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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 18.10.2004:

Einzelkämpfer mit Genuss

Eine Stiftung als Ein-Mann-Betrieb - die Helmut-Behn-Stiftung
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Foto: A. Dück

"Man muss gleich die richtige Schule finden, sonst ist die ganze Idee im Eimer", erklärt Andreas Behn. Der Kölner Rundfunk-Redakteur, Mitte fünfzig, weiß genau, wovon er spricht. Er ist seit drei Jahren Stifter. Hinter dem klangvollen Namen der Helmut-Behn-Stiftung verbirgt sich kein Apparat an Mitarbeitern in Großraumbüros, sondern nur er allein. "Ja, ich bin ein Einzelkämpfer", sagt Andreas Behn, denkt nach und fügt nachdrücklich hinzu "aber mit großem Genuss". Kein Wunder, denn nach drei Jahren Stifterdasein mit Höhen und Tiefen steht nun sein erstes richtig großes Projekt "Klassenstreicher" in den Startlöchern: Schülerinnen und Schüler einer Grundschule in Köln bekommen ab November klassischen Musikunterricht. Für diese Idee konnte er die Hochschule für Musik Köln als  Kooperationspartner gewinnen. Der Rektor der Hochschule stellt für das Projekt qualifizierte Pädagoginnen zur Verfügung und Studierende spielen klassische Musik mit und für die Schulklassen einer Kölner Grundschule. Die Instrumente, alles in allem 120 Bratschen, Geigen und Celli, sind komplett von der Helmut-Behn-Stiftung finanziert. "Sie fragen sich jetzt wahrscheinlich, warum ich Grundschülern so teure Instrumente kaufe?" Zeit zum Nachdenken bleibt kaum, die Antwort kommt prompt: "Erst wollte ich auch billige Instrumente kaufen, aber die Projektleiterin hat mich überzeugt, es nicht zu tun. Wenn sich die Instrumente nicht gut anhören, haben die Kinder keine Lust, legen die Instrumente in die Ecke und es wird sehr schwer, sie wieder für Musik zu begeistern." Und klassische Musik hält Andreas Behn für sehr wichtig. Er verweist auf Studien, die belegen, dass Musikunterricht das soziale Verhalten und die Konzentration verbessert.

Stifter aus Dankbarkeit
Warum wird jemand Stifter? "Dankbarkeit" lautet die Antwort. "Meine Bildung kann mir keiner nehmen, und dafür bin ich dankbar", erklärt der Journalist. Er war wahrlich kein guter Schüler früher, aber sein Vater, der Unternehmer Helmut Behn, dem  der Begriff Reformpädagogik fremd war, wollte, dass sein Sohn Abitur macht und schickte ihn auf eine Privatschule. Zufällig war es eine Waldorfschule. Andreas Behn genoss damals auch ohne PISA-Schock eine individuelle Förderung und machte dort mit Erfolg sein Abitur. "Nicht jeder wie ich bekommt die Chance auf eine Privatschule zu gehen, aber man kann versuchen, das öffentliche Schulsystem zu verbessern. Und das versuche ich."

Andreas Behn und seine Frau haben keine Kinder, er hat von seinem Vater geerbt und will aus sozialer Verantwortung etwas für die Gesellschaft tun, genauer gesagt für die Bildung junger Menschen. Bei diesen Voraussetzungen musste er schon fast über die Stiftungsidee stolpern. Er kann nicht verstehen, dass es nicht viel mehr Menschen von seiner Sorte gibt. Nicht; weil er sich selber auf die Schulter klopfen wolle, sondern weil es da draußen so viel Leute der so genannten Erbengeneration gebe, die wie er geerbt aber keine rechte Vorstellung hätten, was sie mit  Geld anfangen sollen.

