Suche

Gebärdensprache DGS-Button Leichte Sprache LS-Button
Erweiterte Suche

Ariadne Pfad:

Inhalt

Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 11.10.2001:

Hochschulen und Länder brauchen den Wettbewerb

Das Bild zum Artikel
Der bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair

Forum Bildung: Deutsche Universitäten sollen internationaler werden. Sie wollen in Bayern mit der "White Card" attraktiver für ausländische Studierende werden. Was ist die White Card genau?

Zehetmair:
Die "White Card" steht für eine Bündelung und Vereinfachung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften für ausländische Studenten und Wissenschaftler sowie für eine Erleichterung bei der Arbeitsaufnahme von qualifizierten Studenten und Absolventen aus dem Ausland. Sie soll daneben für Interessenten aus dem Ausland transparent machen, wie sie das Ziel, an einer deutschen Hochschule zu studieren oder wissenschaftlich tätig zu sein, einfach erreichen können. Studenten und Wissenschaftler, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen möchten, stehen heute einer Vielzahl verschiedener und schwer überschaubarer Regelungen des Aufenthalts- und Visarechts sowie restriktiven Vorschriften bei einer Arbeitsaufnahme gegenüber. Die "White Card" beinhaltet einen zweiten Punkt: Qualifizierten Hochschulabsolventen soll die Arbeitsaufnahme in Deutschland nach ihrem Studium erleichtert werden, zumal in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften ein hoher Bedarf an guten Akademikern besteht. Die so genannte "Green-Card" als Sonderregelung für den IT-Bereich greift hier zu kurz. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die "White Card" soll kein bayerischer Sonderweg sein. Vor allem der Bund, bei dem die Zuständigkeit für das Ausländerrecht liegt, ist gefordert, die berechtigten Interessen der Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen aufzugreifen.

Forum Bildung: Auf der anderen Seite steht die Habilitation der Internationalität im Wege. Sie sind aber gegen eine Abschaffung, wie Frau Bulmahn es in ihrer Dienstrechtsreform vorsieht. Warum?

Zehetmair: Ich bin dezidiert gegen die Abschaffung der Habilitation, wie der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Hochschullehrerdienstrecht es vorsieht. Die Juniorprofessur, deren Sinnhaftigkeit sich erst noch beweisen muss, darf nicht durch das Rahmenrecht des Bundes verbindliche Einstellungsvoraussetzung für Professoren und damit ein Qualifikationsmodell mit Ausschließlichkeitscharakter werden. Dafür ist die Palette des universitären Fächerspektrums zu vielfältig. Es wäre ein gravierender Fehler, erst die Habilitation als den Königsweg für die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses anzusehen und sie dann in Bausch und Bogen über Bord zu werfen. Das zeugt von ideologischem Denken und bedeutet de facto für unsere Hochschulen eine Einengung und keine Liberalisierung.

Forum Bildung:
Was halten Sie von Junior-Professuren?

Zehetmair:
Ich habe nichts gegen die Einführung von Juniorprofessuren. Das habe ich wiederholt gesagt. Hochqualifizierte Wissenschaftler sind in den Fächern, in denen die Juniorprofessur besondere Vorteile bieten könnte - dies sind meines Erachtens die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer -, zu fördern, und wir sollten ihnen eine rasche und zielgerichtete Laufbahn in der Universität ermöglichen. Aber wie gesagt, die Juniorprofessur muss ihre Probe in Forschung und Lehre im Gesamtspektrum der Hochschule erst noch bestehen.

Forum Bildung:
Im neuen Dienstrecht sollen Professoren auch leistungsabhängig bezahlt werden. Sind Sie mit diesem Modell einverstanden?

Zehetmair: Ja. Von Anfang an bestand zwischen Bundestag und Bundesrat Einigkeit darüber, dass wir - nach den Hochschulreformen der Länder - als weiteren Schritt eine Strukturreform für das Hochschulpersonalrecht brauchen. Kernpunkt der Dienstrechtsreform ist dabei die Einführung eines neuen stärker leistungsbezogenen Besoldungssystems für Professoren. Was ich allerdings nicht mittragen kann, ist die nunmehr von der Bundesregierung vorgelegte Höhe der Grundgehälter von 7.000 DM und 8.500 DM, die ein entscheidender Schwachpunkt der Gesetzentwürfe der Bundesregierung sind. Mit dem Grundgehalt eines Oberregierungsrats werden wir keine herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für unsere Hochschulen gewinnen, schon gar nicht aus dem Ausland und aus der Wirtschaft. Die Hochschulen, an denen ein großer Generationenwechsel wir auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft bevorsteht, würden im Wettbewerb um die besten Köpfe gegenüber den Angeboten der Wirtschaft massiv ins Hintertreffen geraten. Damit würde die beabsichtigte Neuordnung genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie ursprünglich leisten sollte. Leistungsbezüge werden für besondere Leistungen in Forschung und Lehre gewährt und haben nicht den Sinn, erst eine angemessene Besoldung zu sichern.

