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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 28.06.2004:

Der Europäische Hochschulraum gewinnt an Konturen

Auswirkungen des "Bologna-Prozesses" in Deutschland

Bologna - die Hauptstadt der norditalienischen Region Emilia-Romagna gilt als Ausgangspunkt des europäischen Universitätswesens im 12. Jahrhundert. Bezeichnenderweise war sie auch die erste Station auf dem Weg zu mehr Transparenz und Gemeinsamkeit der Hochschulen in Europa am Anfang des 21. Jahrhunderts. Die Vision von einem gemeinsamen Europäischen Hochschulraum könnte man also nicht besser beschreiben als mit dem "Bologna-Prozess".   

Die Bologna-Erklärung
Auslöser für die Idee des "Bologna-Prozesses" war die so genannte "Sorbonne-Erklärung" zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für die Europäischen Bildungssysteme, die im Mai 1998 von den Bildungsministern von Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland in der Sorbonne in Paris unterzeichnet wurde. Die Idee stieß europaweit auf so großes Interesse, dass sich im Juni 1999 die Bildungsminister von 29 europäischen Staaten dazu bereit erklärten, die "Bologna-Erklärung" zur Schaffung eines europäischen Hochschulraums bis zum Jahre 2010 und zur Stärkung der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit Europas als Bildungsstandort zu unterzeichnen.  

Umsetzung der Ziele in Deutschland

Die Ziele der "Bologna-Erklärung" werden in Deutschland insgesamt begrüßt und stehen im Einklang mit den Zielsetzungen, die Bund und Länder für die Modernisierung des Hochschulwesens in Deutschland und die Stärkung seiner internationalen Attraktivität in den letzten Jahren entwickelt haben. Auch die deutschen Hochschulen begrüßen die sechs wesentlichen Reformziele des "Bologna-Prozesses" und unterstützen seine Umsetzung.  

Einführung verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse
Voraussetzung für einen europäischen Hochschulraum, in dem die Studierenden problemlos zwischen den Universitäten der Länder wechseln können, ist in erster Linie die Einführung vergleichbarer Hochschulabschlüsse. Deutschland hat früh mit der Schaffung des neuen Graduierungssystems mit Bachelor-/Bakkalaureus- und Master-/Magisterstudiengängen begonnen. Die tradierten Abschlüsse Diplom, Magister und Staatsexamen bleiben parallel dazu bestehen und werden strukturell weiterentwickelt, damit sie leichter in international übliche Strukturen eingeordnet werden können.

Im Hinblick auf diese Parallelität kommt dem europaweit akzeptierten einheitlichen "Diploma Supplement" mit detaillierten Erläuterungen zu dem jeweiligen Abschluss besondere Bedeutung zu. Um die Entwicklung eines Diploma Supplement-Verfahrens in den Hochschulen und dessen spätere laufende Handhabung zu unterstützen und zu erleichtern, wurde in der Hochschulrektorenkonferenz eine Datenbank Diploma Supplement Deutschland (DSD) entwickelt, diemittlerweile von fast allen Hochschulen abgerufen wird. 

Zweistufiges System von Studienabschlüssen
In der Bologna-Erklärung haben sich die Minister darauf verständigt, ein Studiensystem einzuführen, das sich im Wesentlichen auf zwei Hauptzyklen stützt. Der Zyklus bis zum ersten Abschluss (undergraduate) dauert drei bis vier Jahre und attestiert eine für den europäischen Arbeitsmarkt relevante Qualifikationsebene. Er ist Regelvoraussetzung für die Zulassung zum zweiten Zyklus (graduate), der mit dem Master und/oder der Promotion endet.

Deutschland hat die Bachelor- und Masterstudiengänge in das Angebot der Hochschulen überführt. Der Bachelor ist der Regelabschluss eines Hochschulstudiums, der vom Masterstudiengang fortgeführt werden kann. Im Studienjahr 2002/2003 gab es in dem neuen System etwa 39.000 Studierende (Bachelor 27.000, Master 12.000), das entspricht zwei Prozent.

