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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 11.03.2004:

"Es ist viel schwerer, die Gewohnheiten der Eltern zu ändern"

Ex-Fußballprofi Marco Bode will Kindern den Spaß am Lesen vermitteln
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Marco Bode

Bildung PLUS: Warum engagieren Sie sich für verschiedene Initiativen, die Kindern Lust auf Lesen machen sollen?

Bode: Ich engagiere mich allgemein im Bereich Kinder und Jugend. Lesen ist ein wichtiger Teilbereich davon, Sport ein anderer, mit dem ich auch erst einmal verbunden werde. Lesen kommt bei Kindern und Jugendlichen heute definitiv zu kurz und deshalb sollten auch Prominente ihren Einfluss geltend machen, um Kinder darauf zu stoßen, dass Bücher eine interessante Welt erschließen können.

Bildung PLUS: Erwachsene sollen auch Vorbilder für Kinder sein. Wie wichtig ist Ihnen das Lesen?

Bode: Natürlich lese ich selbst auch viel. Fußball, Sport und mit Freunden rumtoben waren in meiner Kindheit allerdings auf jeden Fall wichtiger als Lesen. Kein Buch kann die Erlebnisse ersetzen, die Kinder beim Spielen draußen haben. Und weil die Lebensräume der Kinder in den letzten Jahrzehnten deutlich enger geworden sind, sollten wir ihnen das auch überhaupt nicht ausreden wollen zugunsten eines Buches. In meinem Leben gibt es immer wieder Phasen, wo andere Dinge wichtiger sind. Das finde ich auch nicht schlimm, denn aus meiner Jugendzeit habe ich eine positive Einstellung zu Büchern mitgenommen. Ich finde, es kommt nicht auf die Menge der gelesenen Bücher an, sondern darauf, die intensive Erfahrung gemacht zu haben, in eine ganz andere Welt eintauchen zu können.

Bildung PLUS: Sie sind selbst Vater einer kleinen Tochter und ihre Freundin ist angehende Lehrerin. Gab das familiäre Umfeld den Impuls, sich zu engagieren?

Bode: Das hat natürlich sehr viel damit zu tun. Ich bin allerdings kein Experte zur Leselage der Nation, weiß aber wie jeder andere aufmerksame Beobachter auch, dass hier in den letzten Jahren eine Entwicklung stattgefunden hat, die gestoppt werden muss. Und wenn man einmal wie ich als Vater persönlich erlebt hat, wie Kinder auf Vorlesen reagieren, kann man ermessen, welcher Wert im Lesen und Vorlesen steckt.

Bildung PLUS: Was steckt hinter dem Projekt "Mein erstes Buch"?

Bode: Kinder der vierten Klasse schreiben jeweils Geschichten zu einem Buchstaben des Alphabets. Wir sammeln die Geschichten, wählen die besten aus, illustrieren die Bücher und verschenken in Bremen, Bremerhaven und Oldenburg jeweils eine regionale Ausgabe an die Kinder der ersten Klassen. Und natürlich haben nicht nur die Erstklässler etwas davon, sondern auch die Autoren aus der vierten Klasse, denn um eine gute Geschichte schreiben zu können, muss man erstens Leseerfahrung haben und zweitens wissen, wie eine gute Geschichte funktioniert.

Bildung PLUS: Für die meisten Initiativen ist es wichtig, dass sie mit einem bekannten Gesicht werben können. Was bringt ein Marco Bode, der sich für das Lesen einsetzt, was ein Hans Mustermann nicht bringt?

Bode: Zunächst darf man nicht vergessen, dass ich bei dem Projekt "Mein erstes Buch" ein ganz normales Mitglied der Initiative bin. Ich würde bei diesen Projekten ja auch ohne Prominentenstatus mitarbeiten. Die Frage ist dann natürlich nur, ob ich dann auch so oft gefragt würde, wie das im Moment der Fall ist. Ich bin aber überzeugt, dass ich als Fußballer eine große Chance habe, auch die Fußball spielenden Jungs zu erreichen, die ja sonst dem Vorurteil nachhängen, Fußball und Lesen gehören nicht zusammen.

