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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 13.02.2003:

Drei-Viertel-Schule aus dem Norden

Finnlands Schulen haben ein Betreuungsproblem

"Wir brauchen jeden, hoffnungslose Fälle können wir uns nicht leisten", betont Jukka Sarjala, Präsident des finnischen Zentralamtes für das Unterrichtswesen, gerne. Ein Erfolgsgeheimnis des finnischen Pisa-Testsiegers ist der hohe Stellenwert, den Bildung als das wichtigste Instrument der Chancengleichheit genießt. Alle Schüler besuchen nach der Vorschule bis zum 17. Lebensjahr eine Art Gesamtschule. Erst dann trennen sich ihre Wege: Abitur, berufsbildende Schule oder ein letztes Jahr auf der Gesamtschule, um dann in einen Beruf zu wechseln. Doch auch danach zeichnet sich das finnische Schulsystem durch etwas aus, was hierzulande nur sehr unzureichend vorhanden ist: Durchlässigkeit der Schulformen.

Kein Konkurrenzdruck unter Schülern
Auch das Lernen selbst unterscheidet sich von der deutschen "Paukerschule". Lernen soll in finnischen Schulen Spaß machen, praktische Kenntnisse vermitteln und die Neugierde der Kinder wecken. "Der Druck kommt nicht von außen, sondern von den Kindern selbst", sagt Aila-Leena Matthies, Professorin für Methoden der Sozialen Arbeit an der Hochschule Magdeburg-Stendal, im Interview mit Bildung PLUS. Selbst in der Oberstufe muss der Spaß am Lernen nicht vergehen, denn die Schüler können sich viele Kurse nach ihren Interessen und Neigungen auswählen. Leistung kommt in Finnland auch ohne Noten aus - zumindest bis zur Oberstufe. "Das Feedback der Lehrer basiert auf dem Vergleich der Kinder mit ihren eigenen Möglichkeiten. Es ist völlig uninteressant für ein Kind, ob es besser oder schlechter ist als seine Klassenkameraden", so Aila-Leena Matthies. 

Einzelunterricht füllt Wissenslücken
Der Gefahr, dass schwächere Schüler den Anschluss verlieren, wird mit Einzel- oder Gruppenunterricht begegnet. Die integrative Förderung greift nicht irgendwann, sondern sobald Wissenslücken oder ein auffälliges Verhalten auftreten. Psychologen, Sonderschullehrer, Lehrerassistenten und Sozialarbeiter kümmern sich in jeder Schule ganz individuell um die Schüler. Das klappt aber auch nur so gut, weil die Schulen trotz Zentralabitur sehr selbstständig sind. Helsinki ist weit weg und Lehrerstellen werden vor Ort besetzt, der Lehrplan und Stundenrahmen selbst gestaltet. Eine wichtige Rolle spielen auch die Eltern, deren Präsenz sich nicht auf gelegentliche Elternabende beschränkt. Sie werden bei Problemen ihres Kindes sofort informiert und sollen gemeinsam mit den Lehrern nach Lösungen suchen.

Betreuungsproblem am Nachmittag
Dass auch Finnland keine Oase der perfekten Schule ist, zeigt sich in der Nachmittagsbetreuung. Der Sparzwang der Kommunen hat in den letzten Jahren für eine Lücke in der Nachmittagsbetreuung gesorgt, die viele Schulen zu provisorischen Lösungen zwingt. Vor allem die ersten und zweiten Klassen, die weniger Wochenstunden haben als die älteren Jahrgänge, sind oft nach dem Mittagessen auf sich allein gestellt. Neben den externen Partnern wie Vereinen, mit denen auch in Deutschland kooperiert wird, sollen landesweite Modellprojekte helfen, diese Versorgungslücke zu schließen. Der Weg in Finnland könnte auch in Richtung Ganztagsschule mit festen Öffnungszeiten gehen, denn bislang ist es eher, so Aila-Leena Matthies, eine "Drei-Viertel-Schule".

Autor(in): Udo Löffler
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Datum: 13.02.2003
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