Leistungspunktsystem und Modularisierung
Wichtig für die Mobilität der Studierenden ist die Einführung eines Leistungspunktsystems zur Anrechnung ihrer Studienleistungen. Es soll in Anlehnung an das bereits bestehende ECTS (European Credit Transfer System) entwickelt werden, das eine Methode zur Messung und zum Vergleich von Studienleistungen bereitstellt und so ihre Übertragung europaweit von Hochschule zu Hochschule ermöglicht. Punkte sollen auch außerhalb der Hochschulen, beispielsweise durch lebenslanges Lernen erworben werden können.

Deutschland hat bereits an der Entwicklung des ECTS maßgeblich mitgewirkt. Die KMK spricht sich dafür aus, dass bei der Einführung eines Leistungspunktsystems auf das ECTS-System zurückgegriffen werden soll. Sie strebt den Ausbau des Transfersystems zu einem System der Kumulation von Prüfungsleistungen an. In Deutschland werden die Konzepte von Modularisierungen und Leistungspunkten bereits auf eine Länder übergreifende gemeinsame Basis gestellt, um das Maß an Einheitlichkeit in der Entwicklung zu gewährleisten.
Von 188 befragten Hochschulen wenden 76 Prozent das System bereits an. 

Förderung der Mobilität durch Beseitigung von Mobilitätshemmnissen
Um die Mobilität zu verbessern, soll Studierenden der Zugang zu Studien- und Ausbildungsangeboten und zu entsprechenden Dienstleistungen erleichtert werden. Lehrer, Wissenschaftler und Verwaltungspersonal sollen Auslandsaufenthalte zu Forschungs-, Lehr- oder Ausbildungszwecken angerechnet werden. In Deutschland wurden für diesen Zweck 1998 die ausländer- und arbeitserlaubnisrechtlichen Voraussetzungen für ein Studium und einen Forschungsaufenthalt verbessert.

Auch haben die Anliegen Eingang in den Entwurf der Bundesregierung für ein Zuwanderungsgesetz gefunden. Bafög-Empfänger können vom dritten Semester an ihr Studium mit ihrer Förderung im Ausland fortsetzen, sogar bis zum Abschluss. Die Einrichtung dezentraler Außenstellen der Einwohnermeldeämter auf dem Hochschulcampus, Studienangebote in englischer Sprache sowie kostenlose Kursangebote "Deutsch als Fremdsprache" tragen dazu bei, die Integration ausländischer Studierender in das Studium in Deutschland zu erleichtern. 

Förderung der europäischen Zusammenarbeit durch Qualitätssicherung
Zur Qualitätssicherung haben die Kultusministerkonferenz (KMK) und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) im Zuge der Einführung des neuen Graduierungssystems ein Akkreditierungssystem mit einem länderübergreifenden Akkreditierungsrat geschaffen. Ziel der Akkreditierung ist die Gewährleistung fachlich-inhaltlicher Mindeststandards und die Überprüfung der Berufsrelevanz der Abschlüsse. In Deutschland gibt es bisher 337 akkreditierte Studiengänge (Stand 03.07.2003). Künftig werden die Länder in diesem Verfahren auch die gemeinsamen Aufgaben der Sicherung der Gleichwertigkeit der Abschlüsse und des Hochschulwechsels wahrnehmen. Es wird darauf geachtet, dass das sich etablierende hochschulübergreifende Qualitätssicherungssystem der BRD von vorneherein in das europäische Netzwerk zur Qualitätssicherung eingebunden ist. 

