CfA: Wie forschen wir BildungshistorikerInnen? Quellenkritik und andere Methoden in der Historischen Bildungsforschung: Workshop und Nachwuchsberatung 15. - 16. Juni 2017
15.06.2017 - 16.06.2017
Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, Warschauer Straße 36, 10243 Berlin
Berlin
Berlin
Deutschland
michaela.vogt@uni-wuerzburg.de
Die Arbeit der Bildungshistorikerinnen basiert vor allem auf Quellenarbeit, auf einem kritischen Umgang mit ganz verschiedenen Quellen, mit Texten, Bildern und Dingen aller Art, die Überreste der Vergangenheit darstellen. Bei diesen Quellen handelt es sich nicht um „Daten“ empirischer Forschung, wie sie in Projekten etwa der Sozialwissenschaften im Laufe eines Forschungsprozesses selbst unter Beachtung methodischer Überlegungen und Vorgaben produziert werden. Stattdessen bilden sie die Grundlage dafür, in bildungshistorischer Perspektive Phänomene, Diskurse, Praktiken, Institutionen und Prozesse im Feld von Sozialisation, Erziehung und Bildung zu beschreiben und zu erklären – solche Phänomene also, die sich als historisch spezifische „gesellschaftliche Reaktionen auf die Entwicklungstatsache“ (Siegfried Bernfeld) deuten und die sich als historische Ausprägung der „Entwicklungstatsache“ selbst erkennen lassen.
Vor dem Hintergrund der zunehmend differenzierteren Methodennutzung in der Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung wird in bildungshistorischen Studien für die Analyse und Interpretation von Texten und Bildern gehäuft auf erprobte und elaborierte Methoden – vor allem aus den Sozialwissenschaften – zurückgegriffen. Da die Anwendung derartiger Methoden aber oft aufwändig ist und zu Verschiebungen in der Perspektive oder gar der Forschungsfrage führen kann, wird zunehmend darüber diskutiert, ob man als Bildungshistorikerinnen solche ausgefeilten Methoden aus anderen disziplinären ‚Feldern’ überhaupt brauche oder ob nicht die „Quellenkritik“ die entscheidende – und damit auch ausreichende – Methode der Historikerinnen sei, mit der genau die notwendige historische Arbeit, die „Kontextuierung“ der Überreste, geleistet werden könne. Gleichzeitig wird mit diesen Hinweisen oftmals jedoch kein einziges, sich praktisch im Umgang mit den Quellen ergebendes Problem gelöst – z.B. im Umgang mit großen Quellenbeständen bzw. einem großen Korpus an Texten und Bildern und seriellen Quellen.
Ausgehend von diesem Problemaufriss will die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Kooperation mit der Sektion Historische Bildungsforschung einen Nachwuchs- Workshop anbieten. Hier sollen im Anschluss an Überlegungen von Heinz-Elmar Tenorth zur Tätigkeit und Profession des Historikers, die er zu Beginn des Workshops vortragen wird, Fragen der Quellenarbeit und der Quellenkritik nicht theoretisch, sondern konkret, anhand von Dissertations- und kleineren Forschungsprojekten, bearbeitet und diskutiert werden. Wir wollen daher junge Forschende einladen, in diesem Workshop ihr eigenes Projekt vorzustellen und anstehende Fragen des beschreibenden, interpretierenden und analysierenden Umganges mit unterschiedlichen Quellen aus bestehenden Forschungsarbeiten, bevorzugt aus Dissertationsprojekten, gemeinsam mit Expertinnen (Rebekka Horlacher, Universität Zürich/Zentrum für Schulgeschichte PH Zürich; Alexander Kraus, Institut für Zeitgeschichte/Stadtarchiv Wolfsburg; Ulrike Mietzner, Technische Universität Dortmund; Bettina I. Reimers, Archiv der BBF; Joachim Scholz, Forschungsbereich der BBF; Michaela Vogt, Universität Würzburg) zu diskutieren. Solche Fragen können etwa folgende sein:
- Wie kann ich eine große Menge an Quellen begrenzen? Welche wähle ich aus, um
sie näher zu bearbeiten?
- Wo finde ich weitere wichtige Quellen? Ist mein Projekt mit diesem Bestand an
Quellen überhaupt zu bearbeiten?
- Wie bestimme ich im Einzelnen, was der Kontext meiner Quellen ist?
- Wie gehe ich mit der Masse an Quellen um, also wie bewältige und „verwalte“ ich
die Menge an Quellen?
- Wie verbinde ich mein speziellen Forschungsinteresse und einen adäquaten Umgang
mit meinem Quellenkorpus?
- Wie gehe ich mit Zeitzeugeninterviews um? Wie muss ich die auswerten? Was
heißt „quellenkritischer“ Umgang mit Interviews?
- Wie gehe ich mit Fotographien um? Wie vermeide ich, sie nur als Illustration zu
nutzen, sondern sie in ihrer Eigenart zu verstehen? Was also heißt ein Quellenkritischer
Umgang mit Fotographien?
- Wie bewerte ich quellenkritisch Quellen, die selbst schon – wie es in der zeitgeschichtlichen
Forschung oft der Fall ist – Ergebnisse, „Daten“ aus in früheren Zeiten
durchgeführten Forschungsprojekten oder statistischen Erhebungen sind?
- Wie werde ich in der zeithistorischen Forschung den Ansprüchen an Personenund
Datenschutz gerecht?
- Wie anonymisiere ich bei Arbeiten mit zeithistorischen Nach- und Vorlässen?
Passt das zur historischen Forschung?
- Wie verhalten sich „Quellensprache“ und „Wissenschaftssprache“ zueinander –
wie schreibt man so, dass man den Quellen gerecht wird und dennoch auch eine
interpretatorische oder/und analytische Distanz einnehmen kann?
Bitte bewerben Sie sich mit einem kurzen Exposé bis zum 20.03.2017 bei Sabine Reh und Michaela Vogt (michaela.vogt@uni-wuerzburg.de).Das Exposé sollte sowohl Ihr Forschungsprojekt im Überblick darstellen als auch offene Fragen benennen, deren Klärung während des Quellenworkshops im Vordergrund stehen soll. Um Ihre Fragen eng an Ihrem Quellenkorpus ausführlich diskutieren zu können, sollten diese zumindest ausschnittweise allen Anwesenden während der Veranstaltung verfügbar gemacht werden. Einführend zu dieser intensiven Quellenarbeit ist zudem geplant, dass Sie in einem kurzen Impulsreferat Ihr Projekt in seiner Anlage darstellen sowie Ihre gegenwärtig zentralen Problemstellen erläutern.
Inhaltsbereich der Veranstaltung | Wissenschaft/Bildungsforschung |
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Adressaten | Studierende; Hochschullehrer/innen / Forscher/-innen |
Tagungssprache | Deutsch |
Veranstalter | Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF/Sektion Historische Bildungsforschung in der DGfE |
Zuletzt geändert am | 14.02.2017 |