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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 04.07.2005:

"Auf dem Weg in die Selbstständigkeit"

20 Schulen in Mecklenburg-Vorpommern erproben das eigenverantwortliche Handeln

Letzten Endes hängt alles mit PISA zusammen. Nach dem schwachen Abschneiden der deutschen Jugendlichen in der internationalen Vergleichstudie hat man in Deutschland, insbesondere in den Bildungsministerien, den Blick zu seinen Nachbarn und nach Übersee gewagt. Und was man gesehen hat, gefiel. Die Schulen in Ländern wie Finnland, Schweden oder Kanada, die bei der Studie erfolgreich abgeschnitten haben, sind bedeutend selbstständiger als in Deutschland. Sie zeichnen sich durch größere Mitwirkungsmöglichkeiten und weniger Abhängigkeit von staatlicher Bürokratie aus und erzielen so ein zufriedeneres Klima und bessere Leistungen. Seitdem erproben immer mehr Bundesländer in Deutschland die Selbstständigkeit von Schulen. Nach Projekten wie "Modus 21" in Bayern und "Selbstständige Schulen in NRW", die seit dem Jahr 2002 laufen, hat auch Mecklenburg-Vorpommern mit dem Schuljahr 2004/2005 den Weg in die Selbstständigkeit gewagt.

Größere Eigenverantwortung für Schulen
Mit dem Modellvorhaben "Mehr Selbstständigkeit für Schulen" wurde in Mecklenburg-Vorpommern 20 Schulen bis zum Ende des Schuljahres 2006/2007 ein Mehr an eigenverantwortlichem Handeln übertragen. Das Projekt ist sowohl für die Modellschulen als auch für das Bildungsministerium ein Versuch, neue Wege der Schulgestaltung und Schulverwaltung zu beschreiten. Das wichtigste Ziel des Vorhabens ist die nachhaltige Verbesserung der Unterrichtsqualität. Den Schülern soll der Erwerb von Kompetenzen ermöglicht werden, "die sie zu exemplarischem und vernetztem Denken sowie zu eigenverantwortlichem Lernen befähigen", so das Bildungsministerium. Es soll eine Schulkultur der Eigenverantwortung, der Partizipation und des Vertrauens entstehen, in die alle - Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Erziehungsberechtigte - gleichwertig einbezogen werden.

Vorstellungen im demokratischen Miteinander entwickeln
Genauer gesagt, heißt das für die Schulen, dass sie in insgesamt vier Bereichen eigenständig tätig werden. In der Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung, in der Mittelbewirtschaftung, im Personalmanagement und im Aufbau inner- und außerschulischer Partnerschaften. Diese personellen und sächlichen Freiräume sollen den Schulleitungen bessere Voraussetzungen für effektive und bedarfsgerechte Entscheidungen vor Ort sowie für die Verwaltung und Gestaltung ihrer Schule schaffen. Wichtig für den Erfolg des Projektes ist, dass die Schulleitung gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern Zielvorstellungen entwickelt, damit sie auf ein stabiles, kooperationsfähiges Kollegium bauen kann, das sich in den wesentlichsten Grundfragen mit der Schule identifiziert.

Flexiblere Gestaltung des Unterrichts
Das Kernstück des Modellvorhabens ist die Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung. Jeder Schüler und jede Schülerin soll nach besten Möglichkeiten gefördert und gefordert werden. Die Organisation des Unterrichts unterliegt in Mecklenburg-Vorpommern der Stundentafelverordnung. In diesem Rahmen besteht für die an dem Modellvorhaben teilhabenden Schulen die Möglichkeit, die Stundentafel zeitlich variabel zu gestalten und dadurch den Schulalltag organisatorisch zu flexibilisieren und lern- bzw. entwicklungspsychologisch sinnvoller zu rhythmisieren. Stunden und Fächer können beispielsweise neu variiert, der 45-Minutentakt aufgehoben, Blockzeiten, Pausen, Projekte und Werkstatt-Unterricht bedingungsabhängig vereinbart werden. Weitere Möglichkeiten sind die Zusammensetzung von Lerngruppen in jahrgangsgemischte Gruppen, Lerngruppen nach Leistung, Geschlecht u.a.

Für die Unterrichtsgestaltung erarbeitet die Schule einen schulinternen Lehrplan, der die Vorgaben, die von den Bildungsstandards und den Rahmenrichtlinien ausgehen, berücksichtigt. Besondere Bedeutung gewinnt mit Blick auf das eigenverantwortliche Lernen der Schüler nach Ansicht der Lenkungsgruppe des Bildungsministeriums, die das Projekt betreut, das Anknüpfen an die individuellen Lernvoraussetzungen, das konstruktive Nutzen von Fehlern, das Stärken der Selbsttätigkeit, das binnendifferenzierte Gestalten des Unterrichts und das Entwickeln und Nutzen problemorientierter Aufgaben, die unterschiedliche Lösungswege zulassen. Empfohlen wird eine Abkehr von der Stofforientierung des Unterrichts hin zu einer Stärkung des erzieherischen Moments: Jedes Fach kann dazu beitragen, die Schüler in ihrer Selbst- und Sozialkompetenz zu unterstützen. Bei Bedarf erhalten die Schulen in ihrer zum Teil neuen Tätigkeit Unterstützung und Beratung von pädagogischen Fortbildungsinstituten.

