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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 11.01.2018:

„Im Zentrum des Konzepts steht die Praxis.“

Das Programm JOBLINGE
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: JOBLINGE e.V.

In dem Programm JOBLINGE engagieren sich Wirtschaft, Staat und Privatpersonen gemeinsam dafür, einen nachhaltigen Beitrag gegen Jugendarbeitslosigkeit zu leisten und junge benachteiligte Menschen zwischen 15 und 25 Jahren in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln. Seit 2016 gibt es auch JOBLINGE Kompass, das gezielt junge Geflüchtete dabei unterstützt, sich so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.


Obwohl die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland mit rund sieben Prozent zu den niedrigsten in der Europäischen Union gehört und über 40.000 Lehrstellen nicht besetzt werden, sind mehr als eine halbe Million junger Menschen hierzulande arbeitslos, finden keinen Ausbildungsplatz oder befinden sich in Maßnahmen des sogenannten Übergangssystems zwischen Schule und Beruf. Für diese jungen Menschen wird es auch später schwierig, im Berufsleben Fuß zu fassen: Wer keine berufliche Ausbildung abschließt, hat als Erwachsener ein viermal höheres Risiko langzeitarbeitslos zu werden.

Das JOBLINGE-Programm
In dem Programm JOBLINGE engagieren sich Wirtschaft, Staat und Privatpersonen gemeinsam dafür, einen nachhaltigen Beitrag gegen Jugendarbeitslosigkeit zu leisten und junge Menschen mit schwierigen Startbedingungen in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln. Zielgruppe sind junge Menschen, die aus eigener Kraft keine Ausbildung oder Arbeit finden, zwischen 15 und 25 Jahre alt und als arbeits- oder ausbildungssuchend gemeldet sind. Als Teilnehmer am JOBLINGE-Programm lernen sie, welcher Beruf zu ihnen passt und worauf es beim Bewerben und im Berufsleben ankommt. In Partnerunternehmen sammeln sie praktische Erfahrungen, lernen den Arbeitsalltag kennen und erhalten die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten in der Praxis unter Beweis zu stellen.

Die Organisationsstruktur
Angestoßen wurde das Programm 2007 vom Bayerischen Kultusministerium mit der Frage: „Wie können geringqualifizierte Jugendliche besser in den Arbeitsmarkt integriert werden?“. Die Unternehmensberatung The Boston Consulting Group und die Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG schlossen sich zusammen und wollten gemeinsam herausfinden, warum es trotz zahlreicher Unterstützungsmaßnahmen im Übergangssystem nur wenigen benachteiligten Jugendlichen gelingt, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Sie wollten einen messbaren und nachhaltigen Ansatz entwickeln, der die größtmögliche Wirkung für die Betroffenen erreicht und übertragbar ist.

Herausgekommen ist das Programm JOBLINGE. Den Rahmen für das lokale Engagement bilden gemeinnützige Aktiengesellschaften (gAGs), die gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft und der öffentlichen Hand gegründet werden. Im April 2008 eröffnete als erster Standort die Aktiengesellschaft (gAG) Zwiesel im Bayerischen Wald (später gAG Bayerwald in Deggendorf), anschließend die gAG München. Nachdem der Ansatz sowohl auf dem Land als auch in der Stadt Erfolg hatte und viel Unterstützung fand, bereiteten die Initiatoren den bundesweiten Ausbau vor. Seit 2008 ist die Initiative auf neun gemeinnützige Aktiengesellschaften an bundesweit mehr als 25 Standorten gewachsen, JOBLINGE zu einem mittelständischen Unternehmen mit rund 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geworden, das bisher mehr als 6.000 benachteiligte Jugendliche unterstützen konnte. Um das Konzept in allen Regionen mit Bedarf anbieten zu können und möglichst viele Jugendliche zu erreichen, ist JOBLINGE als Social-Franchise-System organisiert.

Überregional gesteuert wird die Initiative seit 2012 von der JOBLINGE-Dachorganisation (gemeinnütziger JOBLINGE e.V.) mit Sitz in München. Die Dachorganisation setzt als Franchisegeber Standards, treibt die Weiterentwicklung des Konzepts voran und steuert das Wachstum der Initiative. Außerdem übernimmt sie u.a. die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der gAGs, pflegt die Datenbank und die IT-Infrastruktur und führt regelmäßige Trainings zur Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch.

Die Ziele des Programms
Ziel von JOBLINGE ist die höchstmögliche Qualifikation für die Teilnehmer, mit einem schnellen Einstieg in Arbeit und – in einem zweiten Schritt – in eine qualifizierte Berufsausbildung. Als Social Entrepreneur geht JOBLINGE das gesellschaftliche Problem Jugendarbeitslosigkeit auf unternehmerische Weise an. Intendiert ist, den sozialen Gewinn zu „maximieren“ – also möglichst viele junge Menschen nachhaltig in Arbeitsmarkt und Gesellschaft zu integrieren. „JOBLINGE ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass soziale Probleme auch und vor allem durch unternehmerische Initiativen angegangen und gelöst werden können. ... Mit dem höchst effektiven ‘Hilfe zur Selbsthilfe‘-Ansatz, der Organisation als Social-Franchise-Modell und aufgrund ihrer durchgängigen Qualitätsorientierung stellt JOBLINGE eine sehr erfolgreiche soziale Innovation dar, die wegweisend auch für künftige Initiativen sein wird. JOBLINGE ist ein Best-Practice-Beispiel für Social Entrepreneurship“, so Dr. Volker Then, geschäftsführender Direktor, Centrum für soziale Investitionen und Innovationen, Universität Heidelberg.

