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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 20.06.2000:

"Irgendwann laufen sie alle"

Hochbegabung liegt im Trend

Julia, 4 Jahre, ist im Kindergarten ihren AltersgenossInnen intellektuell weit überlegen. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sie hochbegabt ist. Für die Eltern, die eine schulpsychologische Beratung aufsuchen, stellt sich die Frage, ob ihre Tochter nun bereits mit fünf Jahren die Schulbank drücken soll. "Von der intellektuellen Seite her ist das kein Thema", erklärt die Schulpsychologin, doch zu bedenken sei, dass die emotionale Seite noch nicht so weit gereift sei wie die ihrer potenziellen Klassenkameraden.

Konflikt zwischen Unterforderung und Überforderung

Die psychologische Diagnostik kann zwar die Begabungen orten, aber keine Richtlinien für das soziale und emotionale Umfeld aufstellen. Das ist Sache der Pädagogik. Aber auch die kann den Eltern die Entscheidung nicht abnehmen. Julias Eltern sind hin- und hergerissen zwischen Unterforderung auf der einen und Überforderung auf der anderen Seite. Die Schulpsychologin versichert ihnen, dass sie sich nicht falsch entscheiden können: "Das Gefühl der Eltern, wo sie ihre Tochter am besten aufgehoben sehen, sollte in diesem Fall ausschlaggebend sein". Julia wird jetzt nach den Sommerferien in die erste Klasse gehen.

Mangelhafte Tests bei kommerziellen Anbietern

Auch andere Eltern sind mit der Hochbegabung ihres Nachwuchses überfordert und fühlen sich manchmal allein gelassen. So suchen sie zum Beispiel im Internet via Diskussionsforen andere "LeidensgenossInnen", um Erfahrungen auszutauschen. Hochbegabung ist bildungspolitisch in Mode. Das und die Verunsicherung vieler Eltern öffnen eine Marktlücke für kommerzielle Anbieter. Für deren Hochbegabungstests müssen die Eltern tief ins Portmonee greifen und werden dafür oft schlecht beraten. Ursula Hellert, die Schulleiterin der Christophorusschule in Braunschweig, die schon seit Jahren Sonderklassen für Hochbegabte anbietet, hat Verständnis für Eltern, die kommerzielle Anbieter aufsuchen und später aus allen Wolken fallen, wenn die zweite Diagnose lautet: Nicht hochbegabt. "Wie sollen Eltern zwischen schlechten und guten Beratern auch unterscheiden können?" fragt die Direktorin der Christophorusschule. Dabei sei dieses Urteil - nicht das Prädikat "hochbegabt" verliehen zu bekommen - ja nicht schlimm, denn Kinder, die einmal als hochbegabt eingestuft worden sind, werden immer sehr begabt bleiben. Nur eben nicht hochbegabt. Und das sind eben nun einmal nur 2% der Gesamtbevölkerung. Schuld an der ersten Fehleinschätzung ist, dass oft ein Testverfahren eingesetzt wird, das nicht den gesamten Intelligenzbereich abdeckt oder dass Kinder zu früh getestet werden.

Erst ab 12 verbindliche Aussagen

Die psychologische Diagnostik ist das Instrument mit dem die Intelligenz getestet werden kann. In zahlreichen Verfahren bestimmen die Berater nicht nur, wie intelligent ein Kind ist, sondern auch auf welche Art. Bildungsabhängige Tests prüfen über Zahlen-Reihen und Wort-Analogien die sprachlich-quantitative Wahrnehmung und das Gedächtnis. In den bildungsunabhängigen Tests erforscht man mit grafischen Strukturen die "flüssige Intelligenz", die hauptsächlich auf Logik aufbaut. Über allem schwebt aber der sogenannte G-Faktor, die Grundintelligenz, dessen Standort auf der Intelligenzmesslatte mit der Problemlösungsfähigkeit des Kandidaten zusammen hängt. Intelligenz wird hier als hierarchisches Modell verstanden: Bei einem hohen G-Faktor vermuten die Experten auch Begabungen in anderen Bereichen.
Erst ab 12 Jahren können allerdings verbindliche Aussagen über die Hochbegabung getroffen werden. In frühester Kindheit können Begabungen zwar auch erkannt, aber aufgrund der noch zu erwartenden Entwicklungssprünge nicht garantiert werden. "Manche können mit einem Jahr laufen, andere erst mit 2 Jahren. Aber irgendwann laufen sie alle", schmunzelt Ursula Hellert.

 

Autor(in): Udo Loffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 20.06.2000
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