Förderung der europäischen Dimension in der Hochschulausbildung
Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Curriculum-Entwicklung, die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Mobilitätsprojekte und integrierte Studien-, Ausbildungs- und Forschungsprogramme. Die deutschen Hochschulen sind in vielfacher Weise aktiv. Die Zusammenarbeit von deutschen und ausländischen Hochschulen gewinnt im Rahmen vertraglich abgestimmter Hochschulpartnerschaften an Bedeutung. Auch entwickeln sich komplexe, Hochschulen mehrerer Länder einbeziehende Netzwerke wie beispielsweise die Zusammenarbeit von Hochschulen des Ostseeraums oder die "Coimbra-Gruppe" und die "Santander-Gruppe" oder die Deutsch-Französische Hochschule, die bei der Schaffung von binationalen Studiengängen und Promotionsvorhaben, Graduiertenkollegs und Forschungsprojekten kooperiert. Die Einrichtung internationaler Graduiertenkollegs trägt der Förderung der europäischen Dimension bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses Rechnung.

Auch die Bemühungen um besonders qualifizierte ausländische Nachwuchswissenschaftler sollen im Rahmen der europäischen Mobilitätsprogramme verstärkt werden.

Besondere Impulse werden von ERASMUS Mundus erwartet, das im November 2003 beschlossen wurde. ERASMUS Mundus soll die Verflechtung zwischen Hochschulen aus Europa und Drittländern fördern, um so eine bessere Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandortes Europa zu erreichen. 100 gemeinsame europäische Master-Studiengänge und über 5.200 gut dotierte Vollstipendien für Graduierte und Gastprofessoren aus Drittstaaten sowie rund 4.800 Stipendien sollen unter anderen für Graduierte und Gastdozenten aus EU-Ländern als Anreiz dienen.  

Differenzen in der Umsetzung
Auch wenn nicht alle Ziele und Umsetzungen der "Bologna-Erklärung" in Deutschland einheitlich diskutiert werden, Hochschullehrer, Studierende sowie öffentliche Arbeitgeber zum Teil noch skeptisch sind, so wird die Entwicklung zu einem Gemeinsamen Hochschulraum insgesamt von allen begrüßt. Um die Differenzen im Stand der Umsetzung zu beheben (einige Universitäten beispielsweise haben die Einführung der neuen Studiengänge schon abgeschlossen, andere haben noch gar nicht angefangen) finden regelmäßig Konferenzen statt, die den Reformprozess koordinieren.  

Ergebnisse der Berlin-Konferenz
Auf der zweiten Nachfolgekonferenz in Berlin am 18. und 19. September 2003 einigten sich die Minister darauf, dass bis 2005 (dritte Nachfolgekonferenz in Bergen/Norwegen) alle nationalen Systeme zur Qualitätssicherung bestimmte gemeinsame Charakteristika aufweisen sollen, wie etwa eine klare Definition der Zuständigkeiten aller Beteiligten oder ein System der Akkreditierung oder Zertifizierung. Im Zusammenhang mit Studienstrukturen empfehlen die Minister auf nationaler wie auf europäischer Ebene die Entwicklung von Qualifikationsrahmen, in denen die jeweils zu erwerbenden Kompetenzen genau definiert werden. Im Bereich der Anerkennung legten sie fest, dass ab 2005 alle Hochschulabsolventinnen und -absolventen automatisch und gebührenfrei das Diploma Supplement erhalten sollen. Schließlich sprachen sie sich für eine engere Verzahnung des Europäischen Hochschulraums mit dem Europäischen Forschungsraum aus und plädierten in diesem Zusammenhang für eine Einbeziehung der Promotionsphase als dritten Zyklus in die Bologna-Architektur (nach Bachelor und Master).

Mit dem einstimmig erfolgten Beschluss zur Aufnahme von sieben neuen Mitgliedern (Albanien, Andorra, Bosnien-Herzegowina, Heiliger Stuhl, Mazedonien, Russland sowie Serbien und Montenegro) kann der Europäische Hochschulraum nun mit 40 Mitgliedern in die nächste Runde gehen.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 28.06.2004
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