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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 31.05.2001:

Vermittlung von Kompetenzen mal anders

Jugendliche ohne Schulabschluss in der Berufsvorbereitung - ein Beispiel aus Hamburg
Das Bild zum Artikel
Schüler der G 20 im Bereich Nahrung
Bildrechte: G 20

Ashraf, 17, ist eines von zwei Mädchen, die mit 26 Jungen in der Schultischlerei der G20 sägen, bohren und schleifen. Die Arbeit sei spannend, meint sie, aber nicht nur wegen der handwerklichen Arbeit, sondern weil an realen Aufträgen gearbeitet werde: Sie muss planen, kalkulieren, zeichnen, Material einkaufen, das Möbelstück herstellen und pünktlich ausliefern. Im Schulkonzept heißt das "produktionsorientierter" Unterricht. In allen Bereichen soll ganzheitlich, selbständig und ernsthaft gearbeitet werden - eine Simulation der realen Arbeitswelt.

Die Schüler sollen verstehen, dass es in der Cafeteria nicht ausreicht, das Essen zu kochen oder Brötchen zu backen. Die 120 Mittagessen mit Vor-, Haupt- und Nachspeise müssen eben pünktlich auf dem Tisch stehen, weil es sonst "lange Gesichter gibt", wie Schulleiter Wolfgang Horn erklärt. Die Schüler arbeiten weitgehend selbständig: Sie überweisen die Rechnungen, bestellen die Ware und organisieren den Verkauf. Auch der Lernsalon, eine Art Wellness-Oase in der Schule, unterscheidet sich kaum von einem echten Friseursalon - es gibt Öffnungszeiten, die Kunden müssen Termine vereinbaren und die "Angestellten" überlegen sich Marketing-Strategien, kalkulieren die Preise und entscheiden über die Angebotspalette.


Kooperation mit der Wirtschaft
Doch produktionsorientiert meint nicht nur hausintern. So baut die Schultischlerei Regalsysteme, Bilderrahmen und Tische für andere Schulen, Kirchengemeinden und Vereine. Im Außenprojekt der G20 -Bistro Blonskij- , angesiedelt im Haus der Jugend in Hamburg St. Georg, führen die Jugendlichen selbständig ein kleines Restaurant mit Partyservice.

Unrealistische Selbsteinschätzung
Schüler mit negativer Schulkarriere, fehlender Leistungsbereitschaft und angeknackstem Selbstbewusstsein, eher die Regel als die Ausnahme in der G20, kann man nicht mit einem Korsett von Stundenplan bei der Stange halten. Deshalb steht in der G20 nicht die rein theoretische Wissensvermittlung, sondern die Berufsbildung im Mittelpunkt. Die 230 Schüler müssen mindestens einmal pro Woche für die Theorie die Schulbank drücken. Den Rest der Woche arbeiten sie in ihren Projekten und schauen nur bei Bedarf in die Bücher. Ein Manko vieler G20-Schüler ist ihre "unrealistische Selbsteinschätzung": So kommt es schon vor, dass manche Schüler einen Realschulabschluss wollen, ohne vorher einen ernsthaften Versuch unternommen zu haben, den Hauptschulabschluss zu machen. Oder sie geben als Berufsziel Arzt oder ähnliche Berufswünsche an. Zur Aufgabe der Lehrer gehört auch die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler. Sie müssen das ramponierte Selbstbewusstsein aufpolieren, indem sie den Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich in ihrer Arbeit zu beweisen.

Praktikum als Einstieg in die Berufswelt
Doch was passiert nach einem Jahr der Berufsvorbereitung? Vier bis sechs Schüler pro Klasse/Projekt verlassen die G20 mit einem Zeugnis in der Tasche, das dem Hauptschulabschluss entspricht. Wichtige Stationen für die Schüler auf dem Weg in den Beruf sind die Betriebspraktika, in denen die Jugendlichen auch gern mal in andere Berufszweige schnuppern. Ashraf versuchte es mit dem Einzelhandel und Yusef, ebenfalls aus dem Fachbereich Holz, mit Estrichleger. Manchmal eröffnet sich dann schon während des Praktikums die Chance zur Berufsausbildung. Und wenn nicht, dann machen sich Berufsberater und Lehrer Gedanken über die Berufskarriere ihrer Schützlinge. Die stellvertretende Schulleiterin Dorothee Stolzenburg: "Wir wissen von vielen Schülern, was sie am Ende des Schuljahres machen wollen." Einschränkend fügt sie hinzu, "dass es natürlich immer einige gibt, die einem wegrutschen, aber das sind meistens die, welche sich schon von Anfang an verweigert haben und irgendwann nicht mehr zum Unterricht kommen".

Input-Output-Arithmetik
Eine produktionsorientierte Schule wie die G20 kann kaum mit normalen Schulinstrumenten gemessen werden. Die meisten Lehrer kritisieren denn auch, dass die "Schule an einer simplen Input-Output-Arithmetik gemessen wird, die die humanen, sozialen und finanziellen Folgen einer misslingenden Integration unterschlägt".

 

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 31.05.2001
© Innovationsportal

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