Forum Bildung: In Baden-Württemberg gibt es für sogenannte "Bummelstudenten" Studiengebühren. Auch in Bayern ist das Zweitstudium kostenpflichtig. Bleibt die kostenlose Erstausbildung bestehen oder müssen wir uns in absehbarer Zukunft generell auf Studiengebühren einstellen?

Zehetmair: Um kurz die Situation in Bayern aufzugreifen: Wir haben mit Wirkung vom Sommersemester 1999 Gebühren für Zweitstudien eingeführt, also für Studierende, die bereits ein abgeschlossenes Hochschulstudium haben. Die akademische Erstausbildung ist in Bayern also gebührenfrei. Es ist eine wichtige Errungenschaft unseres Landes, dass die Erstausbildung der jungen Leute kostenfrei ist, und zwar sowohl im Bereich der beruflichen wie der akademischen Bildung, deren Gleichwertigkeit wir ja auch sonst immer betonen. Dabei verhehle ich nicht, dass sowohl aus psychologischen wie aus finanziellen Gründen vieles für Studiengebühren, die international an allen führenden Universitäten eine Selbstverständlichkeit sind, spräche. Studiengebühren müssen, wo immer es sie gibt, durch eine erhebliche Ausweitung des Stipendienwesens sozial abgefedert werden. Im Übrigen habe ich bis jetzt noch keine Garantieerklärung eines einzigen Finanzministers in Deutschland gehört, dass die durch Studiengebühren erzielten Einnahmen in vollem Umfang den Hochschulen, die in den kommenden Jahren wegen enormen Sanierungs- und Erneuerungsbedarfs sowie steigender Studierendenzahlen großen Finanzbedarf haben, zur Verfügung gestellt würden.
.
Forum Bildung: Wenn Studiengebühren salonfähig werden, müssen aber auch neue Finanzierungsmodelle her. Sonst ist es mit dem Grundsatz der Chancengleichheit schlecht bestellt. Jedes Land und jede Partei hat da ja seine oder ihre eigenen Vorstellungen. Die Palette reicht von Darlehen über Stipendien zu Bildungsschecks in den verschiedensten Schattierungen. Was favorisieren Sie?

Zehetmair: Ich favorisiere noch gar nichts, bevor nicht verlässlich abgeklärt wird, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen Studiengebühren Sinn machen. Deshalb sehe ich auch keine Veranlassung, über irgendwelche Modelle zu reden. A und O muss sein, dass niemand, wo immer es auch Studiengebühren gibt, aus finanziellen Gründen von einem Studium abgehalten wird.

Forum Bildung: Jedes Land der Bundesrepublik kocht sein eigenes Süppchen, was Qualitätssicherung und internationale Vergleichbarkeit nicht leichter macht. Darf die Hochschulpolitik überhaupt Ländersache bleiben?

Zehetmair: Hochschulpolitik muss sogar Ländersache bleiben, weil sie bei den Ländern und im Wettbewerb zwischen den Ländern bestens aufgehoben ist. Gerade in Zeiten einer globalisierten Welt ist wichtig, dass nicht nur die Hochschulen, sondern auch die Länder miteinander in Wettbewerb treten. Das hat letztlich auch mit Qualitätssicherung zu tun. Davon abgesehen sieht schon die Verfassungslage vor, dass die Bildungspolitik ein Kernbereich der Eigenstaatlichkeit der Länder ist und damit nicht zur Disposition steht. Im Übrigen haben die Länder mit der Kultusministerkonferenz ein Instrument, um dort, wo erforderlich, die nötigen Abstimmungen vorzunehmen.

Forum Bildung: Hochschulen sollen autonomer sein und sich ihre Studierenden selbst aussuchen. Unterstützen Sie Ihren baden-württembergischen Kollegen Frankenberg, der die ZVS abschaffen will?

Zehetmair: Auch ich bin dafür, das zentrale ZVS-Auswahlverfahren in seiner derzeit gültigen Form zumindest durch einen großen Teil durch effektivere und geeignetere Verfahren zu ersetzen.

Autor(in):
Kontakt zur Redaktion
Datum: 11.10.2001
© Innovationsportal

Ihr Kommentar zu diesem Beitrag. Dieser Beitrag wurde bisher nicht kommentiert.

 Weitere Beiträge nach Innovationsgebieten (Archiv).

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion von Bildung + Innovation erlaubt.

Die Redaktion des Online-Magazins Bildung + Innovation arbeitet journalistisch frei und unabhängig. Die veröffentlichten Beiträge bilden u. a. auch interessante Einzelmeinungen zum Bildungsgeschehen ab; die darin zum Ausdruck gebrachte Meinung entspricht nicht notwendig der Meinung der Redaktion oder des DIPF.

Inhalt auf sozialen Plattformen teilen (nur vorhanden, wenn Javascript eingeschaltet ist)

Teile diese Seite: