Suche

Gebärdensprache DGS-Button Leichte Sprache LS-Button
Erweiterte Suche

Ariadne Pfad:

Inhalt

Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 18.04.2013:

„Bildung und Wissen unbeschränkt für alle und überall“

Offene Lehr-, Lern- und Forschungsmaterialien stehen zur freien Nutzung, Bearbeitung und Verbreitung zur Verfügung
Das Bild zum Artikel
OER-Logo der UNESCO
Quelle: UNESCO

„Open Educational Resources“ (OER – auf Deutsch: „Offene Bildungsinhalte“) sind Lehr-, Lern- und Forschungsmaterialien, die öffentlich und unter freien Lizenzen zur freien Nutzung, Bearbeitung und Verbreitung zur Verfügung stehen. Sie können aus unterschiedlichen digitalen Inhalten und Formaten bestehen und umfassen vollständige Kurse, Kursmaterialien, Aufgabensammlungen, Lehrbücher, Videos oder Anwendungsprogramme sowie andere Werkzeuge, Materialien oder Techniken. Sie werden eigens für den Bildungsbereich erstellt oder sind dafür gut geeignet. Idealerweise werden sie unter Verwendung von offenen Standards und Formaten so gestaltet, dass sie einfach wiederzuverwenden sind.

Zur Entstehung von OER
Die Entstehung der „Open Educational Resources“ lässt sich im Kontext der Open-Source- und Open-Content-Bewegungen einordnen. Sie haben alle gemeinsam, dass ihre Endprodukte frei zugänglich und unter wenig restriktiven Lizenzen weiter verwendbar sind. Beschleunigt wurde die Entwicklung von OER insbesondere durch das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Im Jahr 2001 kündigte es mit dem „OpenCourseWare-Projekt“ (OCW) an, sämtliche Vorlesungsunterlagen für jeden frei verfügbar online zu stellen. Zusammen mit der Utah State University und dem dort lehrenden Professor David Wiley setzte sie dies 2002 auch um.

Im Jahr 2002 verwendete erstmals die UNESCO den Begriff „Open Educational Resources” im Tagungsbericht zum „Forum on the Impact of Open Courseware for Higher Education in Developing Countries“. Über das von der UNESCO eingerichtete International Institute of Educational Planning wurde eine Debatte darüber angestoßen, wie OER in der Praxis umgesetzt werden könne.

Führende Rolle bei der Bekanntmachung von OER

Die UNESCO nimmt bei der Schaffung eines internationalen Bewusstseins für OER eine führende Rolle ein. Ihrer Ansicht nach haben die freien Lehr- und Lernmaterialien das Potenzial dazu, eine globale und frei zugängliche Quelle qualitativ hochwertiger Bildungsmedien zu werden, vorausgesetzt die OER-Bewegung wird auf internationaler Staatenebene sowie durch die Unterstützung professioneller Organisationen vorangetrieben. Die UNESCO selbst unterstützt die OER-Bewegung durch die Entwicklung einer eigenen Plattform, über die ausgewählte Publikationen frei zugänglich sind und die es Praktikern wie Lehrern, Lernenden und Bildungsexperten ermöglicht, eigene Inhalte auszutauschen. Die Webseite bietet Fragen und Antworten rund um das Thema OER und verlinkt auf Publikationen und verwandte Webseiten.

Die Cape Town Open Education Declaration

Einen großen Schub erhielt die Verbreitung des Themas mit der Veröffentlichung der „Cape Town Open Education Declaration“ am 22. Januar 2008. Sie entstand als Ergebnis einer Konferenz in Kapstadt im Jahr 2007 zum Thema „Open Sourcing Education“, die von der Shuttleworth Foundation und dem Open Society Institute veranstaltet wurde. Eingeladen waren die 30 größten Unterstützer der Open-Education-Bewegung. Ihr Ziel war es, mit der Deklaration eine gemeinsame Grundsatzerklärung zur OER-Bewegung zu verfassen. Die noch junge „Open Education" Bewegung basiert auf dem Grundprinzip, dass Bildung und Wissen unbeschränkt für alle und überall verfügbar sein soll – gerade dort, wo finanzielle Einschränkungen dies sonst verhindern.