Bildung PLUS: Beim Vorlesewettbewerb des deutschen Buchhandels, bei dem jedes Jahr Hunderttausende Schüler mitmachen, saßen Sie vergangenes Jahr in der Jury. Was hat Sie am meisten beeindruckt?

Bode: Am meisten beeindruckt hat mich, wie gut die Kinder tatsächlich vorgelesen haben und wie schnell sie sich in die Geschichten eingefunden haben. Ich lese meiner Tochter ja auch vor und weiß deshalb, wie schwer das ist. Aber natürlich darf man sich auch nichts vormachen: Das waren in der Finalrunde sowieso schon die besten Kinder im Vorlesen - jedenfalls in dieser Altersklasse. Ich weiß aus dem Projekt "Das erste Buch", dass es viele Kinder und Familien gibt, die überhaupt kein Buch besitzen und wo Lesen auch nie eine Rolle im Alltag spielt. Und genau an dieser Stelle finde ich es wichtig, dass ich oder andere Erwachsene den Kindern sagen, wie viel Spaß Lesen machen kann und dass wir ihnen die Welt nahe bringen, die sich durch Lesen eröffnen kann.

Bildung PLUS: Apropos Eltern: Verschiedene Studien zeigen, dass Bücher im Elternhaus immer weniger eine Rolle spielen und viele Erstklässler Förderbedarf beim Lesen haben. Müssten anstatt der Kinder nicht die Eltern zum Vorlesen motiviert werden?

Bode: Das ist ein Punkt, über den wir auch lange diskutiert haben. Wir glauben aber, dass es trotzdem leichter ist, die Kinder für das Lesen zu begeistern und sie dazu zu bringen, sich in der Stadtbibliothek Bücher auszuleihen. Es ist viel schwerer, die Gewohnheiten der Eltern zu ändern. Es mag Einzelfälle geben, wo Kinder ihre Eltern zum Vorlesen animieren, aber das ist ein Aspekt, den man sicher vernachlässigen kann, weil es sehr schwer ist, in diesem Bereich Veränderungen zu bewirken.

Bildung PLUS: Kinder brauchen auch beim Lesen Bezugspersonen. Kann man die Erziehung der nicht vorlesenden Eltern einfach so außer Acht lassen?

Bode: Eltern sind für Kinder immer die ersten Vorbilder und keine gesellschaftliche Kampagne für das Lesen kann diese Bedeutung ersetzen. Andererseits glaube ich aber schon, dass es auch andere Bezugspersonen sein können, die Kinder zum Lesen bewegen - Lehrer, Mitschüler oder so jemand wie ich, von dem man es vielleicht nicht erwartet.

Bildung PLUS: Vor ihrem ersten Profivertrag haben Sie sich ja ganz schön geziert - Sie wollten erst Ihr Abitur machen und dann vielleicht lieber studieren. Und auch während Ihrer Fußballkarriere haben Sie das Studium nicht aus den Augen verloren. Sie haben angefangen Mathematik und Philosophie zu studieren. War das die Angst vor dem Leben nach dem Fußball?

Bode: Nein. Zuerst habe ich Abitur gemacht, als ich noch gar kein Profi war. Ich bin ja ein bisschen zufällig zum Fußball gekommen. Dass ich dann später versucht habe, während meiner Profizeit zu studieren, hatte nichts mit der Angst vor dem Leben danach zu tun, sondern mit dem Drang, sich auch mal mit anderen Dingen zu beschäftigen. Fußball ist schließlich eine sehr eigene Welt und nimmt durch das Finanzielle auch Dimensionen an, die einen in die Gefahr bringen, den Kontakt zur normalen Welt zu verlieren. Ich habe es übrigens leider nicht geschafft, die Studiengänge während meiner Fußballkarriere abzuschließen. Wahrscheinlich wird das auch jetzt nichts mehr werden. Trotzdem war es damals wichtig für mich, über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Bildung PLUS: Kann man auf dem Fußballplatz etwas lernen, das man auch im späteren beruflichen Leben noch gebrauchen kann?

