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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 03.05.2007:

Prävention statt Resignation

Das Vertrauensnetzwerk Schule - Beruf Fürth verbessert die Ausbildungschancen von Hauptschülern und Hauptschülerinnen mit fünf verschiedenen Ansätzen
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Vertrauensnetzwerk Schule-Beruf

Veit Bronnenmeyer und Anja Lorenz

Der Übergang von der Schule in das Berufsleben funktioniert nicht mehr so selbstverständlich wie früher: Zum einen sind wir immer noch mit der anhaltenden Misere auf dem Ausbildungsstellenmarkt konfrontiert, zum anderen spielt aber auch eine nicht geringe Anzahl "weicher" Faktoren wie Berufsorientierung und -vorbereitung, Ausbildungsreife, Sekundärtugenden oder Ausbildungsabbrüche eine Rolle. Es wird immer wieder berichtet, dass viele Betriebe bereit sind, weiter oder zusätzlich auszubilden, aber keine passenden Bewerber/innen finden. Andere (z. B. Bäcker, Metzger oder Gleisbauer) suchen händeringend Auszubildende, erscheinen aber für viele Jugendliche nicht attraktiv. Oftmals schließt ebenso die Orientierungslosigkeit, welche bei vielen Jugendlichen und auch deren Eltern herrscht, eine realistische Berufsorientierung nahezu aus, häufig werden Berufe angestrebt, die mit den schulischen Voraussetzungen der Jugendlichen nicht erreichbar sind. Diese Miss-Match-Situationen sind zu einem gewissen Teil prägend für die problematische Lage am Ausbildungsmarkt und werden diese wohl auch noch charakterisieren, wenn die rechnerische Lücke zwischen offenen Lehrstellen und Bewerbern aufgrund rückläufiger Geburtenzahlen kleiner wird.
Es gilt daher, neue und intensivere Formen des Übergangsmanagements zu entwickeln, die auch unabhängig von Lehrplänen und der Situation auf dem Lehrstellenmarkt greifen. Schülerinnen und Schüler können zwar schon auf vielfältige Informations- und Beratungsangebote von Schulen und der Arbeitsagentur zurückgreifen, aber "in Anbetracht der zahllosen Informationsquellen zum Thema Berufsorientierung verwundert es nicht, dass von den Jugendlichen weniger ein Mangel an Informationen zur Berufswahl beklagt wird als vielmehr die individuelle Schwierigkeit, sich in diesem Informationsdschungel zurechtzufinden [...]"(1). Dies bedeutet, dass Jugendliche in stärkerem Ausmaß individuell und intensiv bei der realistischen Berufsorientierung und -findung unterstützt werden müssen - insbesondere gilt dies für benachteiligte Gruppen, zu denen oftmals auch Hauptschüler/innen zählen.

Das Projekt "Vertrauensnetzwerk Schule - Beruf" möchte durch seine Arbeit eben diesen Herausforderungen begegnen und einen innovativen Beitrag zur Überwindung der Schwierigkeiten bei der beruflichen Integration von Hauptschülern und Hauptschülerinnen in der Stadt Fürth leisten. Hierbei wird auf zwei Ebenen angesetzt.

Das Netzwerkmanagement
Zum einen fungiert die Projektleitung als Netzwerkmanagement und treibt die thematische Vernetzung relevanter Akteure (Schulen, Unternehmen und Kammern, Arbeitsagentur, Politik und Verwaltung, städtische und freie Bildungseinrichtungen etc.) in der Stadt voran. Durch neue Kooperationsformen und inhaltliche Ideen wird an dem Ziel, v. a. Hauptschüler/innen auf dem Weg von der Schule in den Beruf stärker und individueller als bisher zu unterstützen, gearbeitet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Prävention. Die Jugendlichen sollen schon in den letzten Schuljahren passende Orientierungs- und Hilfsangebote erhalten und nicht erst, wenn es nach der Schule womöglich zu spät ist. Derzeit arbeitet das Projekt mit etwa 20 Partnern aktiv zusammen und organisiert Erfahrungsaustausch, Wissenstransfer sowie eine öffentlichkeitswirksame Darstellung der Aktivitäten. Hierzu zählt beispielsweise die Fortbildungsveranstaltung "Tag des offenen Ausbildungsbetriebes", eine Bustour für Lehrkräfte an Hauptschulen und Multiplikatoren/innen, die zu unterschiedlichen Ausbildungsbetrieben führt. Des Weiteren findet am 7. November diesen Jahres eine große vom Netzwerk initiierte überregionale Fachtagung in Fürth statt, in deren Rahmen sich  prominente und kompetente Vertreter/innen aus Wissenschaft, Politik, Schule und Wirtschaft mit dem Thema "Perspektiven bieten - (Berufs-)Wege nach der Hauptschule heute und morgen" auseinandersetzen.

