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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 28.09.2017:

„Der Akkreditierungsrat bekommt zentrale Befugnisse übertragen.“

Ein neues Akkreditierungssystem
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Bildrechte: Dr. Iring Wasser

Am 12. und 13. September 2017 fand die Fachtagung „Zeiten des Wandels der deutschen Hochschullandschaft: Die Neuordnung des deutschen Akkreditierungssystems ab 2018“ statt, die ASIIN e.V., Akkreditierungsagentur für Studiengänge der Ingenieurwissenschaften, der Informatik, der Naturwissenschaften und der Mathematik, mit ausgerichtet hat. Im Zentrum der Veranstaltung standen die Ausgestaltung und die Auswirkungen des neuen Staatsvertrags zur Akkreditierung und seine Umsetzung durch eine entsprechende Rahmenrechtsverordnung. Die Online-Redaktion von „Bildung + Innovation“ sprach mit Dr. Iring Wasser, Geschäftsführer von ASIIN, darüber, was sich in Zukunft am Akkreditierungssystem ändern wird.


Online-Redaktion: Herr Dr. Wasser, waren Sie mit dem Verlauf der Tagung zufrieden?

Wasser: Ja, sehr. Auch die Rückmeldungen, die wir bekommen haben, waren außerordentlich positiv. Bisher wurden die Diskussionen um die Erstellung des Staatsvertrages und vor allem auch um die Rahmenrechtsverordnung weitgehend intern von Arbeitsgruppen der Kultusministerkonferenz (KMK) geführt. Unsere Fachtagung bot die erste und vermutlich einzige Gelegenheit für alle Stakeholder - Verantwortliche für Studium und Lehre, Rektoren, Prorektoren, Qualitätsmanagementbeauftragte, Mitarbeiter aus den Agenturen, der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und dem Akkreditierungsrat -, etwas über die Neuerungen aus erster Hand zu erfahren und gemeinsam zu erörtern. Entscheidende Gestalter des Neuordnungsprozesses waren eingeladen und hielten Vorträge, wie Dr. Dietmar Möhler vom nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium, Leiter der Arbeitsgruppe „Akkreditierung der KMK“, Dr. Olaf Bartz, Geschäftsführer vom Akkreditierungsrat und auch Prof. Dr. Monika Gross, Vizepräsidentin der HRK. Sie hat zum ersten Mal öffentlich etwas zum zukünftigen System der Gutachterauswahl gesagt, das zukünftig in die Zuständigkeit der HRK fällt. Vor diesem Hintergrund war die Resonanz auf die Tagung sehr groß, alle wollten noch einmal die Gelegenheit nutzen, im gemeinsamen Kreis das zu diskutieren, was ab dem 1. Januar 2018 die interne und externe Qualitätssicherung für den deutschen Hochschulsektor maßgeblich bestimmen wird.

Online-Redaktion: Wieso ist eine Neuordnung des deutschen Akkreditierungssystems notwendig?

Wasser: Das Bundesverfassungsgericht hat am 17. Februar 2016 den Beschluss erlassen, dass einer verbindlichen externen Qualitätssicherung durch Akkreditierung zwar keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen, der Gesetzgeber die für die Akkreditierung wesentlichen Entscheidungen aber selbst definieren und vor allem gesetzlich verankern muss. Dazu gehören die Normierung inhaltlicher sowie verfahrens- und organisationsbezogener Anforderungen an die Akkreditierung, die wissenschaftlich adäquate Zusammensetzung der Entscheidungsakteure und ein Verfahren zur Aufstellung und Revision der Bewertungskriterien.

Vor diesem Hintergrund ist in den letzten 18 Monaten der Staatsvertrag zur Neuordnung des Akkreditierungssystems verabschiedet worden, den alle 16 Länder bereits unterschrieben haben und der sich zurzeit im Ratifizierungsprozess befindet. Er soll am 1. Januar 2018 in Kraft treten. Parallel dazu wird jetzt in den KMK-Gremien eine Muster-Rechtsverordnung erstellt, die sich mit der Umsetzung des Staatsvertrages beschäftigt. Wenn diese verabschiedet wird - auch dies soll bis Jahresende passieren - müssen in den 16 Bundesländern noch die entsprechenden Landesrechtsverordnungen verabschiedet werden.

Online-Redaktion: Welche Fragen standen im Fokus der Veranstaltung?

