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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 30.09.2010:

Lernen durch und mit Bewegung

Verschiedene Möglichkeiten einer Bewegten Schule

Bewegtes Lernen, bewegtes Sitzen, Bewegungspausen — die Schulen in Deutschland werden immer bewegungsfreundlicher. In so genannten Bewegten Schulen wechseln sich Bewegungs-, Konzentrations- und Entspannungsphasen ab, um dem Bewegungsdrang der Kinder entgegen zu kommen und sie damit auch leistungsfähiger zu machen.


Als einer der ersten im deutschsprachigen Raum prägte der Schweizer Sportpädagoge Urs Illi 1983 den Begriff der Bewegten Schule. Ausgangspunkt für die Entwicklung seines Konzeptes war die Feststellung, dass das lang andauernde Sitzen eine gesundheitsgefährdende Belastung für den Körper darstellt. Eine Bewegte Schule sollte seiner Ansicht nach ausreichende Bewegungsmöglichkeiten schaffen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bewegung, Entspannung und Konzentration herstellen. In den Konzepten nach den Pädagogen Rüdiger Klupsch-Sahlmann, ehemaliger Grundschullehrer und Ausbildungsdezernent bei der Bezirksregierung Münster, und Prof. Dr. Ralf Laging vom Institut für Sportwissenschaft Marburg hingegen wird Bewegung nicht nur im Sinne einer kompensatorischen Gesundheitserziehung verstanden, sondern vielmehr als integrativer Bestandteil von Bildung und Erziehung zur Gestaltung von Schule, Unterricht und Lernen. So zielt Klupsch-Sahlmanns pädagogisches Konzept darauf, die Bedingungen des Lebens und Lernens kindgerecht zu gestalten und den Schülerinnen und Schülern einen Schulalltag zu ermöglichen, der ihren Lebens-, Lern- und Bewegungsbedürfnissen entspricht und den handelnden Umgang mit dem Lernstoff mit einbezieht. Denn gerade Kinder im Grundschulalter lernen in den meisten Fällen am besten, wenn sie zuerst über die handelnde, dann über die bildliche und schließlich über die symbolische Ebene lernen. Prof. Dr. Christina Müller von der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig wiederum entwickelte eine Konzeption der Bewegungserziehung für eine Bewegte Grundschule, die parallel zum Schulsport steht, diesen erweitert und durch ihn neue Impulse erhält.

Unterschiedliche Motive
Die Gründe für eine Bewegte Schule können also sehr unterschiedlicher Natur sein: Nach entwicklungs- und lerntheoretischen Aspekten stellt Bewegung ein Grundbedürfnis des Menschen dar. Kinder lernen besser, wenn der Lernprozess ganzheitlich gestaltet ist. Je mehr Sinne angesprochen werden, desto besser können Informationen aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. Anhänger der medizinisch-gesundheitswissenschaftlichen Sichtweise wollen mit mehr Bewegung in der Schule Zivilisationskrankheiten, die auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind, entgegenwirken und auch die motorischen Fähigkeiten der Schüler verbessern.

Schulprogrammatische Begründungsmuster hingegen beziehen sich auf den Ansatz, dass Schule nicht nur Lern-, sondern auch Lebens- und Erfahrungsraum sein sollte. Das Konzept der Bewegten Schule besteht deshalb darin, den pädagogischen Rahmen für einen Lebensraum zu schaffen, der alle Bereiche des Schullebens berührt und in dem Kinder sich wohlfühlen.

Strukturmerkmale einer Bewegten Schule
Ebenso unterschiedlich wie die Konzepte und Begründungsmuster für eine Bewegte Schule sind auch die Kriterien, die für eine Bewegte Schule gelten. Zu den typischen Merkmalen, welche den Unterricht betreffen, gehören u.a. das bewegte Lernen, Bewegungspausen und bewegtes Sitzen. Unterrichtsexterne Merkmale hingegen sind zum Beispiel die bewegte Pausengestaltung sowie außerunterrichtliche Bewegungsanlässe oder Kooperationen mit dem außerschulischen Umfeld.

Schule als Bewegungsraum bedarf einer konkreten, bewegungsförderlichen Gestaltung. Durch Bewegungs-, Spiel- und Sportmöglichkeiten kann das Schulgelände zu einem Raum bewegter Schulkultur umgestaltet werden. Wichtig ist die Gestaltung von Zonen der Ruhe und Entspannung. Mögliche Umsetzungsformen wären Spielfeldmarkierungen, Tischtennisplatten, Basketballkörbe und Klettergerüste/-wände, aber auch Bänke, Grünflächen und Büsche.  

Bewegtes Lernen basiert auf der Annahme, dass eine kindgerechte Unterrichtsgestaltung die bewusste Rhythmisierung durch ausgewogenen Wechsel von Spannungs- und Entspannungsphasen, also von Konzentration und Erholung, von Ruhe und Bewegung sowie von geistiger und körperlicher Aktivität beachten sollte. Das heißt, beim so genannten Bewegten Unterricht wird das traditionelle Lernen auch durch Formen des bewegten Lernens, bei denen die Bewegung des Körpers in den Lehr- und Lernprozess einbezogen wird, ergänzt. Bewegung und handlungsorientiertes Lernen und Lehren wird als fester Bestandteil in möglichst viele Unterrichtsveranstaltungen integriert. Dies kann mit einfachen Mitteln erreicht werden, beispielsweise indem die Lehrkräfte Arbeitsblätter und Materialien nicht selbst verteilen, sondern die Kinder sich diese von einem vorgegebenen Platz abholen. Oder auch, indem Kinder das Einmaleins spielerisch durch Springen in Hüpffeldern erlernen oder in Bewegungsliedern das Gesungene veranschaulichen.

Beim bewegten Sitzen versucht man, lang andauernde Sitzphasen entweder durch eine Veränderung der Sitzposition oder durch das Einnehmen von alternativen Arbeitshaltungen aufzulockern. Etwa indem man die Sitzanordnung variabel gestaltet, z.B. als Gesprächskreis oder in U-Form, oder Schülern zusätzliche Hilfsmittel wie Sitzkeile und Sitzbälle anbietet. Beliebt sind auch Bewegungspausen, mit denen man den Unterricht kurzzeitig unterbricht, damit die Schüler sich in der Klasse, aber auch im Flur oder im Freien allein oder in Gruppen bewegen können. Kurzes aktives Bewegen zwischendurch wirkt sich oft positiv auf die Aufmerksamkeitsleistung aus.

Es geht auch um innere Bewegung

In immer mehr Schulen setzen sich einzelne Aspekte oder ganze Konzepte des bewegten Lernens durch. Es gibt kaum noch ein Schulgelände ohne vielfältige und abwechslungsreiche Bewegungsmöglichkeiten. Der Stellenwert, den das Fach Sport an den Schulen einnimmt, steigt, und es gibt, gerade an Grundschulen, immer öfter Unterricht, der die verschiedenen Ruhe- und Bewegungsphasen aufgreift.

So hat sich das Niedersächsische Kultusministerium mit dem Projekt „Bewegte Schule“ das Ziel gesetzt, ganzheitliches Lernen an seinen Schulen zu fördern, das Schulleben insgesamt bewegter zu gestalten und damit auch die Schulentwicklung zu beeinflussen. Eine kind-, lehrer- und lerngerechte Rhythmisierung des Unterrichts, bewegtes und selbsttätiges Lernen, bewegte und beteiligende Organisationsstrukturen, Öffnung der Schule nach außen, vernetztes Denken sowie bewegte Pausen bilden den Kern des Projekts. Es geht dabei nicht nur um verstärkte körperliche Aktivität, sondern auch um innere Bewegung. Das ganze System Schule soll in Bewegung gebracht werden. Alle sollen erreicht werden, auch die Lehrerinnen und Lehrer. Mit Hilfe von Aktionstagen im Zuge des Aktionsplans: „Lernen braucht Bewegung — Niedersachsen setzt Akzente“ hat das Niedersächsische Kultusministerium schon viel dafür getan, die Idee der Bewegten Schule in Niedersachsen und in Deutschland weiter zu tragen und in funktionierende Netzwerke einzubringen.

Zertifikat „Bewegte und sichere Schule“
Ein anderes Beispiel findet man in Sachsen. Dort vergibt die Unfallkasse in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus und Sport und der Forschungsgruppe „Bewegte Schule“ das Zertifikat „Bewegte und sichere Schule“ an Schulen, die Bewegung und Sicherheit nachhaltig in ihr Leitbild integrieren. „Das Haus der Bewegten Schule“ wird aus einem anthropologischen Verständnis heraus verstanden. Danach ist Bewegungserziehung eine in allen Fächern zu konkretisierende, die Lernbereiche übergreifende und auch den außerunterrichtlichen Bereich umfassende Aufgabe der (Grund-)Schule. Das Hauptziel der Bewegungserziehung ist die Befähigung der Schülerinnen und Schüler zu individueller Handlungskompetenz, die darauf ausgerichtet ist, durch Bewegung die Umwelt zu erfahren und zu gestalten.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 30.09.2010
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