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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 08.12.2005:

Stimmungsbarometer für den Arbeitsmarkt

Der Absolventenkongress ist mehr als nur ein Job-Marktplatz
Das Bild zum Artikel
Absolventen im Gespräch...
Quelle: Absolventenkongress

Der jährliche Absolventenkongress in Köln ist nicht nur studentisches Schaulaufen, sondern das Gros der 12.000 jungen Akademiker "sucht hier gezielt nach einem Job". Das sagt eine Frau, die sich damit auskennen muss: Judith Oppitz, die Geschäftsführerin des Unternehmens Hobsons, das den Absolventenkongress seit vielen Jahren veranstaltet. Während dieser beiden Tage im Herbst, so erzählt die Veranstalterin, lässt sich jedes Jahr die Stimmung auf dem Arbeitsmarkt zeitnah ablesen: So seien die Absolventen vor fünf Jahren, als die Unternehmen dringend Nahwuchs suchten,  selbstbewusst bis forsch aufgetreten, und zwei Jahre später, als die Rezession auch bei den Akademikern Einzug gehalten habe, sei Zurückhaltung und defensives Verhalten die Devise gewesen. "Im Moment scheint die Situation relativ ausgeglichen zu sein. Firmenvertreter berichten, dass man sich dieses Jahr auf Augenhöhe begegnet", erklärt die Geschäftsführerin von Hobsons.
 
Die Hoffnung, vielleicht nicht mit einem Arbeitsvertrag, aber doch zumindest mit einem Termin für ein Bewerbungsgespräch heimzukehren, ist so utopisch nicht. Schließlich haben die 250 Unternehmen, die auf der Messe vertreten sind, 16.000 freie Stellen im Gepäck. Geisteswissenschaftler sind dabei traditionell mehr als Exoten gefragt, während die überwältigende Mehrheit der sowohl der Besucher als auch der Gesuchten Wirtschafts- und Naturwissenschaftler sind. Doch nicht nur an den Unternehmen selbst sind die Absolventen interessiert, sondern auch an dem üppigen Rahmenprogramm. Neben 80 Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Informationsveranstaltungen gibt es für die Absolventen auch das Angebot, kostenlos von Personalprofis ihre Lebensläufe überprüfen zu lassen. Und das Angebot ist mitnichten ein Ladenhüter, sondern die potenziellen Bewerber stehen hier den ganzen Tag Schlange. "Eigentlich sollte man meinen, dass es bei Bewerbungen keinen Informationsbedarf mehr gibt, aber je unsicherer die Jobaussichten, desto unsicherer sind die Absolventen auch bei so elementaren Dingen. Das kann man immer wieder beobachten", sagt Judith Oppitz.

Bachelor in vielen deutschen Unternehmen noch unbekannt
Ein Beispiel für diese Unsicherheit - allerdings auf Arbeitgeberseite - sind die neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master. Obwohl die deutschen Hochschulen bis 2010 alle Studiengänge auf Bachelor und Master umstellen müssen und auf diesem Weg schon das erste Drittel passiert haben, fühlen sich viele frischgebackene Absolventen, die über diese neuen Abschlüsse verfügen, von den Unternehmen nicht mit offenen Armen empfangen. Woran das liegt? Genau das wollten viele Absolventen von einer Expertenrunde auf dem Kongress wissen, die über die Akzeptanz von Bachelor und Master auf dem Arbeitsmarkt diskutierte. Schließlich sei es doch die Wirtschaft gewesen, so die Studierenden, die "jüngere Absolventen mit praxisbezogener Hochschulausbildung und international vergleichbaren Studienabschlüssen" gefordert hatte. Auch in einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft gaben drei Viertel der befragten Unternehmen an, in Zukunft Bachelor- und Master-Absolventen einstellen zu wollen.

Doch die Realität sieht anders aus: Praktika werden oft erst ab drei Monaten Laufzeit vergeben, obwohl die neuen Studiengänge nur ein Zeitfenster von zwei Monaten vorsehen und in den Unternehmen selbst würden sie, so berichten die Absolventen, oft mit der Haltung konfrontiert, der Bachelor sei ein Schmalspur-Abschluss, weshalb man doch lieber Diplomanden einstellen würde. Diese Erfahrungen bestätigt zumindest teilweise eine Studie des Hochschulinformationsdienstes (HIS), die ermittelte, dass nur ein Viertel der Bachelor-Absolventen direkt ins Berufsleben startet und von den Uni-Bachelors nach knapp einem Jahr lediglich ein Drittel einen Job gefunden hatte. Bei den Bachelor-Absolventen an Fachhochschulen sieht die Situation deutlich besser aus. Als größte Schwierigkeit nannten die Absolventen aber, dass der Bachelor noch zu unbekannt sei, vor allem bei kleineren Unternehmen. Dieses Akzeptanzproblem in vielen Unternehmen streiten auch die Experten aus der Wirtschaft nicht ab. Dario Schuler von BearingPoint, der auf dem Podium diese Seite vertrat, warb für Verständnis, weil auch die Unternehmen momentan einen Lernprozess durchmachen würden. Nun müssten bei Einstellungen nicht mehr Unis, sondern Schwerpunkte in den Studiengängen verglichen werden, und das müsse auch erst gelernt sein. Oliver Maassen, Leiter des Talent Center der HVB Group und ebenfalls Podiumsteilnehmer, versuchte den Zuhörern die Unsicherheit zu nehmen und wagte einen Blick in die Zukunft: "Am Bachelor führt ja kein Weg vorbei und alle Ungereimtheiten wird der  Markt selbst bereinigen". Darüber hinaus sei ein Bachelor ja keine Sackgasse,.In seinem Unternehmen sei es keine Seltenheit, dass Bachelor-Absolventen nach der ersten Berufspraxis gemeinsam mit dem Unternehmen ihren Master-Abschluss planen.  

In der Pharmabranche führen viele Wege ins Ausland
Einen Steinwurf entfernt war ein anderer Unsicherheitsfaktor Thema: Wie mache ich Karriere in einem Pharmaunternehmen und was genau sind die Ansprüche an die Bewerber? Ob Flexibilität denn so weit gehe, fragt eine Studentin aus Oldenburg die Vertreter der Pharmakonzerne, dass man in einem internationalen Unternehmen immer damit rechnen müsse, ins Ausland zu gehen? "Ich gehe eigentlich davon aus, dass unsere Bewerber alle ins Ausland wollen und wir ihnen diesen Schritt ermöglichen", antwortet Anton Schilcher von Novartis vielsagend. Und seine Kollegin Annett Enderle von Pfizer ergänzt, dass es heute in ihrer Branche eigentlich keine Stelle mehr gebe, die nicht international ausgerichtet sei. Überhaupt suche man nicht nur exzellente Naturwissenschaftler, sondern auch solche, die weit über den eigenen Tellerrand hinausschauen und ihr Wissen so darstellen könnten, dass man für das Verständnis nicht unbedingt ein Grundstudium in Molekularbiologie benötige.

So bleibt am Ende das Gefühl, dass sich Unternehmen und Absolventen doch nicht immer  auf gleicher Augenhöhe  begegnen. Auf jeden Fall nehmen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer von einem Absolventenkongress etwas mit nach Hause: Entweder einen Job oder einfach mehr Durchblick. Das gilt übrigens auch für die Unternehmen. 

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 08.12.2005
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