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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 17.06.2004:

"Diese Situation hat sich seit 25 Jahren nicht verändert"

Berufsausbildung für Migranten ist keine Erfolgsgeschichte
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Marieluise Beck, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Die nackten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Knapp 40 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund erreichen keinen beruflichen Abschluss. "Skandalös" sei dieser Zustand, sagte Marieluise Beck bei ihrer Eröffnungsrede. Schließlich gehe es um die Zukunftsfähigkeit junger Migranten. Und ein Blick auf diejenigen, die eine Ausbildung absolvieren, zeigt, dass sie den gleichen Beruf erlernen, den auch schon Generationen vor ihnen erlernt haben: 93 Prozent alle Jugendlichen mit Migrationshintergrund werden Friseurinnen, Arzthelferinnen, KfZ-Mechaniker, Lackierer oder Installateure. "An dieser Situation hat sich seit 25 Jahren nichts verändert", kritisierte Dr. Dagmar Beer-Kern aus dem Arbeitsstab von Marieluise Beck. Konsens unter den knapp 200 Tagungsteilnehmern war, dass man sich natürlich nicht nur auf die Jugendlichen konzentrieren darf, die keinen Schulabschluss in der Tasche haben, sondern eben auch auf diejenigen, die trotz guter Noten vergeblich eine Bewerbung um die andere schreiben. Auf vier Foren wurden in Berlin die Schlüsselthemen Berufsausbildung, Ausbildung bei Unternehmern ausländischer Herkunft, Berufsvorbereitung und Nachqualifizierung diskutiert.

Migranten suchen den Weg in die Selbstständigkeit
Die Zahl von Unternehmern mit ausländischem Pass hat sich in Deutschland in den 90er Jahren verdoppelt - von 144.000 im Jahr 1990 auf 281.000 im Jahr 1999.  Eine Studie des Bundesbildungsministeriums aus dem Jahr 1998 errechnete rund 11.000 potenzielle Ausbildungsplätze. Doch die Unternehmen ausländischer Herkunft bilden kaum aus. Die meisten Migranten, die ein Unternehmen gründen, sind selbst Quereinsteiger und das duale System mit seinen zum Teil komplizierten Ausbildungsverordnungen ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. "Wie schaffen wir es, diesen Schatz zu heben?", fragte Marieluise Beck auf der Tagung in Berlin. Eine Antwort darauf kann der Mitveranstalter geben. KAUSA, die bundesweite Koordinierungstelle Ausbildung in Ausländischen Unternehmen, kann nach drei Jahren eine erfolgreiche Bilanz vorweisen: Durch gezielte Information von Unternehmerinnen und Unternehmern ausländischer Herkunft, durch Beratung und Vernetzung regionaler Projekte konnten 4577 neue Ausbildungsstellen eingerichtet werden. Mitarbeiter von KAUSA machen die Erfahrung, dass Unternehmer sehr schnell einsehen, dass es für sie von Vorteil ist, selbst auszubilden. Schließlich brauchen diese Unternehmen oft mehrsprachige Mitarbeiter, die auch ein Gespür für verschiedene kulturelle Hintergründe haben. Und die sind auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden.

Deutsche Unternehmen bilden immer weniger aus
Ausländische Unternehmen sind mit Sicherheit ein großes Potenzial, das es auszuschöpfen gilt. Doch viel wichtiger sind deutsche Unternehmen, die zum großen Teil keine besondere Ausbildungs-Euphorie an den Tag legen, obwohl sie mit dem dualen System bestens vertraut sind. Deren Zurückhaltung betrifft Jugendliche mit Migrationshintergrund ganz massiv. Und auch der Öffentliche Dienst ist kein Vorzeige-Beispiel. Dort gibt es gerade mal 2,5 Prozent Auszubildende mit Migrationshintergrund. Vergleiche hinken natürlich, weil der Öffentliche Dienst in anderen Bereichen ausbildet als Industrieunternehmen. Immerhin ist aber positiv zu vermerken, dass der Automobilkonzern Ford in Köln mit gutem Beispiel vorangeht. Dort werden, so Werner Scheffler von der Ford Aus- und Weiterbildungs e.V., jedes Jahr 270 Azubis, knapp 30 Prozent davon ausländische Jugendliche, im gewerblich-technischen Bereich ausgebildet. Und von kulturellen Vorbehalten, die oftmals noch in deutschen Personalabteilungen existieren, will Werner Scheffler nichts wissen. Bei der Rekrutierung von Auszubildenden spiele für Ford die Nationalität überhaupt keine Rolle: Hauptschulabschluss, ausreichende Noten in Deutsch, Mathe und Physik sowie ein bestandener Eignungstest seien dort die Türöffner für eine Ausbildung. Unter den Zuhörern in Berlin löste die Tatsache Erstaunen aus, dass Diversity Management,  zum Beispiel die Mehrsprachigkeit der Auszubildenden für das Unternehmen zu nutzen, bei Ford keine Rolle spielt. Dies legt nahe, dass Diversity Management nicht immer und überall praktischen Nutzen entfalten kann. Schließlich ist es etwas anderes, ob man bei Ford zu einem Facharbeiter ausgebildet wird oder als Arzthelferin mit Patienten zu tun hat, die kein Deutsch sprechen und auch kulturell bedingt auf andere Weise behandelt werden wollen.

 

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 17.06.2004
© Innovationsportal

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