Bode: Absolut. Teamfähigkeit und Selbstdisziplin, den inneren Schweinehund zu überwinden an Punkten, wo es weh tut. Das sind die Dinge, die man heute neudeutsch in der Wirtschaft "soft skills" nennt. Da kann man schon einiges vom Fußballplatz mitnehmen. Es gibt auch weitere Parallelen zur Arbeitswelt, zumindest Ansätze davon: Schauspieler erzählen oft exakt dasselbe, wenn sie über ihr Verhältnis zum Regisseur sprechen wie Fußballer, die über ihren Trainer sprechen. Oder Führungskräfte in einem Unternehmen bedenken ähnliche Aspekte wie ein Trainer vor dem Spiel, wenn sie vor der Frage stehen, wie sie für eine spezielle Aufgabe das richtige Team zusammenstellen.

Bildung PLUS: Trotz Fernstudium und Abitur haben Sie einen krassen Bruch hinter sich - vom Fußballprofi zum Freiberufler im Medienbereich. Wie schwer war der Umstellungsprozess?

Bode: Die Umstellung war nicht ganz einfach. Was sich in meinem Leben am meisten verändert hat, ist der Lebensrhythmus. Als Fußballer lebt man doch in einer sehr strukturierten Welt und das fällt als Freiberufler völlig weg. Aber ich genieße das auch. Allerdings geht es ja nicht nur um mich, sondern meine Familie muss diesen Umstellungsprozess auch mitmachen. Und jetzt hilft es mir schon, dass ich all die Jahre auch andere Dinge gemacht habe wie Mathematik oder Philosophie. Man trainiert das Denken und das ist die Basis, um wieder flexibel zu sein für neue Dinge. Ich lerne gerade ohne es zu merken, weil ich ständig in neuen Situationen bin, die ich als Fußballer nicht kannte. Ich lerne ohne groß darüber nachzudenken.

Bildung PLUS: Ist das Feedback auf die eigene Arbeit neuerdings gewöhnungsbedürftig?

Bode: Fußballer stehen ja in einem unglaublich großen öffentlichen Interesse, sowohl was die Anerkennung als auch die Kritik angeht. Diese Kurve fällt nach Karriereende natürlich schlagartig ab und man muss erst mal seine Ansprüche, was berufliche Erfolgserlebnisse angeht, auf Normalniveau zurückschrauben. Aber auch da war ich schon jemand, der sportliche Erfolge nicht überbewertet hat. Ich habe es immer verstanden, die beiden Extreme zu vermeiden.

Bildung PLUS: In einem Interview sagten Sie mit Blick auf Ihre Karriere, dass Sie vielleicht ehrgeiziger und verbissener hätten sein müssen, um noch erfolgreicher zu sein. Sind Verbissenheit und Ehrgeiz der Schlüssel zum beruflichen Erfolg?

Bode: Nein, natürlich nicht. In meinem Fall hab ich mir nach der Karriere die Frage gestellt, ob alles optimal gelaufen ist. Und im Großen und Ganzen war es ja auch alles optimal - viel Erfolg, wenig Verletzungen und ein Umfeld, in dem ich mich immer wohlgefühlt habe. Ich glaube aber trotzdem, dass mir vielleicht der letzte Ehrgeiz fehlte, um noch weiter zu kommen - und das liegt in meinem Charakter begründet. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass mir diese Lockerheit und das Gefühl, notfalls auch etwas anderes machen zu können, immer sehr geholfen haben.

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 11.03.2004
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