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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 14.07.2011:

Schulverweigerer reintegrieren!

Fortsetzung des Programms „Die 2. Chance“
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Bildrechte: "Schulverweigerer - Die 2. Chance"

Mit dem Programm „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ werden Schulverweigerer wieder in das Regelschulsystem integriert. Die „2. Chance“ ist ein Projekt innerhalb der Initiative JUGEND STÄRKEN, mit der das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für eine bessere Jugendpolitik und Integration junger Menschen in Deutschland eintritt.


Rund acht Prozent der Schulabgängerinnen und Schulabgänger eines Jahrgangs verlassen die Schule ohne Abschluss. Davon sind Jungen fast doppelt so oft betroffen wie Mädchen. Bei vielen ist dies die Folge einer bewusst schulverweigernden Haltung. Ohne Schulabschluss aber besteht kaum eine Chance auf einen Ausbildungsplatz. Mit dem Programm „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ will das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Zahl derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, nachhaltig senken. In Koordinierungsstellen sollen sie aufgefangen und wieder ins Regelschulsystem integriert werden.

Hintergründe des Verweigerns
Die Ursachen, die zur Schulverweigerung führen, sind oft vielfältig. Experten sind sich darin einig, dass das Aufwachsen in so genannten „bildungsfernen Familien“ und in schwierigen sozialen und materiellen Lebensverhältnissen die Bildungsbedingungen für junge Menschen extrem beeinträchtigen. Oft sind Eltern mit der Erziehung und Bildung ihrer Kinder überfordert oder schaffen es nicht, eine solide Eltern-Kind-Beziehung aufzubauen. Eine entscheidende Rolle kann aber auch die Clique spielen. Wenn die anderen „blaumachen“, muss ich das schließlich auch – sonst gehöre ich nicht dazu, so die Einstellung. Und aus einmal wird zweimal, dreimal, und irgendwann kommt das Kind oder der Jugendliche im Unterricht gar nicht mehr mit. Oft sind es aber auch einfach schulische Probleme oder Versagensängste, die zur „Null-Bock“-Stimmung führen. Oder eine Mischung aus allem.

Ursachen dafür liegen auch im allgemein bildenden Schulsystem selbst, das es (noch) nicht schafft, die Defizite von Bildungsbenachteiligten adäquat auszugleichen. Ein großer Schritt in diese Richtung sollen die Ganztagsschulen sein, die in allen Bundesländern zusehends ausgebaut werden und in denen man Kindern mit mehr Zeit gerechter begegnen will.

Die Initiative JUGEND STÄRKEN
Das Programm „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ ist Teil der Initiative JUGEND STÄRKEN, mit der das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein deutliches Zeichen für eine bessere Jugendpolitik und Integration junger Menschen in Deutschland setzen möchte. Diese Initiative verknüpft die vier Programme „Schulverweigerung – Die 2. Chance“, die „Kompetenzagenturen“, die „Jugendmigrationsdienste“ und das Modellprogramm „JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region“ an bundesweit mehr als 1.000 Standorten zu einem gut funktionierenden Netzwerk und greift Jugendlichen mit schlechteren Startchancen und jungen Menschen mit Migrationshintergrund unter die Arme, indem es ihnen soziale, schulische und berufliche Begleitung und Hilfestellung gibt.

Reintegration aktiver und passiver Schulverweigerer
Das Programm „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ richtet sich an Jugendliche, die ihren Hauptschulabschluss durch aktive oder passive Schulverweigerung gefährden. Dabei geht es um Jugendliche, die eine Haupt- oder Förderschule oder andere Schulform besuchen, auf der der Erwerb eines Hauptschulabschlusses möglich ist, und die sich maximal am Beginn der letzten Klassenstufe befinden. Aktive Schulverweigerung liegt vor, wenn ein junger Mensch oft und unentschuldigt in der Schule fehlt oder den Unterricht massiv stört und eine Teilnahme verwehrt. Passiv verweigert jemand dann, wenn er zwar im Unterricht anwesend ist, sich aber nicht beteiligt und keinerlei Interesse am Unterrichtsgeschehen zeigt. Oder aber, wenn er der Schule auffällig lange entschuldigt fernbleibt.
Im Rahmen der Reintegrationsarbeit sollen Schülerinnen und Schüler zur Schule zurückfinden und mit neuem Lernwillen den Abschluss anstreben und am besten auch erreichen. „Zum Programm gehört aber natürlich auch zu versuchen, die der Verweigerung zugrunde liegenden sozialen und familiären Probleme der Kinder und Jugendlichen aufzuarbeiten“, so die Zielsetzung des Projekts. Um dies zu erreichen, ist eine intensive Zusammenarbeit mit den Eltern durch Elterntrainings, Elternseminare und anderes vorgesehen.