Wasser: Insgesamt ging es um die Frage, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts juristisch und politisch einzuordnen ist und wie die operative Umsetzung des neuen Regelungswerkes vonstattengeht. Wir haben uns damit auseinandergesetzt, was sich im neuen Akkreditierungssystem zukünftig ändern und was gleich bleiben wird, und wie sich das Rollenverständnis von Hochschulen, Agenturen und Akkreditierungsrat neu justiert. Außerdem ging es um die Fragen, wie sich Staatsvertrag und Muster-Rechtsverordnung in der Alltagspraxis der Hochschulen auswirken und welche Bedeutung der fachspezifische Referenzrahmen im neuen System haben wird. Schließlich haben wir aus Agenturensicht noch einmal beleuchtet, welche neuen Instrumente und Angebote im neuen System vorkommen, die auf intelligente Weise interne und externe Qualitätssicherung zukünftig miteinander verknüpfen lassen.

Online-Redaktion: Welche Ziele werden bei der Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems verfolgt? Was wird sich ändern, was wird bleiben?

Wasser:
Die KMK und die Arbeitsgruppe der KMK haben mit den Vorlagen zum Staatsvertrag und vor allem auch mit der Muster-Rechtsverordnung alles getan, um das System aus ihrer Sicht rechtssicherer zu machen. Eine der zentralen Änderungen, die ansteht, ist die, dass die Akkreditierungsentscheidungen zukünftig ausschließlich durch den Akkreditierungsrat gefällt werden. Jede abschließende Entscheidung der Programm- und Systemakkreditierung wird nicht mehr wie bisher von den Agenturen, sondern vom Akkreditierungsrat getroffen. Es wird zukünftig zwei Rechtsverhältnisse geben: Die Hochschulen beauftragen eine Agentur durch einen privatrechtlichen Vertrag damit, den Prozess der Akkreditierung wie bisher durchzuführen, von der Zusammenstellung der Gutachterteams, über die Sichtung des Selbstberichtes, die Vorort-Begehung und die Berichtslegung, zukünftig differenziert nach einem formalen und einem inhaltlichen Teil. Die Hochschule legt diesen Abschlussbericht dann dem Akkreditierungsrat vor.

Was sich auch ändert, ist die Zusammensetzung des Akkreditierungsrates. Vertreter der Hochschulen sollen zukünftig die Mehrheit bilden. Wenn es um fachliche Fragen geht, haben sie sogar doppeltes Stimmrecht. Die HRK wird für alle verbindlich ein Konzept der Gutachterauswahl erarbeiten und auf ihren Gremiensitzungen im November verabschieden. Darüber hinaus macht sich der Staat Hoffnungen, dass es mit dem neuen System zu weiteren Kostenreduzierungen kommt, dass man zunehmend auf elektronische Formen der Antragsbearbeitung übergeht und Verfahren weiter entschlackt werden – in einem schon bisher wettbewerbsintensiven System besteht die große Gefahr, dass die Rationalisierungsbemühungen dabei zu Lasten der Qualitätssicherung und -entwicklung gehen könnten.

Online-Redaktion: Was bedeutet die Neuordnung für das Beziehungsgeflecht zwischen Hochschulen, Akkreditierungsagenturen und Akkreditierungsrat?

Wasser: Eine entscheidende Rollenveränderung besteht darin, dass der Akkreditierungsrat neue zentrale Befugnisse übertragen bekommt. Wie ausgeführt, befindet er abschließend über alle Akkreditierungsentscheidungen. Gegen diese Entscheidungen, allesamt Verwaltungsakte, können Hochschulen nur gerichtlich vorgehen. Die Zulassung zum deutschen Akkreditierungsmarkt, bislang Prärogativ des Akkreditierungsrates, wird im neuen System an das Europäische Register (EQAR) abgetreten, der Rat hat auch nicht mehr den Anspruch, zukünftig als Wettbewerbshüter zu fungieren.
Was die Rollen der Hochschulen und Agenturen anbelangt, steht und fällt das neue System damit, ob die Bewertungsberichte, die die Agenturen den Hochschulen zur abschließenden Befindung durch den Akkreditierungsrat übergeben, weitgehend mängelfrei sind, damit der Akkreditierungsrat mit einer Fülle anstehender Verwaltungsakte nicht überfordert wird.

Online-Redaktion:
Welche neuen Instrumente der internen und externen Qualitätssicherung wird es geben?

Wasser: Dazu kann man noch nichts Abschließendes sagen, da die Muster-Rechtsverordnung noch in Arbeit ist. Dr. Dietmar Möhler, Leiter der Arbeitsgruppe „Akkreditierung der KMK“, hat in seinem Vortrag zwar inhaltlich einige Punkte angesprochen, es gab aber keine Gelegenheit, die 36 Regelungsparagraphen, die es offensichtlich geben soll, im Detail zu besprechen. Angekündigt wurde ein Konsultationsprozess zur Muster-Rechtsverordnung, wobei die Anhörungszeit sehr knapp bemessen und die Aussicht auf entscheidende Änderungen wohl gering sein wird. Erwähnenswert ist, dass sich die Länder das Recht vorbehalten, in ihren Landesrechtsverordnungen, die parallel zur Muster-Rechtsverordnung entwickelt werden, gegebenenfalls zusätzliche Punkte für den eigenen Landeskontext zu benennen, was zu einer Zersplitterung der Regelungen führen würde.