Die Praxismodule
Auf der anderen Ebene arbeiten die fünf Praxismodule, die durch das Projekt gefördert und in Kooperation mit vier externen Kernpartnern durchgeführt werden. Die Module leisten Basisarbeit im direkten Kontakt mit den Zielgruppen und zeigen beispielhaft, was im Übergangsmanagement mit und für Hauptschüler/innen getan werden kann.

Die Praxismodule im Einzelnen sind:

  1. Der Fürther Berufswahlpass
    Der Fürther Berufswahlpass soll die Schüler/innen durch geeignete Unterlagen und zahlreiche Materialen bei der Berufswahl und dem -einstieg unterstützen. Hierbei enthält der gemeinsam mit Lehrkräften, dem IHK-Gremium Fürth und anderen Bildungseinrichtungen entwickelte Pass neben wichtigen Adressen und Anlaufstellen vor Ort vielfältiges Material für die Berufsorientierung, Bewerbungshilfen und Praktika bereit und dient für den Einsatz im Fach AWT (Arbeit-Wirtschaft-Technik) der 7. bis 9. Hauptschulklassen. Zum Schulhalbjahr 2006 wurde dieser erstmals in Bayern als ein eigener Berufswahlpass in 14 Klassen probeweise eingeführt, mittlerweile arbeiten rund 17 Klassen der 8. und 9. Jahrgangsstufe (dies umfasst ca. 450 Schüler/innen) mit ihm. Zum nächsten Schuljahr soll das Instrument dann nach nochmaliger Evaluierung serienreif sein. 

  2. "Check Out" - Vertiefte Berufsorientierung
    Check OutIn Zusammenarbeit mit dem Internationalen Bund, der Arbeitsagentur, der SHK-Innung (Sanitär - Heizung - Klima), dem Hotel- und Gaststättenverband und dem Berufsbildungswerk Nürnberg (BBW) richtet sich dieses Modul an Hauptschüler/innen der 9. Klassen mit dem Ziel, ihnen durch eine Kombination von Vorqualifizierung, sozialpädagogischer Betreuung und Praktikum den Zugang zu einer betrieblichen Ausbildung zu erleichtern sowie vorhandene Berufsoptionen oder -wünsche fundiert zu überprüfen. Die teilnehmenden Schüler/innen verpflichten sich dabei, an 12 bis 14 Nachmittagen zusätzlich an einem Vorbereitungsunterricht des jeweiligen Berufsfeldes teilzunehmen, der im ersten Halbjahr der 9. Jahrgangsstufe stattfindet. Die differenzierten Lehrpläne (Unfallverhütungsvorschriften (UVV), Material- und Werkzeugkunde, fachpraktische Übungen etc.) werden von den Partnern entwickelt, sie stellen die Ausbilder sowie die Räume für den Unterricht. Innerhalb dieses Angebotes findet auch ein einwöchiges Praktikum in einem Mitgliedsbetrieb des jeweiligen Partners statt. Die Schüler/innen werden während des ganzen Kurses von einem Sozialpädagogen begleitet und betreut.
    Im Schuljahr 2006/2007 standen für die vertiefte Berufsorientierung die Berufsbereiche "Sanitär- und Heizungsbau" sowie "Hotel und Gaststätten" zur Auswahl und wurden von rund 32 Schülern und Schülerinnen erfolgreich besucht. Mittlerweile wird das Projekt mit verschiedenen Partnern nun bereits im vierten Jahr durchgeführt. Die Ergebnisse sind durchweg positiv, 90% der Teilnehmer/innen schafften den Qualifizierenden Hauptschulabschluss. Die Vermittlung in Ausbildung (kein eigentliches Ziel der Maßnahme) lag durchweg bei 50% oder höher. Das Modul wird von der Arbeitsagentur Nürnberg kofinanziert.

