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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 21.11.2005:

Auf Bildung und Betreuung kommt es an

Ganztagsschulbetrieb bewirkt eine Veränderung der Hortkultur

Im internationalen Vergleich fällt Deutschland aus der Rolle. Während es in den meisten Ländern selbstverständlich ist, dass Schülerinnen und Schüler auch nachmittags unterrichtet und betreut werden, waren in Deutschland bisher nur fünf Prozent der allgemein bildenden Schulen Ganztagsschulen. In den deutschen Bundesländern dominiert das Halbtagsschulsystem. Seitdem Deutschland in der internationalen PISA-Studie 2000 sowohl beim Lesen als auch in Mathematik und in den Naturwissenschaften nur sehr mittelmäßig abgeschlossen hat, wollen die Bundesländer dieses ändern. Im Dezember 2001, nach Bekanntgabe der Ergebnisse von PISA 2000, hat die KMK gemeinsame Anstrengungen zur Modernisierung des deutschen Bildungswesens beschlossen und dafür sieben Handlungsfelder benannt. Eines davon betrifft den Bereich der Ganztagsschulen. Eingeleitet werden sollen  "Maßnahmen zum Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen." 

Neue Ganztagsschulen werden eröffnet, alte ausgebaut. Der Bund unterstützt die Länder dabei finanziell mit dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" und stellt ihnen bis zum Jahr 2007 insgesamt 4 Mrd. EUR zur Verfügung. Damit soll ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsschulen in ganz Deutschland geschaffen werden. Auf kritische Resonanz stoßen daher die Vereinbarungen zur Förderalismusreform, die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD getroffen wurden. Nach Auffassung von Kritikern lassen diese dem Bund in der Bildungspolitik künftig keinen Handlungsspielraum mehr für solche Initiativen. Laut Koalitionsvertrag sollen lediglich die bisher schon für das Investitionsprogramm "Zukunft, Bildung und Betreuung" zum Bau von Ganztagsschulen geplanten Haushaltsmittel des Bundes in Höhe von rund 4 Mrd. EUR bis zum Ende der Legislaturperiode abrufbar bleiben. Alle Länder haben in diesem Rahmen Mittel für den Aus- und Aufbau der Ganztagsschulen beantragt. Viele Ganztagsschulen öffneten in diesem Schuljahr ihre Tore. Im Rahmen des Ausbaus der Ganztagsschulen kommt es in vielen Ländern zu Verlagerungen der Horte und der Horträger.

Tradition: Der Hort
In den meisten Bundesländern hat es bereits vor dem Ausbau der Ganztagsschulen Horte unterschiedlicher Träger gegeben, meist an Schulen oder Kindertagesstätten angegliedert, in denen die Kinder und Jugendlichen in kleinen Gruppen von ausgebildeten Horterzieherinnen vor und nach der Schule, zum Teil bis 17.00 oder 18.00 Uhr, betreut wurden. In dieser Zeit bekommen die Schülerinnen und Schüler ein gemeinsames Mittagessen, sie haben einen geregelten Tagesablauf, der Spiel, Spaß und Freizeitgestaltung ebenso wie die Unterstützung beim Lernen bzw. bei den Hausaufgaben umfasst. Gerade in den neuen Bundesländern gibt es traditionell eine Hortkultur, die sich darin ausdrückt, dass dort bedeutend mehr Schülerinnen und Schüler einen Hort besuchen als in den alten Bundesländern. So gehen beispielsweise 50 Prozent aller Schulkinder in Sachsen-Anhalt in einen Hort. Dagegen stehen gerade sechs Prozent der Schüler in den alten Bundesländern. Der Ausbau der Ganztagsschulen hat ein unterschiedliches Zusammenspiel von Schule und Hort in den Bundesländern zur Folge. Ein Prozess, der nicht immer konfliktfrei verläuft, da alle Beteiligte gefordert sind, die bisherigen Strukturen zu überdenken.

NRW: Auflösung der Kita-Horte
In Nordrhein-Westfalen sollen die Horte ähnlich wie in Berlin zugunsten der offenen Ganztagsgrundschule aufgelöst werden. In Berlin haben bereits zu Beginn dieses Schuljahres die meisten Kita-Horte ihren Betrieb eingestellt, die Kinder werden jetzt komplett in der Schule bzw. in angrenzenden Räumen betreut.
Dieses Prinzip wird auch in Nordrhein-Westfalen verfolgt. In den nordrhein-westfälischen Horten stehen gut 30.000 Plätze zur Verfügung, "die den tatsächlichen Bedarf bei weitem nicht abdecken", so die ehemalige Bildungsministerin Ute Schäfer. Die Horte sollen in den nächsten Jahren zugunsten der offenen Ganztagsgrundschulen geschlossen werden. In Nordrhein-Westfalen sind seit September 2003 über 1400 offene Ganztagsschulen im Primarbereich entstanden, die Unterricht und verlässliche Betreuung für mehr als 71.000 Grundschüler zwischen 8.00 und 16.00 Uhr gewährleisten. Nach NRW fließen 914 Millionen Euro der Bundesgelder aus dem Investitionsprogramm. Bis 2007 will das Land damit 200.000 Ganztagsplätze schaffen und ein Viertel aller Grundschüler in einem "ganztägig geöffneten Haus des Lernens" unterbringen. Die ehemalige SPD-Landesregierung hatte gleichzeitig angekündigt, ab 2007/2008 jährlich 160 Millionen Euro an Landesmitteln in die offenen Ganztagsgrundschulen zu investieren, während die Kommunen 80 Millionen beisteuern wollten.

