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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 14.02.2005:

Frischer Wind für die KMK-Reformen

Prof. Dr. Johanna Wanka berichtet über ihre Pläne als neue KMK-Präsidentin
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Prof. Dr. Johanna Wanka

Bildung PLUS: Sie kommen nicht wie Ihre Vorgängerin Ahnen aus dem Schulbereich. Werden Sie andere Schwerpunkte innerhalb Ihrer Amtszeit setzen? Welche werden das sein? 

Wanka: Bildung und Schule werden auch weiterhin ein wichtiges Aufgabenfeld der Kultusministerkonferenz bleiben. In enger Zusammenarbeit mit dem Präsidium, in dem mit Ute Erdsieck-Rave, Doris Ahnen und Klaus Böger der Schulbereich stark vertreten ist, werden wir gemeinsam die erfolgreiche Arbeit meiner Amtsvorgängerin, der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Doris Ahnen, fortsetzen. Darüber hinaus möchte ich die Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im Bildungs- und Hochschulbereich, die Kernaufgaben der KMK, weiter vorantreiben. Außerdem werde ich mich für eine zügige Realisierung der KMK-Reformen einsetzen.

Bildung PLUS:
Sie sind promovierte Mathematikerin, waren Rektorin der Fachhochschule Merseburg in Sachsen-Anhalt, führen seit 2000 das Wissenschaftsministerium in Brandenburg, haben viele Ehrenämter inne gehabt und sind Mutter. Welche Erfahrungen werden Ihnen als künftige KMK-Präsidentin besonders zu Gute kommen?

Wanka: Das Amt der Präsidentin besteht in erster Linie darin, innerhalb der Kultusministerkonferenz einvernehmliche, konsensfähige Beschlüsse zu erreichen und nach außen zu vertreten. So gesehen sind meine Erfahrungen, die ich in der großen Koalition in Brandenburg gesammelt habe, ein gutes Training für meine Aufgaben als KMK-Präsidentin.

Bildung PLUS: Innerhalb der Föderalismus-Diskussion wurde die Kultusministerkonferenz oft kritisiert und mit einem zahnlosen Tiger verglichen. Es hieß, die KMK sei zu träge. Die KMK bekam Druck von der Öffentlichkeit und selbst von den Ländern. Steuert die KMK nach dem Vorstoß des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff zur Reform der KMK nun in eine andere Richtung?

Wanka: Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Tatsache ist, dass die Kultusministerkonferenz den Reformprozess in eigener Sache selbst eingeleitet hat. Im Laufe der Diskussion und auch als Reaktion auf das niedersächsische Vorgehen ist vor allem in das öffentliche Bewusstsein gerückt, dass sinnvolle Bildungsreformen in Schule und Hochschule koordiniert werden müssen und nicht abbrechen dürfen. Ich erinnere daran, dass die Kultusministerkonferenz im Jahr 2004 ein Gesamtpaket bundesweit geltender Bildungsstandards beschlossen hat und das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in vergleichsweise kurzer Zeit seine Arbeit aufnehmen konnte. Die Kultusministerkonferenz hält den Reformdruck aufrecht und wird sich in Zukunft noch stärker auf ihre Kernaufgaben, die Qualitätssicherung in Schule und Hochschule sowie den Kulturbereich konzentrieren. Die Zahl ihrer Gremien wird um mehr als die Hälfte reduziert. Diese Richtung wird von allen Ländern gemeinsam getragen.

Bildung PLUS: Was leiten Sie aus PISA II ab? In welchen Bereichen muss mehr getan werden und wo sind wir auf dem richtigen Weg?

Wanka: Bei PISA 2000 lagen die Leistungen - der Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen - in allen Untersuchungsbereichen Leseverständnis, Mathematik, Naturwissenschaften unter dem OECD-Durchschnitt. 2003 liegt Deutschland in allen drei Leistungsbereichen im Durchschnitt der OECD-Staaten. In den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften ist eine signifikante, d.h. statistisch abgesicherte, Leistungssteigerung zu beobachten. Auch im Bereich Lesen ist der Punktwert höher; diese Veränderung ist aber nicht signifikant. Im Bereich Problemlösen, der 2003 erstmals untersucht wurde, liegen die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in deutschen Schulen signifikant über dem OECD-Durchschnitt.

Diese positiven Tendenzen sind eine Bestätigung für die Arbeit der deutschen Schulen in den vergangenen Jahren. Die Steigerung in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften deutet darauf hin, dass die nach der Veröffentlichung der unbefriedigenden TIMSS-Ergebnisse ab dem Jahr 1997 eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des Unterrichts in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften, z. B. im Rahmen des Modellversuchsprogramms SINUS, zu ersten Erfolgen geführt haben. Die KMK sieht sich damit in ihrer Auffassung bestätigt, dass der Weiterentwicklung des Unterrichts eine zentrale Bedeutung für die Verbesserung von Schülerleistungen zukommt und dass hier ein Potenzial für weitere Verbesserungen vorhanden ist, die allerdings Zeit benötigen.