Auch mit kleinen Schritten zum Ziel
Der Stifter in spe hatte schon vor der Gründung exakte Vorstellungen, was er wollte und was nicht: Er will nicht mit Anfragen für Stipendien überhäuft werden, sondern  selbst bestimmen und aussuchen, was er fördert und was nicht. Andreas Behn  wünscht sich, dass nach seinem Tod der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft die Helmut-Behn-Stiftung übernimmt. Aber bis dahin hat er das Steuer fest in der Hand. Natürlich ist er sich darüber im Klaren, dass seine Arbeit höchstens einen kleinen Kratzer an der verkrusteten Schale des Bildungssystems hinterlassen wird, aber das ficht ihn nicht an. Nach der Devise "Steter Tropfen höhlt den Stein" hat er sich im ersten Jahr der Stiftung euphorisch seiner neuen Aufgabe gewidmet. Und auch seine ersten Erfahrungen, die wahrlich nicht als Motivationsschub dienen konnten, brachten ihn nicht aus dem Tritt. Kaum als Stiftung eingetragen, schrieb er im Jahr 2001 zwölf Gymnasien in Köln an, ihm musische Projekte zu unterbreiten, wie sie Bildung vermitteln wollten.
Als Unterstützung winkten immerhin 15.000 Euro. Von den zwölf Schulen haben nur vier geantwortet. Und eine davon machte den innovativen Vorschlag, der Stifter könne mit dem Geld doch den Schulhof reparieren lassen. "Wut schafft bei mir Mut", sagt Andreas Behn, rührt in seinem Kaffee und lächelt. Außerdem habe man ihm von Anfang an gesagt, dass er mit der unmittelbaren Förderung an Schulen einen sehr steinigen Acker gewählt habe. Er hat dann doch Schulen gefunden, die mit ihm an einem Strang ziehen wollten. Darunter auch eine Schule in Ostdeutschland, der beim Elbhochwasser der Proberaum samt aller Instrumente und Noten abgesoffen war. Das war aber eine Ausnahme. Eigentlich ist Köln sein Operationsfeld, weil er als Realist weiß, dass es nicht nur darum geht, Papiere zu unterschreiben, sondern sich zu treffen, Schulen und Räume anzuschauen und intensiv mit Menschen zusammenzuarbeiten. Und als kleiner Fisch im Stiftungsbecken kann er sich diesen Aufwand außerhalb seines Wohnortes nicht leisten.

Kleine Stiftungen brauchen die besseren Ideen
Irgendwann im Jahr 2003 war er dann doch unzufrieden. Nur mal hier und da fördern, das war sein Ding nicht. Er wollte Ideen entwickeln, anpacken und Dinge wachsen sehen. Als kleine Stiftung müsse man einfach bessere Ideen haben, damit die Zündung funktioniert und einen Kooperationspartner finden, aber keine große Stiftung, sonst werde man ja nur in die Tasche gesteckt. Die Idee, etwas gegen die katastrophale musische Bildung in Grundschulen zu tun, rumorte schon lange in seinem Kopf. Ein Musikdozent wies ihn darauf hin, dass es aber keine Untersuchungen für Grundschulen im Zusammenhang mit musischer Bildung gebe. Ach, winkt Andreas Behn ab, "was brauch´ ich Untersuchungen, ich will Musik machen." Die Verantwortlichen der Hochschule für Musik waren begeistert und entwickelten praxisnahe Vorgehensweisen für die nächsten 5 Projektjahre. Nach vielen Gesprächen wurde eine Grundschule mit tollem Engagement gefunden und mit Hilfe der am Projekt beteiligten koreanischen Musikerin kaufte er die ersten 36 Instrumente in Seoul. Dort waren sie trotz der Transportkosten preiswerter und besser als hierzulande. Und auch das macht ihm Spaß: Neues kennen zu lernen. Wie zum Beispiel, dass er neuerdings wegen der Geigen und Bratschen zu einem Experten im Transportgeschäft avancierte und einiges über Vakuum-Verpackungen von Musikinstrumenten erzählen könne. Andreas Behn ist jemand, der sich seine Neugierde seit der Schulzeit bewahrt hat und diese Fähigkeit gerne an die kommenden Generationen weitergeben will. Das Projekt "Klassenstreicher" übrigens sollen die Schulen später finanziell allein weiter tragen können, er will und kann nur eine Anschubfinanzierung für dauerhaftes Musizieren geben. Wenn alles klappt, würde für ihn ein Traum in Erfüllung gehen. Genauer gesagt, einer seiner Träume. Denn an seinem Stiftungs-Horizont tauchen schon neue Ideen auf, aber, und Andreas Behn lächelt dabei, "über ungelegte Eier spreche ich nicht". 

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 18.10.2004
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