Online-Redaktion: Können Sie Einschätzungen dazu geben, wie sich Staatsvertrag und Muster-Rechtsverordnung in der Alltagspraxis der Hochschulen auf Abläufe, Verfahrensgrundsätze und Kriterien auswirken werden?

Wasser: Es wird in Zukunft zwei Akteure geben, die de facto Verwaltungsakte erlassen können. Neben dem Akkreditierungsrat bekommen auch die systemakkreditierten Hochschulen das Recht, ihre eigenen Studiengänge zu akkreditieren. Das macht die Logik der Systemakkreditierung aus, dass eine systemakkreditierte Hochschule nicht mehr jeden einzelnen Studiengang bei einer Agentur einreichen muss, sondern selbst das Recht hat, eigene Studiengänge zu akkreditieren. Sie internalisiert sozusagen den Prozess der externen Programmakkreditierung. Indem sie das tut, stellt sie de facto auch Verwaltungsakte aus. Die Anforderungen an die interne Qualitätssicherung der Hochschulen werden also hoch sein, denn sie übernehmen dann zum Teil die Arbeit der Agenturen. Zu den Kriterien der Programm- und Systemakkreditierung selbst wurde wenig gesagt, da es zurzeit vorrangig um den rechtlichen Rahmen, um Verfahrensgrundsätze und Rechtsverordnungen geht. Zu einem späteren Zeitpunkt werden sicher die einschlägigen Kriterien der Programm- und der Systemakkreditierung überarbeitet.

Online-Redaktion: Welche Bedeutung haben fachspezifische Referenzrahmen im neuen Akkreditierungssystem?

Wasser:
Fachspezifische Referenzrahmen sind Orientierungsrahmen, die helfen, den Begutachtungsprozess objektiver und effizienter zu machen, und auch für die curriculare Entwicklung in den Hochschulen hilfreich sind. ASIIN hat schon seit ihrer Gründung Wert darauf gelegt, dass für Deutschland, aber auch für Europa abgestimmte, fachliche Referenzsysteme, Kompetenzprofile und Qualifikationsrahmen in einem umfassenden Stakeholder-Prozess für den MINT-Bereich entwickelt wurden, die europäisch aufeinander abgestimmt sind. Ein erfolgreiches Beispiel sind Qualitätskriterien für ingenieurwissenschaftliche Studiengänge, die mittlerweile von allen großen Ingenieurnationen in Europa angewendet werden und für die ein spezielles „EUR-ACE (EURopean ACcredited Engineer) Label“ einen hohen Qualitätsstandard ausweist. Die Organisation, die disziplinär organisierte europäische Qualitätsverbünde im Hochschulbereich unter ihrem Dach vereinigt, nennt sich European Alliance for Subject Specific and Professional Accreditation; Ende 2017 endet meine 6-jährige Präsidentschaft von EASPA, am 11. Dezember 2017 laden wir in Düsseldorf zu einer globalen Konferenz der fachspezifischen Akkreditierungsverbünde ein, bei der diese Themen im Mittelpunkt stehen werden.

ASIIN hat schon früh mit der Fachcommunity (Fakultätentage, Fachbereichstage, Industrieverbände und Fachgesellschaften) einen Konsens erarbeitet, was ein Ingenieur an Kompetenzen mitbringen soll. Das hat dazu geführt, dass wir seit November 2015 gemeinsam mit dem Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultätentag, mit den 4Ing-Fakultätentagen, das sind die Fakultätentage der Ingenieurwissenschaften und Informatik, und auch mit der Konferenz der Fachbereichstage der Fachhochschulen ein Bündnis geschlossen haben, um die bereits existierenden Fachreferenzsysteme weiter aufzubereiten und auf optionaler Basis, also auf Wunsch der Hochschulen, und unter Wahrung der Grundsätze der Freiheit von Forschung und Lehre für das Gesamtsystem zur Verfügung zu stellen. Gutachter gleichen diese Kompetenzprofile dann gegen Studiengänge ab. Damit wollen wir sicherstellen, dass das Grundrecht auf Berufsfreiheit, Artikel 12 des Grundgesetzes, gegeben ist, denn das geht nur, wenn eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse und eine Vergleichbarkeit der Kompetenzen vorliegen.


Dr. Iring Wasser ist seit 2001 Geschäftsführer der ASIIN e.V. Die Akkreditierungsagentur für Studiengänge der Ingenieurwissenschaften, der Informatik, der Naturwissenschaften und der Mathematik e.V. mit Sitz in Düsseldorf setzt sich national wie international für die Anerkennung, