Suche

Gebärdensprache DGS-Button Leichte Sprache LS-Button
Erweiterte Suche

Ariadne Pfad:

Inhalt

Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 01.03.2001:

"Diktat 6, was nun, liebe Eltern?"

ACG-Vorstand Cornelius Boersch über Schule, New Economy und gesellschaftliche Verantwortung
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Dr. Cornelius Boersch

Vor sechs Jahren startete der Chipkarten-Broker ACG mit sieben Mitarbeitern. Heute sind es 260. Die Wirtschaftswoche zählt Dr. Cornelius Boersch, 32 Jahre, Vorstand und Gründer von ACG, zu den führenden Köpfen der New Economy. In der Schule dagegen galt er eher als Problemfall. Die Online-Redaktion des Forum Bildung sprach mit ihm über Schule, Motivation und warum die New Economy der deutschen Arbeitswelt Beine macht.

Forum Bildung:
Sie sollen ja in ihrer Schulzeit nicht gerade ein Musterschüler gewesen sein?

Boersch:
Wenn ich ehrlich bin, war ich eigentlich immer der Schlechteste in meiner Klasse. Das lag einfach daran, dass ich an anderen Themen interessiert war wie Fußall. In Baden-Württemberg gibt es in der vierten Klasse so genannte Orientierungstests und mir wurde danach die Hauptschule empfohlen. Mein Vater war nicht besonders amüsiert darüber. Ich ging dann auf ein Internat und da musste ich lernen. Lesen zum Beispiel hab ich nicht in der Schule, sondern mit den Jugendbüchern "Burg Schreckenstein" richtig gelernt. Später hatte ich sogar Deutsch-Leistungskurs. Ich will damit sagen, dass Jugendliche sehr früh in Raster gesteckt werden, in die sie gar nicht passen. Nur weil man in der Grundschule schlecht war, heißt das ja nicht, dass man generell dumm ist.

Forum Bildung:
Sie hatten ja auch eine Schreib- und Leseschwäche?

Boersch:
Ja. Ich hatte zwei Jahre speziellen Unterricht und mein Vater hatte ein Buch im Regal: "Diktat 6, was nun, liebe Eltern?"

Forum Bildung:
Sie sind Gründer von ACG. Herr Boersch, was macht denn ein Chipkarten-Broker überhaupt?


Boersch:
Einfach gesagt sind wir diejenigen, die in der Mitte sitzen und Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung bringen. Wir kaufen irgendwo auf der Welt Chips und verkaufen sie anderswo hin. Oder wir lassen in den USA Chipkarten anfertigen, die nach Pakistan geliefert werden. Mittlerweile ist die ACG aber mehr als nur ein reiner Broker, denn wir veredeln auch Produkte. Beispielsweise entwickelt eines unserer Tochterunternehmen Betriebssysteme und Software für Chips, die auf den intelligenten Plastikkarten ihren Einsatz finden.

Forum Bildung:
Ihr Name steht in der Wirtschaftswoche unter den Top Hundert der New Economy. Was sind die Gründe dafür?

Boersch:
Nun, ich habe vor vier Jahren damit begonnen, in andere Start-Ups wie beispielsweise ebay oder auch in Venture-Capital-Unternehmen zu investieren. Inzwischen sind es über 20 Firmen, die ich einerseits mit Kapital aber andererseits vor allem mit Know-how unterstütze. Ich agiere, wie man das in der New Economy so schön nennt, als Business Angel.

Forum Bildung:
Was unterscheidet eigentlich die Arbeitsweise der New Economy von der Old Economy?

Boersch:
Der Begriff New Economy ist ja schon negativ besetzt. Man redet heute von der True Economy. In sehr vielen dieser Unternehmen sitzt kein Verwalter oder Manager, der alles aus der Vogelperspektive betrachtet, sondern ein Unternehmer, der mit anpackt. Es hat auch viel mit der Stimmung zu tun. Die Leute sind motivierter, wenn der Chef direkt im Team mitarbeitet und jederzeit ansprechbar ist . Wir haben bei ACG zum Beispiel nur zwei Hierarchie-Ebenen. Gute Leute bekommt man heute nicht mit mehr Geld oder toll klingenden Titeln, sondern indem man sie als Partner integriert und am Unternehmen mit Anteilen direkt beteiligt. Das ist der Spirit unseres Unternehmens. , Die Geschäfts laufen im Moment riesig bei der ACG und alle stöhnen über die viele Arbeit, aber das ist ja auch ein bisschen sexy, wenn wir ehrlich sind. Alle kokettieren gern damit.

Forum Bildung:
Die New Economy steckt in der Krise. Euphorie allein reicht nicht aus. Ist bei vielen jungen Unternehmen nicht das klassische Ein-Mal-Eins des wirtschaftlichen Denkens zu kurz gekommen?

Boersch:
Natürlich. Aber das ist jetzt auch leicht zu sagen. Es haben sich viele Leute selbstständig gemacht, die keine Unternehmer sind. Wir machen das jetzt 10 Jahre - es dauert halt auch seine Zeit. Ich kann nicht etwas aus dem Boden stampfen und nach einem Jahr muss alles funktionieren. Wir hatten mehr Zeit. Da bleiben halt viele auf der Strecke. Aber ich mache den Unternehmern keine Vorwürfe.

Forum Bildung:
Haben Sie eine Vision für Ihr Unternehmen?

Boersch:
Wir wollen weiterhin Vollgas geben. Wir machen das ja nicht nur wegen des Geldes, sondern um Spaß zu haben und den Erfolg zu sehen.

Forum Bildung:
Die Neue Wirtschaft macht manchmal den Eindruck, als sei sie an einer sozialen gesellschaftlichen Verantwortung wie sie in der Old Economy wenigstens noch auf dem Papier steht, nicht interessiert ?

Boersch:
Die Euphorie um die Start-Ups, den Neuen Markt und Venture-Capital sind sehr positive Dinge für die Entwicklung in Deutschland. . Die New Economy hat Dynamik und Wettbewerb in das Wirtschaftleben gebracht. Wer hat die denn die Old Economy Unternehmen dazu gebracht , mal ein bisschen schneller zu laufen? Es ist normal, dass ein Großteil der Start-Ups wieder vom Markt verschwindet. Die gesellschaftliche Verankerung wird viel stärker werden, wenn die Unternehmen mehr Zeit haben. Nach zwei Jahren ist so etwas nicht möglich. Gerade die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmen ist eine sehr starke gesellschaftliche Verankerung. Das gibt es in großen Firmen nicht. Da bekommen die Mitarbeiter eine Aktie pro Jahr. Das kann ja wohl keine Motivation sein.

 

 

Autor(in): Udo LÖffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 01.03.2001
© Innovationsportal

Ihr Kommentar zu diesem Beitrag. Dieser Beitrag wurde bisher nicht kommentiert.

 Weitere Beiträge nach Innovationsgebieten (Archiv).

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion von Bildung + Innovation erlaubt.

Die Redaktion des Online-Magazins Bildung + Innovation arbeitet journalistisch frei und unabhängig. Die veröffentlichten Beiträge bilden u. a. auch interessante Einzelmeinungen zum Bildungsgeschehen ab; die darin zum Ausdruck gebrachte Meinung entspricht nicht notwendig der Meinung der Redaktion oder des DIPF.

Inhalt auf sozialen Plattformen teilen (nur vorhanden, wenn Javascript eingeschaltet ist)

Teile diese Seite: