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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 20.02.2006:

"Courage" lautet das Zauberwörtchen

Vorbildlich und bewährt: "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage"
Das Bild zum Artikel
TeilnehmerInnen des Workshops "Gemeinsam sind wir stärker!", Foto: Metin Yilmaz

Das Projekt "Schule ohne Rassismus" wird schon seit 1988 erfolgreich in Belgien praktiziert. Es wurde damals als Antwort auf die Wahlerfolge des rechtsextremistischen Vlaamse Block gestartet. Anschließend riefen auch die Niederländer dieses Projekt ins Leben. Seitdem beteiligten sich über 200.000 Schülerinnen und Schüler an 267 Schulen. Das Projekt startete 1995 auch in Deutschland und wird von der Aktion "Courage - SOS Rassismus" bundesweit koordiniert. Im Sommer vergangenen Jahres durfte das Projekt "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage (SOR - SMC)" sein mittlerweile zehnjähriges Bestehen in Deutschland feiern!

Auf die Fahne geschrieben: Auseinandersetzung mit dem Phänomen "Rassismus"
Der Projektname spricht für sich: "Schulen ohne Rassismus - Schulen mit Courage ist "ein Projekt von und für SchülerInnen, die gegen alle Formen von Diskriminierung, insbesondere Rassismus, aktiv vorgehen und einen Beitrag zu einer gewaltfreien, demokratischen Gesellschaft leisten wollen". Es geht darum, (SOR - SMC)" Vorurteile gegenüber Mitmenschen abzubauen, die eine andere Hautfarbe aufweisen, einen anderen Glauben anhängen, eine andere Nationalität besitzen, die der deutschen Sprache (noch) nicht mächtig oder aber gegenüber Menschen, die behindert sind beziehungsweise sich auf sonstige Art und Weise von der Mehrheit unterscheiden. Bei dem Projekt SOR-SMC wird besonderen Wert darauf gelegt, dass die Schülerinnen und Schüler selbst die Regie übernehmen. In diesem Rahmen setzen die Jugendlichen sich aktiv mit Diskriminierung, Gewalt und dem Phänomen des "Rassismus" auseinander und suchen nach Lösungsmöglichkeiten in ihrem unmittelbaren Umfeld.

Die Lehrerinnen und Lehrer übernehmen dabei lediglich eine assistierende Rolle, indem sie die Schüler unterstützen. Möchte eine Schule den Titel "Schule ohne Rassismus-Schule mit Courage" tragen, muss sie zwei Bedingungen erfüllen: In einer Abstimmung sprechen sich 70 Prozent aller dort Beteiligten für eine Schule ohne Rassismus aus. Erst wenn dies gegeben ist, kann einer der Schirmfrauen oder Schirmherren den Titel "Schule ohne Rassismus" verleihen. Die zweite Bedingung ist, dass die Schüler und Schülerinnen sich bereit erklären, in ihrem Umfeld Projekte zur Thematisierung von Rassismus und Gewalt entwickeln und Aktionen durchführen und zwar mindestens einmal pro Jahr.

Sobald diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird an die Schule feierlich der Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" verliehen Die Schülerinnen und Schüler der SOC-SMC-Schulen können sich Kooperationspartner vor Ort wie Ausländerbeiräte, Menschenrechtsorganisationen oder Anti-Rassismus-Initiativen suchen und darüber hinaus einen Paten ausfindig machen, der sie zusätzlich unterstützt. Meist ist dies eine prominente Person aus Kunst, Medien, Sport oder Politik. Zu der Gruppe der Patinnen und Paten gehören zum Beispiel der Bundesligastar Michael Preetz, die Schauspielerin Iris Berben, der Politiker Cem Özdemir, die Popbands "Die Prinzen" und "Brothers Keepers". Die Paten setzen sich in der Öffentlichkeit für das Anliegen ein und unterstützen auf diese Art das Projekt dauerhaft.

Das größte Schulnetzwerk Deutschlands
Rund 200.000 Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit eine der 267 Schulen in Deutschland, die den Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" tragen. SOR - SMC ist somit das größte Netzwerk von Schulen in Deutschland, das sich der Menschenrechtserziehung und der Antidiskriminierungsarbeit widmet! Die Projektleiterin Sanem Kleff betonte anlässlich des 10-jährigen Jubiläums: "Der Erfolg von ´Schulen ohne Rassismus - Schulen mit Courage´ unter den Jugendlichen in ganz Deutschland zeigt, dass die Rede von der Politikverdrossenheit und Organisationsmüdigkeit von Jugendlichen nicht der Wirklichkeit entspricht." Sanem Kleff fügt hinzu: "Sie mischen sich mit hoher Motivation in das gesellschaftliche und politische Geschehen ein, wenn sie für ihr Anliegen Unterstützung erhalten."

Zudem würden sich SOR-SMC-Schulen an lokalen Bündnissen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus beteiligen. In Bremen und Chemnitz arbeiteten Schülerinnen und Schüler sogar daran, die Prinzipien von "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" auf ihre Kommunen zu übertragen. Sanem Kleff betont, die Schülerinnen und Schüler leisteten damit einen wichtigen Beitrag zur Demokratieentwicklung in Ost und West.

"Von unten" organisiert und betont kooperativ: Schüler, Lehrer, Vereine
Ein wichtiges und äußerst vorbildliches Merkmal des Projektes: Die Initiativen, Veranstaltungen und Aktionen im Rahmen von SOR - SMC werden von unten, sprich von den Schülern selbst konzipiert, geplant und umgesetzt. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler zu einer engen Zusammenarbeit mit den an den Schulen angestellten Sozialpädagogen, Lehrenden und weiteren Mitarbeitern an der Schule ermuntert. Die Lehrerinnen und Lehrer sind aufgefordert, die Schüler zu unterstützen. Auf keinen Fall solle es jedoch dazu kommen, dass sie die Schüler dominieren oder bevormunden. Wie soll die Kooperation dann konkret aussehen? Die Mitwirkung der Lehrenden sei unverzichtbar für das Gelingen des Projektes, äußern die Initiatoren. "Sie sollen die Schüler und Schülerinnen nicht sich selbst überlassen, sondern ihnen den Freiraum zu selbst bestimmten Lernen und Handeln eröffnen."

Zu diesem Zwecke bietet die Bundeskoordinations-Stelle von SOR - SMC Seminare an. Hier erhalten die Lehrenden und Pädagogen Hintergrundinformationen zum Projekt und didaktische Hinweise zur Unterstützung der Umsetzung. Auch die außerschulischen Partner bilden ein wichtiges Element von SOR - SMC. Die Bundeskoordination sucht ständig nach weiteren Partnerorganisationen, die die Arbeit der Schulen im Netzwerk unterstützen. Einige der Partner sind bundesweit aktiv wie zum Beispiel die Bundeszentrale für politische Bildung und der Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Partner auf Landesebene sind unter anderem das Anti-Racism Information Centre (ARIC) oder die Landeszentralen für politische Bildung. Eine wichtige Rolle spielen besonders die regionalen Partner. Zu ihnen gehören Jugendfreizeiteinrichtungen, Ausländerbeauftragte oder Organisationen von Migranten. Da "bundesweit im Bereich der Menschenrechtserziehung die Ressourcen knapp sind, erscheint es sinnvoller, durch Kooperation Synergieeffekte zu erzeugen als von der Bundeskoordination aus eigene Inhalte zu entwickeln", so die Initiatoren.

Selbst gemacht, mitgemacht, aufgemischt: Straßenumzug, Städte-Parlament, Islamismus-Debatten
Was passiert, wenn die Schülerinnen und Schüler sich überlegen, was man tun kann, sollte, müsste? Allein ein Blick auf das vergangene Jahr genügt, um zu sehen, wie vielfältig, originell und von aktueller Relevanz die Aktionen sind. Als Projekt, das sich gegen Diskriminierungen aller Art - auch gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung - wendet, hat SOR - SMC auch mit einem eigenen Wagen beim Cristopher-Street-Day in Berlin teilgenommen. Wobei natürlich auch das diesjährige Motto des Straßenumzuges Homosexueller ein Beweggrund war, denn das Motto lautete: "Unser Europa gestalten wir!".

Einen besonders interessanten Schritt unternehmen auch Schülerinnen und Schüler aus Chemnitz und Bremen, denn sie arbeiten daran "das Unmögliche wahr zu machen" und das Projekt auch außerhalb der Schule auf ihre Heimatstädte auszuweiten. Sie organisieren eine Nichtdiskriminierungsagenda und werben für eine breite Unterstützung in der gesamten Bürgerschaft. "Geht alles gut, soll anschließend möglichst eine Zwei-Drittel-Mehrheit im städtischen Parlament gewonnen werden, damit die Nichtdiskriminierungsagenda nicht nur ein Stück Papier bleibt", so das Ziel der Bestrebungen. Auch die bundesweite Open-Space-Reihe "Islam und Ich zeigt, dass antirassistische Arbeit sich an der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen orientieren muss. Denn über Schule und Islam wird zwar viel geredet und geschrieben - in Talk-Shows und Zeitungen - selten kommen aber Schüler selbst zu Wort. Um zu erfahren, was die Jugendlichen zu dem Thema zu sagen haben und welche Rolle der Islam in den Lebenswelten Jugendlicher spielt, haben Sanem Kleff und Eberhard Seidel von Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage diese Open Space-Reihe konzipiert. Von 2003 bis 2005 nahmen mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler daran teil. Die Diskussionsrunden fanden in Köln, Bremerhaven, Dortmund, Neunkirchen, Berlin und Hannover statt. Das Open-Space-Verfahren ermöglichte den Schülern eine eigenständige und weitgehend unbeeinflusste Auswahl von Fragestellungen.

Diskussionsgegenstände waren Fragen wie "Warum dürfen Männer vor der Ehe Sex haben und die Frauen nicht?", "Warum darf man während der Ausbildungszeit kein Kopftuch tragen?" oder Probleme wie "Meine Freundin ist Muslima und sie darf nicht mit auf Klassenfahrt". Insgesamt zeigte sich, so Eberhard Seidel, dass die Jugendliche bei dem Thema Islam weniger an theologischen Fragen interessiert waren, sondern mehr an lebensweltlich Näherem wie Sexualität, Freundschaft, Familie und Zukunftssorgen. Dabei war das Geschlechterverhältnis das zentrale Themenfeld.

Die Themen für die Diskussionen, die Anlässe für Aktionen liegen auf der Straße und ergeben sich in Schulfluren und Klassenzimmern. Sie finden durch die Jugendlichen, die "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" zu dem machen was es ist, eine angemessene Würdigung. Dass so ganz nebenher Zivilcourage zwar nicht "gelehrt", aber umso mehr "gelebt" wird, versteht sich von selbst. Auf solche Weise trägt das Projekt dazu bei, dem Traum von einer gewaltfreien, demokratischen Gesellschaft ein Stückchen näher zu kommen.

Autor(in): Katja Haug
Kontakt zur Redaktion
Datum: 20.02.2006
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