Bildung PLUS: Zum wiederholten Male zeigte auch die PISA-Studie die Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf. Was können Sie als KMK-Präsidentin tun und was können die Bundesländer unternehmen, um dem andauernden Missstand etwas entgegen zu setzen?

Wanka: Zu einer realistischen Bewertung der Ergebnisse gehört die Erkenntnis, dass es bis zum Zeitpunkt der Testdurchführung nicht gelungen ist, die Leistungen der so genannten Risikogruppe (Schülerinnen und Schüler mit nur geringen Kompetenzen) und der Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu verbessern. Dies und die weiterhin bestehende enge Kopplung von sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb sind aus Sicht der Kultusministerkonferenz nicht hinzunehmen. Hier liegt eine besonders große Herausforderung für die Bildungspolitik der kommenden Jahre.

Angesichts der großen Bedeutung einer frühen Förderung sind die eingeleiteten Maßnahmen zur Stärkung des Bildungsauftrags der Kindertagesstätten und zur Verbesserung der sprachlichen Kompetenz, insbesondere der Kinder mit Migrationshintergrund bereits im Vorschulalter und dann im weiteren Verlauf der Schulzeit zu intensivieren. Gleichzeitig müssen die Anstrengungen verstärkt werden, bei ungünstigen Entwicklungen in der Bildungsbiographie gezielte Ausgleichsmaßnahmen einzuleiten. Die vielfältigen Maßnahmen der Länder zur gezielten Förderung, insbesondere in den Bereichen Lesen, Geometrie und Stochastik, zur Weiterentwicklung der Lehreraus- und -fortbildung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Heterogenität, eine Verbesserung der Diagnosefähigkeit und eine gezielte Unterstützung der einzelnen Schülerinnen und Schüler, aber auch der Ausbau der Ganztagsangebote mit dem Ziel verbesserter Fördermöglichkeiten, liefern hierzu aus meiner Sicht wichtige Beiträge.

Bildung Plus: Sie befürworten eine komplette Neuordnung der Studienförderung. Dazu gehören beispielsweise die Abschaffung des BAföG und Steuererleichterungen für Studierende. Sie plädieren für die Einführung von Studiengebühren, eine Grundsicherung für alle Studierenden und zinsgünstige Kredite für Bedürftige. Was versprechen Sie sich davon?

Wanka: Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot von Studiengebühren aufgehoben hat, steht es den Ländern frei, Studiengebühren zu erheben. Gleichzeitig aber tragen sie die große Verantwortung, dass dies sozial gerecht erfolgt. Damit ein Abiturient unabhängig von seiner sozialen Herkunft sowohl an einem gebührenfreien als auch an einem gebührenpflichtigen Hochschulstandort studieren kann, muss das System der Studienfinanzierung neu überdacht werden. Das bestehende BAföG-System hat in den vergangenen Jahren nicht dazu geführt, dass mehr junge Leute aus sozial schwachen Schichten studieren. Deshalb setze ich mich für eine Studienfinanzierung ein, bei der Studierende überall in Deutschland zinsgünstige Darlehen erhalten, die sie erst zurückzahlen, wenn sie nach dem Studium Geld verdienen.

Bildung Plus: Sie gehören zu den Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere gemacht haben und dazu noch als Mathematikerin. Ist Ihnen auch das stärkere Heranführen von Mädchen an Naturwissenschaften oder Frauen von Lehrende an Fachhochschulen und Universitäten ein Anliegen?

Wanka: Auf jeden Fall. So wird beispielsweise im brandenburgischen leistungsorientierten Hochschulfinanzierungssystem gezielte Frauenförderung finanziell belohnt. Ich glaube aber auch, dass wir in diesem Bereich noch viel kreativer werden müssen als in der Vergangenheit. Von bloßen Quoten halte ich wenig.

Zur Person: Johanna Wanka wurde am 1. April 1951 in Rosenfeld/Sachsen geboren. Wanka ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie studierte in Leipzig Mathematik. 1993 erhielt Johanna Wanka die Professur für Ingenieurmathematik an der Fachhochschule Merseburg. Von 1998 bis 2000 war sie Mitglied der Ständigen Kommission für Planung und Organisation der Hochschulrektorenkonferenz. Im Oktober 2000 trat sie als Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur ins Brandenburger Kabinett ein. Seit 2001 ist sie CDU-Mitglied, seit 2003 Mitglied des Landesvorstandes der Union Brandenburg.

Autor(in): Katja Haug
Kontakt zur Redaktion
Datum: 14.02.2005
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