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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 03.08.2006:

"Jeder Unterricht sollte ein Sprachunterricht sein"

Interview zur Zusatzqualifikation "Sprachförderung für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund"
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Andrea Heimbach und Christine Vonhoff

Probleme mit der deutschen Sprache existieren natürlich nicht nur bei Kindern mit Migrationshintergrund. So zeigte die PISA-Studie auch, dass diese Schwierigkeiten mittlerweile ebenso auf viele Kinder mit deutscher  Muttersprache zutreffen. Mangelhafte Kenntnisse in der Schulsprache Deutsch verursachen nicht nur schlechte Leistungen im Bereich "Lesekompetenz", sondern wirken sich auch auf die Leistungen in anderen Schulfächern negativ aus. 

Die Einsicht, etwas dagegen unternehmen zu müssen, ist längst vorhanden. Die Pädagogische Hochschule Karlsruhe schuf deswegen eine Juniorprofessur "Zusatzqualifikation Sprachförderung", die im Januar 2005 von Prof. Havva Engin besetzt wurde. Zielgruppe der Zusatzqualifikation "Sprachförderung für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund" sind Lehramtsstudierende des Faches "Deutsch". Mit der Zusatzqualifikation sollen angehende Lehrende für das Thema Sprachförderung professionalisiert werden. Bildung PLUS unterhielt sich mit den beiden Teilnehmerinnen der Zusatzqualifikation Christina Vonhoff und Andrea Heimbach.  

Bildung PLUS: In der Beschreibung zur "Zusatzqualifikation Sprachförderung für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund" heißt es, "dass sprachliche Defizite sich bereits im Vorschulalter bemerkbar machen. Nehmen diese Kinder nicht an  Sprachförderprogrammen oder ähnlichen Fördermaßnahmen teil, so vergrößert sich ihr Abstand zu sprachlich altersangemessen entwickelten Kindern signifikant." Was müsste sich ändern?

Heimbach und Vonhoff: Wichtig ist, dass schon im Kindergarten eine präventive sprachliche Frühförderung betrieben wird. Dafür ist es notwendig, dass Erzieherinnen und Erzieher entsprechend geschult und fortgebildet werden. Eine ganzheitliche Herangehensweise ist besonders für Kindergartenkinder sehr wichtig. Es sollte eine ungezwungene sprachliche  Lernumgebung hergestellt werden, wobei Mehrsprachigkeit als Vorteil gesehen wird. Zudem müssen die Eltern mehr  einbezogen werden. Sie sollten auch verstärkt über Fördermöglichkeiten durch Kinderärzte aufgeklärt werden. Es zeigt sich einfach immer mehr, dass Förderung in den Institutionen wie Familienzentren, Kindergärten und Schulen geschehen muss, da viele Migranteneltern über wenig Mittel und Möglichkeiten verfügenbzw. selbst zu wenig deutsche Sprachkenntnisse haben.

Bildung PLUS: Die Juniorprofessorin Havva Engin vom Institut für deutsche Sprache und Literatur an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe kritisiert das bisherige Vorgehen in Sachen Sprachförderung. Das bisher vorherrschende "Gießkannenprinzip" habe sich als didaktisch und methodisch ineffektiv erwiesen. Stattdessen brauche Sprachförderung eine differenzierte und individuelle Vorgehensweise. Wie müsste Ihres Erachtens  ein entsprechendes Vorgehen aussehen? 

Heimbach und Vonhoff: Das Thema Sprachförderung ist momentan sehr aktuell, und viele Bücher wurden dazu bereits veröffentlicht. Obwohl das Thema von vielen Schulen sehr ernst genommen wird, ist es jedoch oft so, dass viele mit der neuen Situation überfordert sind und Sprachfördermaterialien verwenden, ohne sie zu reflektieren.

Wichtig ist, dass die Thematik Mehrsprachigkeit im Unterricht behandelt wird und die Förderung integrativ im Unterricht stattfindet. Jeder Unterricht sollte somit auch Sprachunterricht sein und jede Lehrkraft sollte wissen, wo mögliche sprachliche Hürden des behandelten Themas liegen. Einige Stichworte zu einem integrativen Unterricht sind: Lernen mit allen Sinnen, in Lernszenarien lernen (handlungs- und kommunikationsorientierter Sprachunterricht) sowie Selbstlerntechniken trainieren ("Lernen lernen").

Bildung PLUS: Welche Kompetenzen erhoffen Sie sich von der Zusatzqualifikation "Sprachförderung für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund"?

Heimbach und Vonhoff: Wir erhoffen uns fachwissenschaftliche Kenntnisse zu der Thematik Sprachförderung. Dazu gehören fundierte Kenntnisse über den Erst- und Zweitspracherwerb und das Kennenlernen von Hintergründen und Ursachen der Migration. Zusätzlich haben wir bereits praktische Erfahrungen gemacht, etwa mit dem Kennenlernen von verschiedenen Diagnoseinstrumenten zur Sprachstandserhebung im Rahmen von Praktika. Zudem lernen wir auch, wie man individuelle Sprachförderprogramme für Schulen und Kindergärten entwickelt. Wir denken, dass uns die Zusatzqualifikation sehr gut auf unseren späteren Beruf vorbereitet und empfinden es als notwendig, uns mit der Thematik Sprachförderung zu beschäftigen.

Bildung PLUS: Diese Zusatzqualifikation soll für eine Tätigkeit in Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen sowie Nachhilfe- oder Fördereinrichtungen befähigen. Ihnen als Absolventinnen soll das dazugehörige Zertifikat einen Vorteil im Bewerbungsverfahren bieten, da Sie hiermit einschlägige Sprachförderkenntnisse nachweisen können. Denken Sie, dass Arbeitgeber diese noch recht unbekannte Zusatzqualifikation zu schätzen wissen?        

Heimbach und Vonhoff: Wir denken, dass die Zusatzqualifikation bestimmt von späteren Arbeitgebern geschätzt wird, da es noch nicht sehr viele Experten auf diesem Gebiet gibt. Wir haben beide selbst erfahren, wie Schulleiter besonders angetan waren, dass wir uns extra qualifizieren und wie groß das Interesse an jemandem ist, der sich mit der Thematik Sprachförderung befasst.

Bildung PLUS: Wird diese Zusatzqualifikation nur innerhalb Baden-Württembergs oder bundesweit anerkannt werden? 

Heimbach und Vonhoff: Da am Ende der Zusatzqualifikation ein Zertifikat ausgestellt wird, ist zu hoffen, dass auch andere Bundesländer diese Leistung anerkennen und dadurch den Absolventen ein Bewerbungsvorteil erwächst. Die Pädagogische Hochschule Karlsruhe ist in Baden-Württemberg bisher die einzige Hochschule, die eine solche Zusatzqualifikation anbietet. Bei positiver Evaluation plant die Pädagogische Hochschule Karlsruhe die Zusatzqualifikation Sprachförderung in einen Bachelor-Studiengang zu überführen und damit  andere Adressatengruppen wie z.B. Erzieherinnen anzusprechen.

Bildung PLUS: Wäre es sinnvoll, diese Zusatzqualifikation auch für Studierende anderer Studiengänge zum Beispiel der Sozialarbeit oder Sozialpädagogik anzubieten?

Heimbach und Vonhoff: Sinnvoll wäre es bestimmt, da viele Sozialarbeiter und Sozialpädagogen mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Jedoch glauben wir, dass es besonders für Lehrerinnen und Lehrer sehr wichtig ist, sich mit dieser Thematik zu befassen, da sie jeden Tag Kinder und Jugendliche unterrichten und auch fördern.

Im Fach Deutsch werden die Bereiche Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik abgedeckt. Dazu gehören zum Beispiel die Inhalte Spracherwerb, Syntax des Deutschen oder Lesen und Schreiben lernen inklusive Diagnose von LRS (Lese- Rechtschreibschwäche) und entsprechende Fördermaßnahmen. In Soziologie wird im Hinblick auf die Diagnoseinstrumente hauptsächlich die Migrationssoziologie behandelt und in Psychologie die Testpsychologie. In dem Fach Pädagogik lernen wir mehr über den Aufbau von Bildungseinrichtungen, in denen wir dann später auch tätig sein werden.

Bildung PLUS: Zu dieser Zusatzqualifikation, deren Studienumfang 30 Semesterwochenstunden beträgt, gehört auch ein Praktikum in einer Schule oder Fördereinrichtung. Haben Sie schon ein Praktikum absolviert und welche Erfahrungen haben Sie gesammelt?

Heimbach und Vonhoff: Wir haben beide unser vierwöchiges Praktikum an  Schulen absolviert. An den Schulen wird im Rahmen des Projektes "Bildung, Zukunft, Kinder" (BIZUKI) Sprachförderunterricht für Kinder und Jugendliche angeboten, die Probleme mit der deutschen Sprache haben. Wir haben jeweils hospitiert sowie selbstständig Sprachförderstunden geplant und durchgeführt. Auch hatten wir die Möglichkeit, das Konzept des Projektes näher kennen zu lernen. Das Praktikum war für uns beide sehr gewinnbringend, da wir bereits Gelerntes anwenden und ausprobieren konnten. Jedoch ist uns auch aufgefallen, dass sich noch vieles in Bezug auch die Sprachförderung in der Entwicklung befindet. Auch das Projekt entwickelt sich ständig weiter; so sollen künftig verstärkt Konzepte für die sprachliche Förderung von Hauptschülern entwickelt und erprobt werden.

 

Autor(in): Katja Haug
Kontakt zur Redaktion
Datum: 03.08.2006
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