-München". Auch dort können Kinder tagsüber Berufe ausüben. „Allerdings fahren sie am frühen Abend nach Hause und buchen je nach Wunsch nur einzelne Tage. Bei uns hingegen leben die Kinder zehn Tage zusammen“, betont die Projektleiterin Ute Ostendorf den Unterschied. In dieser Form war das STADT-SPIEL einzigartig und neu, bundesweit das erste seiner Art und lange Zeit einmalig in Deutschland. Das Projekt ist mittlerweile im Kreis Herzogtum Lauenburg zu einer festen Einrichtung geworden und hat weit über die Kreis- und Landesgrenzen hinaus viele Nachahmer gefunden. Auch hat es schon zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Darunter 2008 den schleswig-holsteinischen sowie den nationalen Bürgerpreis, Deutschlands größten Ehrenamtspreis. Im Dezember 2013 wurde es mit dem Heinz-Westphal-Preis geehrt.

Träger des Heinz-Westphal-Preises
Der Deutsche Bundesjugendring und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vergeben alle zwei Jahre den Heinz-Westphal-Preis. Mit dem Preis soll das Engagement junger Menschen öffentlich gewürdigt und sichtbar gemacht werden und hervorgehoben werden, dass Ehrenamtliche ein wichtiges Fundament der Demokratie sind. Gerade Jugendliche halten viele Organisationen und Verbände aus den sozialen, politischen, kulturellen und sportlichen Bereichen mit ihrem Engagement, ihren Ideen und ihrer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, am Laufen.
Der Preis ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert. Außerdem vergibt die Stiftung „Jugend macht Demokratie“ zusätzlich einen Sonderpreis in Höhe von 2.500 Euro.

Aus über 180 bundesweiten Projekten wurden am 3. Dezember 2013 bei der feierlichen Preisverleihung im Grünen Salon der Volksbühne Berlin fünf Projekte ausgezeichnet: Die Kreisjugendfeuerwehr Stade erhielt den Sonderpreis der Stiftung „Jugend macht Demokratie“, die Falken aus Hamburg (SJD) bekamen den Ehrenpreis, die Malteserjugend Emsdetten wurde mit dem 3. Platz geehrt, die Heroes aus München schafften es auf den 2. Platz und das STADT-SPIEL des Kreisjugendringes Herzogtum Lauenburg erhielt den 1. Preis. Der Laudator, Staatssekretär Lutz Stroppe, begründete die Entscheidung der Jury mit den Worten: „Der Kreisjugendring Herzogtum Lauenburg leistet mit seiner Kinderstadt einen bemerkenswerten Beitrag zur politischen Bildung von Kindern und Jugendlichen. Die gute Methode Kinderstadt wird durch den Umfang und die Dauer zu einem Erlebnis für mehr als 300 Kinder zwischen acht und 14 Jahren. Sie ist mehr als ein Rollenspiel, sie ist ein Beitrag zur Stärkung der Demokratie in einer jungen Altersgruppe. Die Kinder erfahren, welche Dinge für das Gelingen einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind. Sie tragen Verantwortung für sich und andere. Sie verstehen Zusammenhänge und das durchaus komplexe System eines Gemeinwesens – und das in einer altersgemäßen Form, die zudem Spaß macht. Dem Kreisjugendring Herzogtum Lauenburg gelingt es außerdem, sehr viele Ehrenamtliche nachhaltig in das Projekt einzubinden. Er stärkt und fördert damit das Engagement von mehr als 150 jungen Menschen aus unterschiedlichen Jugendverbänden. Er vernetzt und bietet Austausch über den eigenen Verband hinaus auf eine originelle Weise. Durch umfassende Kooperation schafft es der Kreisjugendring Herzogtum Lauenburg, die Bevölkerung, die Verwaltung, die Politik und die regionale Wirtschaft in den Dienst der Jugendarbeit zu stellen. Als Selbstorganisation junger Menschen übernimmt er damit eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, stiftet Solidarität, Erlebnis und Freude – und macht Kindern Lust auf Demokratie.“

Das Leben in Tillhausen
„Ziel des STADT-SPIELs ist es, Demokratie für die Kinder erlebbar zu machen, indem sie sich durch Mitsprache, Mitwirkung und Mitbestimmung an den demokratischen Prozessen beteiligen“, berichtet Ute Ostendorf. Zehn Tage lang leben die dreihundert Kinder wie Erwachsene. Jeden Morgen müssen sie sich beim „Arbeitsamt“, das in einem Zelt untergebracht ist, anstellen und sich einen „Job“ aussuchen. Rund 50 Jobs stehen zur Auswahl. So kann man unter anderem bei der Bank, der Post, im Reisebüro, in der Cafeteria, bei der Stadtreinigung, als KFZ-Mechaniker, Musiker, Profi-Sportler, Journalist oder als Handwerker sein Geld verdienen. Die meisten Berufe werden in Zelten ausgeübt, einige wenige, wie die Medienberufe bei der Zeitung, beim Radio oder Fernsehen in Räumen der gegenüberliegenden Schule. Seit 2009 können die Kinder und Jugendlichen durch die Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft praktische Erfahrungen und Einblicke in richtigen Handwerksbetrieben sammeln. Betreut werden die „Arbeitnehmenden“ von den zahlreichen, überwiegend ehrenamtlichen Mitarbeitern. Von diesen bringt jeder seine Fähigkeiten dort ein, wo er kann. Auch werden engagierte ältere Mitbürger integriert, von deren Erfahrungen die Kinder profitieren.

Ein buntes Programm

Die Kinder und Jugendlichen „arbeiten“ morgens und nachmittags je zwei Stunden. Pro Stunde verdienen sie zwei Till Taler, das ist die stadteigene Währung, egal welchen Job sie ausüben. Das Geld können sie nach getaner Arbeit bei der „Bank“ abholen. Nachmittags können sie einen anderen Beruf ausüben als vormittags, so dass sie im Laufe der zehn Tage in eine Vielfalt an Berufen hineinschnuppern und lernen, wie das Erwachsenenleben funktioniert. Die acht Till Taler, die sie im Laufe des Tages verdienen, können sie auch wieder ausgeben. Sie können davon zum Beispiel im „Reisebüro“ Fahrten in die nähere Umgebung bezahlen, in der Cafeteria von den „Konditoren“ selbst gebackenen Kuchen kaufen oder ein Kunstwerk erwerben, das in Tillhausen von den Künstlern in Ton, Makramee oder aus anderen Materialien hergestellt wurde. „Ab 16.00 Uhr findet täglich die Stadtstunde statt“, erklärt Ute Ostendorf. Auf einer Bühne gibt es ein „buntes Programm“, bei dem alle vorführen können, was sie tagsüber gelernt haben. Die Musiker spielen flotte Rhythmen, Schauspieler führen ihre Stücke vor, Zirkusartisten und Zauberer präsentieren ihre neuesten Tricks. Auch können Künstler ihre Werke in Ausstellungen zeigen. In dieser Zeit bekommen auch das Technische Hilfswerk und die Feuerwehr Gelegenheit, sich vorzustellen. Abends gibt es die „Ist was“-Stunde und um 21.00 Uhr kommt „Till TV – die Tillhausener Tagesschau.“ Die Eltern, die in den zehn Tagen nicht in die Zeltstadt dürfen, werden via Internet mit den neuesten Nachrichten und Infos auf dem Laufenden gehalten.

Die Stadtverwaltung
Pro Zelt – etwa zehn Kinder schlafen in einem Zelt – wird ein Vertreter gewählt. Alle Vertreter zusammen bilden das Stadtparlament, das jeden Vormittag tagt. Dort werden die Themen und Probleme aufgegriffen, die den Kindern am Herzen liegen und die sie klären müssen. Zum Beispiel wurde im Stadtparlament diskutiert, wie man das Gedränge am Arbeitsamt in den Griff bekommt und wie geregelt wird, dass nicht immer die gleichen Kinder die beliebtesten Jobs machen. So wurde zum Beispiel beschlossen, dass jedes Schlafzelt einmal an erster Stelle bei der Essensausgabe und bei der Vergabe der Jobs anstehen darf, dass jeder Einwohner drei Till Taler Steuern bezahlen muss, oder dass die Kirche ihre Kollekte vom Sonntagsgottesdienst der Stadtvertretung zur Verfügung stellen soll, damit besonders verdiente Bürger/innen der Stadt eine Auszeichnung erhalten können. Die Stadtvertretung nimmt ihre Aufgaben sehr ernst. Gemeinsam versuchen sie für das Wohlbefinden ihrer Bürger zu sorgen und alle Wünsche zu berücksichtigen.

Aus den Reihen der Stadtvertreter wird am vierten Tag der Bürgermeister gewählt, am dritten Tag beginnt der Wahlkampf. 2007 wurde die Städtepartnerschaftsurkunde durch den Tillhausener und den Möllner Bürgermeister unterzeichnet und Tillhausen offiziell zur Partnerstadt Möllns ernannt. Deshalb steht natürlich jedes Mal ein offizieller Besuch beim Bürgermeister von Mölln an. Auch gibt es einen „VIP-Tag“, an dem die Förderer und Sponsoren des Projekts eingeladen werden, damit man ihnen danken kann.

„Seit dem vorletzten STADT-SPIEL werden alle Kinder nach Ende des Spiels zum Auswertungstag eingeladen“, berichtet Ute Ostendorf. Daraus hat sich das „Kids-Orga-Team“ gebildet, das im Vorfeld der nächsten Veranstaltung Vorschläge beispielsweise für neue Berufe oder Aktionen sammelt. Gemeinsam mit dem „Orga-Team“, in dem sieben Erwachsene sind, versucht es die Vorschläge umzusetzen.

Gelernte Demokratie
Beim STADT-SPIEL lernen die Kinder fürs Leben. Indem Demokratie erlebbar gemacht wird und eine Beteiligung an demokratischen Prozessen auf den Stufen Mitsprache und Mitwirkung sowie Mitbestimmung umgesetzt wird, werden gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge für die Kinder transparent, erlebbar und verständlich. Sie lernen, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen und sich einzubringen. „Die meisten kommen jedes Mal gerne wieder“, weiß Ute Ostendorf. Viele von den älteren – das Projekt richtet sich ja nur an die acht bis 14jährigen – machen anschließend sogar ihre Jugendleiter-Assistenten-Ausbildung und mit 16 Jahren ihren Jugendleiterschein, um wieder mit dabei sein zu können. Andere engagieren sich anschließend in Schülervertretungen oder setzen sich auf anderen Wegen für die Gemeinschaft ein.




Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 16.01.2014
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