In dem sechsmonatigen, intensiven Programm erlernen die Jugendlichen zunächst in Gruppenprojekten wichtige Sozial- und Jobkompetenzen, erhalten Orientierung über die eigenen Stärken und passenden Berufe, Trainings für Bewerbungsgespräche, individuelle Berufsorientierung und Praxiserfahrungen in JOBLINGE-Partnerunternehmen. Sie erhalten die Chance, sich ihren Ausbildungsplatz aus eigener Kraft zu „erarbeiten“. „Unsere Arbeit ist erfolgreich, wenn wir die Teilnehmer vor Hürden stellen – und sie nehmen die Hürden, sie ziehen die Sachen durch. Sie fokussieren sich nicht auf Probleme, sondern auf die Lösungen. Erst dann funktioniert es. Wir unterstützen sie, mit dem Ziel der Selbstständigkeit“, so Kadim Tas, der gemeinsam mit Ulrike Garanin den Vorstand der Dachorganisation bildet.

Die Elemente „Praxis von Tag 1 an“ und „1:1-Betreuung“
Im Zentrum des Konzepts steht die Praxis. Die Jugendlichen sind während des gesamten JOBLINGE-Programms praktisch tätig. Bereits in der Aufnahmephase arbeiten die Teilnehmer, die über die lokalen Agenturen für Arbeit oder Jobcenter zu JOBLINGE kommen, mehrere Tage in einem gemeinnützigen Projekt mit. In der Gruppe renovieren sie z. B. Kinderheime, reinigen den Stadtpark oder Tierställe im Zoo. Ziel der sechs- bis achtwöchigen Orientierungsphase ist es, dass die Jugendlichen ein für sie passendes Berufsfeld finden und sich gezielt auf eine Ausbildung für ihren Wunschberuf vorbereiten. Bei der Berufsfindung helfen ihnen die Programm-Mitarbeiter durch intensive Gespräche sowie Schnuppertage in Unternehmen. In unternehmerischen Projekten lernen die Jugendlichen ihre Stärken kennen und erwerben wichtige Schlüsselqualifikationen. Workshops mit professionellen Trainern, Bewerbungs- und Kommunikationstrainings sowie ein begleitendes Kultur- und Sportprogramm unterstützen die Jugendlichen in diesem Prozess und zielen insbesondere auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. In der Praxisphase sammeln sie erste Berufserfahrungen in einem betreuten Qualifizierungspraktikum bei einem JOBLINGE-Partnerunternehmen, anschließend erarbeiten sie sich bei einem Partnerunternehmen ihren Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Die Auswahl des richtigen Unternehmens ist dabei entscheidend für den nachhaltigen Erfolg. Während dieser ganzen Zeit und auch noch nach Beginn einer Ausbildung oder Anstellung werden sie von den JOBLINGE-Mitarbeitern betreut. Zusätzlich erhalten sie individuelle Unterstützung von einem ehrenamtlichen, persönlichen Mentor, der während der gesamten sechs Monate für „seinen Jobling“ da ist und ihn auch in Krisenzeiten darin bestärkt, weiterzumachen. Der Mentor wird in professionellen Trainings auf seine Aufgabe vorbereitet und während des Ehrenamts eng vom Programmträger begleitet.
Knapp 2.000 Partnerunternehmen, rund 1.500 Privatpersonen sowie 50 Institutionen der öffentlichen Hand, insbesondere die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter, engagieren sich in dem Programm und tragen gemeinsam dazu bei, dass die jungen Menschen ihren Weg finden.

JOBLINGE-Projekte
Um die Wirkung für die Jugendlichen und alle Beteiligten noch zu verbessern, entwickelt JOBLINGE das Programm kontinuierlich weiter. Mit dem neuen MINT-Programm (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) beispielsweise will JOBLINGE benachteiligte, langzeitarbeitslose Jugendliche für Berufe in diesem Bereich begeistern und sie in entsprechende Ausbildungen vermitteln. Ziel ist es, den Anteil der in diesen Ausbildungsbereich vermittelten JOBLINGE-Teilnehmer bundesweit auf mehr als 30 Prozent zu erhöhen.

Mit JOBLINGE Kompass unterstützt die Initiative außerdem seit 2016 gezielt junge Geflüchtete zwischen 18 und 25 Jahren dabei, sich so bald wie möglich nach ihrer Ankunft in Deutschland zu qualifizieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Fokus stehen Teilnehmer mit niedriger bis mittlerer Qualifikation und bereits bestehender Aufenthaltserlaubnis oder hoher Bleibewahrscheinlichkeit. JOBLINGE Kompass baut auf den Elementen des regulären Programms auf, ist aber aufgrund der nötigen zusätzlichen Sprachqualifizierung auf einen Zeitraum von 12 bis 18 Monaten angelegt.

Auszeichnungen und Preise
Für sein wirksames Konzept und seine Nachhaltigkeit – die Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt liegt bei 70 Prozent, die Nachhaltigkeitsquote, gemessen sechs Monate nach Ausbildungsbeginn, bei 80 Prozent – hat JOBLINGE bereits mehrere Auszeichnungen erhalten.  2010 bekam das Programm die Auszeichnung des Wertebündnis Bayern, 2012 war es Preisträger im Land der Ideen als „Ausgewählter Ort 2012“, 2013 wurde es mit dem Fairness-Initiativpreis geehrt, und 2014 ist es von der Deutschlandstiftung Integration mit der „Goldenen Victoria“ als „Integrationsprojekt des Jahres“ ausgezeichnet worden. Von der Bertelsmann Stiftung und der European Business School wurde es zum Beispiel für erfolgreiche soziale Innovationen erklärt. Im April 2017 bekam es das PHINEO Wirkt-Siegel, eine der wichtigsten Auszeichnungen zu Wirksamkeit und Transparenz gemeinnütziger Organisationen in Deutschland.


 


Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 11.01.2018
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