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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 08.03.2001:

"Wir wollen Wirtschaft ja nicht als Traumberuf verkaufen"

Unternehmensberatung Boston Consulting Group gibt Schulen Nachhilfe in Wirtschaft
Das Bild zum Artikel
Michael Brockhaus, Manager

 

Forum Bildung: Unternehmensberatungen wie die Boston Consulting Group gelten ja allgemein nicht gerade als Firmen, die mit Samthandschuhen zu Werke gehen, sondern eher als knallharte Rechner. Woher kommt denn das Engagement für die Schule?


Brockhaus: Das Engagement für die Schule kommt einerseits sehr stark aus dem persönlichen Bedürfnis unserer Mitarbeiter, sich sozial zu engagieren und so der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Andererseits sind diese sogenannten Pro-Bono-Aktivitäten in der amerikanischen Tradition unseres Unternehmens tief verwurzelt - in den USA ist dieses Engagement viel selbstverständlicher als in Deutschland. Der Fokus auf Wirtschaft resultiert aus der Erkenntnis, dass in der Schule erhebliche Lücken klaffen, was das Wirtschaftsverständnis betrifft. Als Kenner der Wirtschaftsszene können wir viel dazu beitragen, Schülern das nötige praxisorientierte Wissen zu vermitteln.

Forum Bildung: Sind Schulinitiativen der Wirtschaft nicht einseitig und unkritisch ausgerichtet?

Brockhaus: Nein, denn wir wollen Wirtschaft ja nicht als Traumberuf verkaufen. Wir wollen Schüler befähigen, fundierte Entscheidungen zu treffen - und dazu müssen sie erst mal den Sachverhalt kennen lernen. Und wenn sie nach einem Jahr sagen, Wirtschaft ist zwar schön, aber auch schrecklich langweilig, dann ist das ein enormer Lernfortschritt. Auf dieser Basis können viel realistischere Ausbildungsentscheidungen getroffen werden.

Forum Bildung: Sie sind mit business@school ja direkt vor Ort. Wie sehen die Defizite in der Schule konkret aus und was müsste die Schule vermitteln, damit die Schüler fit für die neue Arbeitswelt werden?


Brockhaus: Das sind Defizite im rein fachlichen Bereich - wie funktionieren zum Beispiel die Zusammenhänge zwischen Staat und Wirtschaft und wie funktioniert ein Unternehmen. Viele Fähigkeiten, die heute sehr wichtig sind, werden in der Schule kaum vermittelt: Zum Beispiel projektbezogenes Arbeiten und Teamarbeit. Lehrer müssen in die Teams integriert werden und weg vom Frontalunterricht. Auch themenübergreifende Fähigkeiten wie Präsentationstechniken und Recherche müssen unbedingt gelernt werden.

Forum Bildung: Das heißt doch, dass wir uns das Lernen des Lernens aneignen müssen?

Brockhaus: Ja, die heutige Arbeitswelt ist sehr viel flexibler, kurzfristiger und in immer stärkeren Maße themenspezifisch. Der Mitarbeiter muss in der Lage sein, sich sehr schnell in neue Themenkomplexe einzuarbeiten, sich im Team zurechtfinden und seinen Beitrag zum Ganzen zu leisten. Das trifft sowohl für die Unternehmen der New Economy als auch für die der Old Economy zu.

Forum Bildung: Wie stehts mit dem klassischen Wissen. Welchen Stellenwert hat es heute noch?

Brockhaus: Ich will kein Schwarz-Weiß-Bild zeichnen. Schule muss einfach eine gute Mixtur finden zwischen der klassischen Wissensvermittlung und einer autonomen Projektarbeit, bei der man viel mehr lernt als chronologische Daten auswendig zu lernen. Lehrern kann man da aber keinen Vorwurf machen, denn ihre Ausbildung ist einfach nicht auf die neuen Anforderungen ausgerichtet. Da muss sich natürlich auch was tun.

Forum Bildung:
business@school und andere Initiativen sind aber ja nun keine flächendeckende Maßnahme. Was kann die Schule konkret tun?

Brockhaus
: Initiativen wie business@school sollen Initialzündungen und Impulsgeber sein. Aus diesem Grund haben wir zusammen mit der Bertelsmann Stiftung den Netzworkshop.de eingerichtet um die Initiativen zu bündeln, Informationen auszutauschen und eine Plattform zu schaffen. In den Schulen selbst müssen die Lehrer fortgebildet werden um diesen Unterricht vermitteln zu können und es müssen Freiräume für die Projekte geschaffen werden. Man darf den Aufwand für solch ein Projekt nicht unterschätzen: Schüler und Lehrer müssen pro Woche 4 bis5 Stunden aufbringen. Also hat es schon den Umfang eines Schulfaches.

Forum Bildung: Dann brauchen wir kein eigenes Schulfach Wirtschaft, wie es die Arbeitgeber fordern?

Brockhaus: Ich glaube nicht, dass wir unbedingt ein eigenes Schulfach brauchen, um Wirtschaft in der Schule abzubilden. Es müssen aber Freiräume geschaffen werden, dann können wirtschaftliche Inhalte auch innerhalb von Themen- oder Projektgruppen umgesetzt werden.

Forum Bildung: Glauben Sie, dass die Schulen die neuen Herausforderungen meistern werden?

Brockhaus: Ja, da bin ich zuversichtlich. Es wird künftig eine Grundausbildung geben, für welche die Schule prädestiniert ist. Dort wird es eben auch mehr um das Lernen des Lernens gehen als um das bloße Auswendiglernen von Fakten. Man erarbeitet sich einen Werkzeugkasten, mit dem man alle Themen bearbeiten kann. Online-Lernen wird wichtiger werden, aber den persönlichen Unterricht nicht ersetzen. Die Bildungsinstitutionen müssen und werden es schaffen, die reelle und die virtuelle Welt mit all ihren Stärken zu verknüpfen.

Forum Bildung: Sie sind 1998 mit business@school gestartet. Haben sich ihre Einschätzungen zur Schule aus heutiger Sicht bestätigt oder gab es etwas, das Sie nicht erwartet haben?

Brockhaus: Defizite sind damals richtig erkannt worden. Das Problem ist nach wie vor, dass das Thema Wirtschaft in Schulen unterrepräsentiert ist - vor allem ohne Praxisbezug. Positiv überrascht hat mich das Potenzial der Schüler und Lehrer, die motiviert und voller Energie an den Projekten arbeiten. Da verbringen Schüler das ganze Wochenende mit der Vorbereitung einer Präsentation - was sie wahrscheinlich für eine Mathearbeit nicht machen würden. Die Freude von Schülern, Lehrer und auch unserer Mitarbeiter bestätigt uns. Denn auch unsere Mitarbeiter machen business@school zusätzlich zu ihrer normalen beruflichen Tätigkeit. business@school ist kein soziales Engagement, das von oben gepredigt wird, sondern eine "Revolution von unten", die vom Unternehmen gelebt wird.


Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 08.03.2001
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