  3. Bildungspaten
    Bildungspate mit SchülerBei diesem Praxisangebot, das in Kooperation mit dem Fürther Zentrum Aktiver Bürger ins Leben gerufen wurde, unterstützen ehrenamtlich tätige Bürger/innen Jugendliche von 8. und 9 Hauptschul- oder Förderklassen, aber auch junge Menschen, die die Schule bereits verlassen haben und jetzt z. B. berufsvorbereitende Maßnahmen besuchen oder ihre Ausbildung abgebrochen haben. Hierbei bieten die sog. Bildungspaten wertvolle individuelle Hilfs- und Betreuungsangebote an. So gewährleisten sie eine zeitlich intensivere Begleitung, zu der auch Fahrten zu Vorstellungsgesprächen, Begleitung beim Kleidungskauf oder bei Ämter- und Behördengängen, Nachhilfe, Unterstützung bei der Wohnungssuche oder beim Schuldenabbau etc. gehören.
    Insgesamt gibt es derzeit 24 aktive Bildungspaten, die im Rahmen dieses Projektes seit Juli 2006 43 junge Menschen, entweder einzeln oder in Kleingruppen bis zu fünf Personen, begleitet haben. Bei 24 Jugendlichen dauert die Betreuung noch an. Darüber hinaus findet seit einigen Wochen an zwei Fürther Hauptschulen ein Berufsorientierungskurs für 13 Schüler/innen der 8. Jahrgangsstufe statt, der von den Bildungspaten selbst durchgeführt wird. Das Angebot der Bildungspatenschaften fand und findet bei den Jugendlichen großen Zuspruch, so dass mittlerweile Wartelisten eingerichtet werden mussten. Das Vertrauensnetzwerk ist daher stetig bemüht, neue geeignete Bildungspaten zu gewinnen.

  4. Medienkompetenz - Bildungsorientierung durch die Hintertür
    LehrstellencastingRadio und Internet können nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern auch bei der Berufsorientierung helfen. Deshalb sind medienpädagogische Angebote ebenso Teil des Basisangebotes vom "Vertrauensnetzwerk Schule - Beruf". Als eines der Praxismodule wird hier in Kooperation mit dem Jugendmedienzentrum Connect in Fürth Hauptschülern und Hauptschülerinnen der Jahrgangsstufen 8 und 9 die Möglichkeit gegeben, verschiedene Betriebe, Berufsberater, Berufsschulen, Innungen oder Fachleute aus der Berufsschule zu besuchen und zu interviewen. Diese Informationen werden dann von den Schüler/innen als Radio- oder Webangebote aufbereitet, so dass sie im Anschluss daran auch anderen Jugendlichen zur Verfügung stehen. So fanden im letzten Halbjahr zwei Projektwochen unter dem Titel "Lehrstellencasting" statt, an denen insgesamt rund 50 Schüler/innen aus Fürth beteiligt waren. Die dabei von den Teilnehmenden erstellte Internetplattforum ist unter www.lehrstellencasting.de zu finden. Des Weiteren gibt es die wöchentliche Radiosendung "Job-Revue", in der Berufsbilder und Ausbildungen vorgestellt werden, dazu gibt es viele Infos rund um die Berufsorientierung, aber auch Betriebsportraits sind Thema. Alle Beiträge werden von den Schülern und Schülerinnen selbst erstellt. "Job-Revue" ist jeden Montag um 15 und um 20 Uhr, donnerstags um 14 Uhr und samstags um 13 Uhr  auf AFK Max (106,5 MHz) zu hören.
    Zusätzlich zu den oben genannten Themen sind auch das gezielte Recherchieren für Bewerbungen, die Ausarbeitung eigener Stärken- und Schwächenprofile oder das Training Sozialer Kompetenzen Inhalt der Angebote. 