Eigenständige Verteilung der Mittel
Ein zweiter wichtiger Baustein des Modellvorhabens ist die selbstständige Mittelbewirtschaftung. Den Schulen steht zwar kein größeres Budget zur Verfügung, aber durch die Möglichkeit der eigenständigen Verteilung können für besondere Aufgaben - durch die Deckung in anderen Bereichen - Mittel frei gemacht werden. Die Schule entscheidet, wo sie Prioritäten setzt und an welcher Stelle sie Einsparungen in entsprechender Höhe vornimmt. Entscheidungen mit finanziellen Auswirkungen können auf diese Weise praxisnah, flexibel und mit hoher Effizienz getroffen werden.

Personalentscheidungen treffen
Auch im Personalmanagement sieht das Projekt eine Erweiterung des Aufgabenfeldes der Schulleiter und Schulleiterinnen vor. Darunter fallen Maßnahmen, die der Qualifizierung des Schulpersonals, der besseren Gestaltung des Arbeitsplatzes Schule und auch der schulbezogenen Personalbewirtschaftung dienen. Schulen sollen auf diese Weise ihren eigenen personellen Entwicklungsbedarf mit Blick auf die im Schulprogramm selbst gesteckten Ziele bestimmen und dessen Realisierung wesentlich voranbringen können. Zum Bereich der Personalbewirtschaftung gehören die Festlegung des Stundenumfangs für die einzelne Lehrkraft, die Realisierung der Unterrichtsvertretung, die Entscheidung über die Einstellung von Lehrkräften und die Änderung von Beschäftigungsverhältnissen. Durch das selbstständige Handeln in diesen Bereichen soll schulische Arbeit kontinuierlicher und stabiler organisiert werden können.

Zusammenarbeit mit Partnern ausbauen
Partnerschaften erzeugen nach Ansicht der Lenkungsgruppe einen "breiten gesellschaftlichen Konsens im Umfeld der Schule". Der Gestaltung der inner- und außerschulischen Partnerschaften wird deshalb gerade im Hinblick auf die Selbstständigkeit von Schule in Mecklenburg-Vorpommern große Bedeutung beigemessen. Dazu gehört sowohl die Zusammenarbeit mit Beratern für Schul- und Unterrichtsentwicklung, das produktive Zusammenwirken von Lehrern, Eltern und Schülern in den Mitwirkungsgremien als auch die Pflege von Partnerschaften mit Schulen im In- und Ausland sowie mit nicht schulischen Einrichtungen und Institutionen wie Vereinen, Verbänden, Unternehmen und Kirchen.

Fortbildungsmaßnahmen
In dem Modellvorhaben "Mehr Selbstständigkeit für Schulen" nimmt die Schulleitung eine zentrale Stellung ein. Ihr werden viele neue Aufgaben übertragen, die sie von nun an selbstständig erledigen kann. Für die Wahrnehmung dieser Aufgaben erhält sie im Rahmen des Projektes eine umfassende Qualifizierung. Die Vereinigung der Unternehmerverbände für Mecklenburg-Vorpommern e.V. und der Arbeitgeberverband NORDMETALL e.V. unterstützen das Modellvorhaben mit einem dreijährigen Weiterbildungsprogramm für die Schulleiter der Modellschulen. Dieses Weiterbildungsprogramm wird in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Schule und Ausbildung (L.I.S.A) durchgeführt. Bei Bedarf erhalten die Schulleitungen auch Einzel- und Teamcoaching. Bestandteil der Schulleitungsfortbildung ist weiterhin ein einwöchiges Führungspraktikum in Betrieben der Region.

Evaluation und Beratung
Betreut, koordiniert und ausgewertet wird das Projekt von einer zentralen Lenkungsgruppe des Bildungsministeriums. Sie unterstützt die Vernetzung der am Modellvorhaben beteiligten Schulen und sorgt dafür, dass deren Erfahrungen nach Möglichkeit auch schon während der Laufzeit des Modellvorhabens verallgemeinert und dokumentiert werden. Die Schulen sind verpflichtet, regelmäßig interne Evaluationsmaßnahmen vorzunehmen. Um die Effizienz des Modellvorhabens zu untersuchen, wird zum Abschluss eine externe Evaluation durchgeführt, die ebenfalls von der Lenkungsgruppe organisiert wird. Die Evaluation im Arbeitsfeld Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung besitzt dabei eine besondere Bedeutung für die Beurteilung des gesamten Modellvorhabens.

Schulgesetznovelle verabschiedet
Auch wenn das Projekt "Mehr Selbstständigkeit an Schulen" erst seit einem Jahr an den 20 Modell-Schulen in Mecklenburg-Vorpommern läuft und erste Ergebnisse vom Bildungsministerium gerade ausgewertet werden, meint es das Land ernst mit seinem Vorhaben. So wurde letzte Woche eine Schulgesetznovelle verabschiedet, die die Selbstständigkeit von allen Schulen des Landes in den Bereichen Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung, Mittelbewirtschaftung, im Personalmanagement und im Aufbau der Partnerschaften stärken soll. Das Gesetz tritt mit dem Schuljahr 2006/2007 in Kraft. Ein Grund mehr, die Modellschulen im Auge zu behalten und von ihren Erfahrungen zu profitieren.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 04.07.2005
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