Zentrales Element sind die Koordinierungsstellen
Die Konzeption des Programms basiert auf der Erkenntnis, dass das mehrdimensionale Problem der Schulverweigerung nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Akteure, also der Schüler, der Schule, der Eltern, der Jugendhilfe und weiterer Partner gelöst werden kann. Als wesentlicher Bestandteil des Gelingens wird vor allem die gute Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule vorausgesetzt.

Als Anlaufstellen für die Kinder und Jugendlichen, aber auch für Eltern, Fachkräfte und Netzwerkpartner sind die so genannten Koordinierungsstellen geschaffen worden. Ihre Anzahl wurde im Verlauf des Programms von 75 auf 192 aufgestockt, um die Hilfsangebote noch flächendeckender anbieten zu können. Außerdem wurde für die Begleitung des Programms die Servicestelle Jugendsozialarbeit als Regiestelle in Berlin eingerichtet.

Umsetzung des Programms vor Ort

Die Koordinierungsstellen, die in der Regel mit mehreren Schulen in der Region zusammenarbeiten und Schüler ab 12 Jahren unterstützen, wenden sich zunächst an Schulen und Einrichtungen der Jugend- und Schulsozialarbeit, um Kontakt mit schulverweigernden Schülerinnen und Schülern aufzunehmen. Ziel ist es, diese Jugendlichen durch Methoden des Fallmanagements in das Schulsystem zurückzuführen und ihre Chancen auf einen Schulabschluss zu verbessern. Dazu wird ein Kompetenzfeststellungsverfahren mit den Jugendlichen durchgeführt und in Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern und in Abstimmung mit den Eltern und der Schule ein individueller Bildungs- und Förderplan erstellt. „Wir koordinieren und begleiten die Umsetzung des Integrationsplanes, bei Bedarf verändern wir auch einzelne Punkte und leiten alle notwendigen Unterstützungsangebote ein“, so eine Koordinatorin. Alle Daten, individuellen Entwicklungen, vereinbarten Integrationspläne und Unterstützungsleistungen werden in einer elektronischen Fallakte der Koordinierungsstelle erfasst und evaluiert. Darüber hinaus finden zum Schluss mit allen Beteiligten noch Gespräche statt, um den Erfolg zu messen. Es zeigt sich, dass die Fallmanager in vielen Fällen durch die enge Zusammenarbeit zu einer zuverlässigen Stütze für die jungen Menschen geworden sind und schon vielen von ihnen geholfen haben, den Weg „zurück“ zu finden.

JUGEND STÄRKEN wird fortgesetzt

War die Initiative JUGEND STÄRKEN ursprünglich bis Ende August 2011 vorgesehen, wird sie aufgrund ihres großen Erfolgs mit insgesamt 80 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds bis Ende 2013 verlängert. Josef Hecken, Staatssekretär des Bundesfamilienministeriums ist von der nachhaltigen Wirkung der Initiative überzeugt. „Sie erfüllt eine unverzichtbare Brückenfunktion gerade für benachteiligte junge Menschen, die eine zweite Chance brauchen“, sagt er. Und so kann man davon ausgehen, dass auch in den kommenden Jahren noch einige Schulverweigerer den Weg zurück zur Schule finden werden und damit auch wieder eine berufliche Perspektive bekommen.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 14.07.2011
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