  5. Eltern- und Multiplikatorenarbeit
    Auch die Eltern sind für Jugendliche beim Übergang in das Berufsleben wichtig. Deshalb muss Elternarbeit bei der Verbesserung von Ausbildungschancen eine Rolle spielen und miteinbezogen werden. Hierbei ist zunächst zentral, Eltern auf ihre Funktion aufmerksam zu machen, die vielen oftmals nicht bewusst ist. Danach gilt es, Angebote zu schaffen, die ihnen bei der wirkungsvollen Unterstützung ihrer Kinder helfen. In Zusammenarbeit mit der städtischen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft elan wurde deshalb ein Praxismodul entwickelt, das Eltern, Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter/innen zu Fragen der Berufsorientierung und des Berufseinstiegs informiert, berät und fortbildet. Im Zentrum stehen neben allgemeinen Informationsangeboten auch Beratungsgespräche zu komplexeren Problemlagen oder Erstkontakte mit Ämtern und Institutionen sowie Trainingskurse zu "Elternempowerment" oder die Durchführung von Elternabenden, welche regelmäßig an Schulen stattfinden und derzeit stark nachgefragt sind. Besondere Berücksichtigung finden hierbei die Zielgruppen mit Migrationshintergrund.

Ausblick
Die berufliche Orientierung ist eine Kernaufgabe der Schule, v. a. der Schulen, die direkt in eine Berufsausbildung führen. Hier tut sich viel und wird sich in Zukunft noch mehr tun. Das Bayerische Kultusministerium plant den Umbau der Hauptschule zu einer berufsvorbereitenden Schule mit acht zentralen Elementen (Ganztagsschulen, Kernkompetenzen, Praxisbezug etc.). Das Angebot an Lehrstellen wird immer wieder schwanken, z. Zt. zeichnet sich eine positive Entwicklung ab, die aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die Betriebe auch weiterhin Probleme haben werden, immer geeignete Bewerber zu finden. Die Miss-Match-Verhältnisse werden künftig eher zu- als abnehmen.
Es wird daher auch in Zukunft darauf ankommen, dass die Schulen sich mit verschiedenen externen Partnern vernetzen, um ihren Schülern und Schülerinnen einen möglichst individuellen Weg in das Berufsleben aufzuzeigen. Geänderte Lehrpläne und neu geordnete Ausbildungsberufe sind ein Teil der Lösung; aber ohne individuelle Hilfsangebote, die sowohl auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der einzelnen Jugendlichen als auch auf lokale und regionale Gegebenheiten Rücksicht nehmen, wird es nicht gehen. Das Vertrauensnetzwerk zeigt an mehreren Beispielen, wie dies mit lokalen und regionalen Kooperationen funktionieren kann. Weitere sind denkbar und sollten unbedingt verwirklicht werden.

Das "Vertrauensnetzwerk Schule-Beruf" ist ein Projekt des Bayerischen Volkshochschulverbandes und der Volkshochschule Fürth, das durch Mittel des ESF-Ziel-2 (Förderung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds) über das Bayerische Kultusministerium gefördert wird. Es wurde 2006 als Nachfolgeprojekt der "Lernenden Region Nürnberg-Fürth-Erlangen" ins Leben gerufen, um die Arbeit unter dem Motto "Prävention statt Resignation" mit bewährten Ansätzen und neuen Ideen fortzuführen


Kontakt: 
Vertrauensnetzwerk Schule-Beruf
VHS Fürth
Hirschenstr. 27-29
90762 Fürth
www.vertrauensnetzwerk.de

Tel: 0911-9741015
Fax: 0911-9741966
Ansprechpartner: Veit Bronnenmeyer
E-Mail: veit.bronnenmeyer@fuerth.de


Anmerkung:
1) "Auf dem Prüfstand: Beschäftigungsfähigkeit und berufliche Orientierung Jugendlicher", Dr. Jens U. Prager, Clemens Wieland, aus: Junge Generation und Arbeit - Daten, Fakten, Lösungswege. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2005, S. 12

Autor(in): Veit Bronnenmeyer und Anja Lorenz
Kontakt zur Redaktion
Datum: 03.05.2007
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