Der neue nordrhein-westfälische Generationenminister Laschet (CDU) hat die Entscheidung der vorherigen SPD-Landesregierung, die Landesmittel für die Horte ab 2007 zu streichen, allerdings zurückgenommen. Die Landesmittel für die Horte sollen nun erst in die offene Ganztagsgrundschule fließen, wenn dort die notwendige Qualitätssteigerung erreicht ist. 2.200 Hortplätze sind bereits aufgelöst und in der offenen Ganztagsgrundschule aufgegangen. Die verbleibenden rund 28.000 Hortplätze werden vorerst weiter gefördert. Die Landesregierung strebt an, für Kinder mit besonderem Förderbedarf das Hortangebot aufrechtzuerhalten.

Thüringen: Horte werden den Kommunen übertragen
In Thüringen ist der Hort nicht den Kindertagesstätten angegliedert, sondern schon lange fester, integrativer Bestandteil der Grundschulen. Die Sachkosten trugen bisher die Städte und Gemeinden, die Gehaltskosten übernahm das Land. Die Landesregierung unterstellt das Personal jetzt in die Trägerschaft der Kommunen. "Die Hortbetreuung bleibt fester Bestandteil der Grundschule", versichert Prof. Dr. Jens Goebel, Kultusminister von Thüringen. Ob der Hort dann aber in der Nähe der Schule bleibt oder nicht, entscheidet die jeweilige Kommune selbst. "Für die Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder und Jugendlichen sind die Familien, die Kommunen und das Land gemeinsam verantwortlich. Freie Träger ergänzen und bereichern schon heute das Angebotsspektrum. Diese Verantwortungsgemeinschaft soll fortentwickelt und gestärkt werden. Durch die stärkere Anbindung an die Kommunen werden Wege für Abstimmungen und Entscheidungen deutlich kürzer. So entstehen Synergien, die eine noch besser an den Kindern und Jugendlichen orientierte Betreuung sichern", bestätigt Goebel.

Brandenburg: Enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Hort
Brandenburg strebt eine enge Kooperation von Schule und Jugendhilfe als Träger der Horte an. Das Ganztagsangebot an Grundschulen wird durch eine Verknüpfung verlässlicher Halbtagsschulen mit anliegenden oder nahe gelegenen Horteinrichtungen sowie weiteren ergänzenden Angeboten realisiert. Die verlässliche Halbtagsschule, erstmals in Hamburg eingeführt, bietet Eltern kostenfrei eine gesicherte Betreuung ihrer Kinder im Zeitraum von 7.30 bis 13.30 Uhr an. Die Teilnahme an allen Angeboten der verlässlichen Halbtagsschule in gebundener Form ist für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich. Der Hort wird dadurch in den Morgenstunden entlastet. Die Kernaufgabe des Horts bezieht sich dann auf die zurückgehenden Zeiten vor 7.30 Uhr ("Frühhort") und auf den Nachmittagsbetrieb ab 13.30 Uhr. Nur an den Standorten, die eine unmittelbare Kooperation zulassen und die für die Kinder ein Gesamtangebot bieten, wird dieses Modell umgesetzt. Die Landesregierung sieht vor, freiwerdende Ressourcen der Horterzieherinnen und -erzieher für eine qualitative und quantitative Stärkung des Ganztagsangebots zu nutzen. Hortkräfte können in der Grundschule nach 13.30 Uhr unterrichtsergänzende Angebote, Arbeitsgemeinschaften oder offene Freizeitangebote für die Kinder machen, die nicht im Hort angemeldet sind. Räumlich sind diese Angebote als Teil des ganztäglichen schulischen Angebots in der Schule möglich, aber auch außerhalb der Schule, z.B. im Gebäude des Hortes. Die Kooperationsvereinbarung soll festlegen, in welchen Formen Hort- und Lehrkräfte zusammenarbeiten. Dafür ist es sinnvoll, Vertreter des Hortes an schulischen Mitwirkungsgremien zu beteiligen, betont die Landesregierung.

Ganztägige Betreuung und Bildung der Kinder ist wichtig
Eine sich verändernde Gesellschaft fragt nach neuen Lösungen. Die zunehmende Berufstätigkeit beider Elternteile und die vielen Alleinerziehenden erfordern eine verlässliche Betreuung der Kinder teilweise bis in den Abend hinein. Zudem hat PISA die Notwendigkeit gezeigt, die Rahmenbedingungen für die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern entscheidend zu verbessern und die so genannten Risikogruppen zu reduzieren. Der Ausbau der Ganztagsschulen ist ein notwendiges Ergebnis dieser Erkenntnisse und Prozesse. Im Zeitraum von 2003 bis 2005 wurde in Deutschland aus Bundesmitteln der Ausbau von 4905 Ganztagsschulen gefördert. Hort und Ganztagsschule sollen sich bei der Weiterentwicklung der ganztägigen Betreuung und Bildungsangebote nicht im Wege stehen. Denn, wie immer die Landesregierungen mit den Schul- und Jugendhilfeträgern die Frage der Zuständigkeiten und Strukturen lösen, sie verfolgen dasselbe Ziel: Kinder und Jugendliche am Nachmittag vernünftig zu betreuen und ihnen Bildungschancen zu eröffnen. Und dieses Ziel sollte nicht aus den Augen verloren werden.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 21.11.2005
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