Lehrer, Ausbilder, Professoren, Trainer, Autoren, Schulen, Fachhochschulen, Universitäten, Verlage und Verleger, Gewerkschaften, Autorenverbände, Politiker, Regierungen, Stiftungen und andere in aller Welt sind dazu eingeladen, die Deklaration zu unterzeichnen und sich dadurch zur Unterstützung von drei Strategien zu bekennen: 1) Lehrende und Studierende sollen frei zugängliche Bildungsmaterialien erstellen, benutzen oder verbessern, 2) Autoren und Verleger von Bildungsmaterialien sollen ihre Ressourcen frei zugänglich machen und 3) Regierungen, Verwaltungen, Schulen und Universitäten sollen frei zugängliche Bildungsmaterialien zu einem Thema mit Priorität machen. 2402 Einzelpersonen und 247 Organisationen haben die Erklärung bereits unterzeichnet.

Verlauf in den USA
In den USA fließen schon seit gut zehn Jahren Gelder in die Verbreitung von OER. Ein Großteil der früheren Arbeiten im Bereich der OER wurde von finanzstarken US-Universitäten und Organisationen wie z.B. der Flora Hewlett Foundation finanziert. 2011 fasste die US-Regierung den Entschluss, in den folgenden vier Jahren 2 Mrd. US-Dollar in OER-Projekte zu investieren. Die Zugänglichmachung von Kursunterlagen gehört insbesondere an Spitzenuniversitäten wie MIT und Harvard mittlerweile zu guter universitärer Praxis und wird vermehrt zum Standard im US-Hochschulbereich. Zudem gibt es Portale zum Austausch von frei verfügbaren Lernunterlagen, wie z.B. www.oercommons.org. Auch entstehen neue Lehr- und Lernformen wie umfangreiche, zertifizierte Online-Lernangebote („Massive Online Open Courses“, MOOC). Die kalifornische „Digital Textbook Initiative“ des damaligen Gouverneurs Arnold Schwarzenegger hat im Jahr 2009 dafür gesorgt, dass die Diskussion um OER breitere Kreise zog und bildungspolitische Wirkung zeitigte. Mittelfristig sollen diese digitalen Lehrbücher die gedruckten ablösen.

OER in Deutschland
In Deutschland ist das Interesse an der Initiierung von OER-Initiativen bisher deutlich geringer. Ende Oktober 2011 sorgte das unter dem Begriff „Schultrojaner“ bekannt gewordene Programm für Aufregung. Das Programm sollte Schulrechner auf urheberrechtlich geschützte Werke untersuchen. Grund dafür war ein neuer Vertrag zwischen Rechteinhabern und den 16 Bundesländern. Daraufhin entstand im Netz eine Debatte um OER als Alternative zu den von Schulbuchverlagen zur Verfügung gestellten Unterrichtsmaterialien. Vertieft wurden die Diskussionen auf dem EduCamp 2011 in Bielefeld und bei einer Podiumsdiskussion der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema „Gespräche zur Netzpolitik“.

Auf Einladung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Kultusministerkonferenz (KMK) fand am 8. November 2012 eine Anhörung zu „Open Educational Resources“ (OER) statt. Insgesamt wurden 25 Experten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Verlagsbranche eingeladen und bereits vorab um eine Stellungnahme zu rund 35 Fragen gebeten, die mit der Einladung versandt wurden. Darunter war Leonhard Dobusch, Juniorprofessor am Institut für Management der Freien Universität Berlin und Blogger. Außerdem vor Ort war der Leiter der OECD-Abteilung für Bildungsforschung und Innovation (CERI), Dirk van Damme, der in einem Kurzvortrag das anstehende Forschungsprogramm von CERI für 2013-2014 skizzierte. Untersucht wurden Business Modelle für OER, Fragen zur OER-Pädagogik, zu den staatlichen Aufgaben im Bereich von OER und den langfristigen Einfluss von OER auf das Bildungssystem. Die daran anschließende Debatte startete mit Fragen nach bildungspolitischen Potenzialen, gefolgt von rechtlichen, ökonomischen und technischen Anforderungen an OER. Insgesamt wurde die Anhörung als ein vielversprechender Auftakt für die weitere OER-Debatte in Deutschland angesehen.

Für den Bereich Schule hat das Thema in Deutschland Anfang 2012 durch das Whitepaper „Open Educational Resources (OER) für Schulen in Deutschland" verstärkt Einzug in Fachdebatten gehalten. Im März 2012 haben Mirjam Bretschneider, Jöran Muuß-Merholz und Felix Schaumburg im Auftrag des „Internet & Gesellschaft Co:llaboratory“ eine Bestandsaufnahme erstellt. Im Whitepaper werden grundsätzliche Fragen, wie unterschiedliche Definitionen und verschiedene Verständnisse, vorgestellt und ein Überblick über Akteure, Positionen und Interessen gegeben. Die bestehenden urheberrechtlichen Rahmenbedingungen, die Relevanz von bearbeitbaren Unterrichtsmaterialien in der Schulpraxis und ein Überblick über mögliche Geschäftsmodelle für OER werden dargestellt.

Bereiche der Verbreitung
Lehrer und Professoren in der ganzen Welt haben bereits eine überwältigende Menge von frei zugänglichen Bildungsmaterialien als so genannte „Open Educational Resources“ (OER) im Internet veröffentlicht. Juniorprofessor Leonhard Dobusch geht davon aus, dass auch in Deutschland die Potenziale für OER groß sind, diese aber bisher zu wenig genutzt sind. Er empfiehlt, zunächst die Bekanntheit von OER in Deutschland zu steigern, im Bereich dezentral erstellter OER neue Formen der Qualitätskontrolle zu entwickeln und eine nachhaltige Finanzierung zu klären. Der potenzielle Nutzen von OER sei zwar gerade in Bereichen wie der Schule und der beruflichen Bildung groß, da diese Bereiche aber traditionell stärker reguliert und gleichzeitig von großer organisationaler Dezentralität gekennzeichnet seien, seien hier größere Anstrengungen von Seiten der öffentlichen Träger erforderlich, um die Potenziale von OER zu realisieren.

Dobuschs Ansicht nach zeigen die bisherigen internationalen Erfahrungen, dass OER bislang vor allem im Hochschulbereich von wachsender Bedeutung ist und hier vergleichsweise einfach implementiert werden kann. Auch in der nonformalen und informellen Bildung sowie in der Erwachsenen- und Weiterbildung wurden zuletzt vermehrt Initiativen gestartet. Eine verstärkte Integration der OER im Bereich der internetbasierten Wissensvermittlung sowie der Fernlehre ist zu beobachten. Und auch im Bereich der Social Media ist eine zunehmende Verbreitung von OER zu erkennen. Auf diese Weise erhoffen sich die Autoren einen stärkeren Verbreitungsgrad ihrer Inhalte.





Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 18.04.2013
© Innovationsportal

Ihr Kommentar zu diesem Beitrag. Dieser Beitrag wurde bisher nicht kommentiert.

 Weitere Beiträge nach Innovationsgebieten (Archiv).

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion von Bildung + Innovation erlaubt.

Die Redaktion des Online-Magazins Bildung + Innovation arbeitet journalistisch frei und unabhängig. Die veröffentlichten Beiträge bilden u. a. auch interessante Einzelmeinungen zum Bildungsgeschehen ab; die darin zum Ausdruck gebrachte Meinung entspricht nicht notwendig der Meinung der Redaktion oder des DIPF.

Inhalt auf sozialen Plattformen teilen (nur vorhanden, wenn Javascript eingeschaltet ist)

Teile diese Seite: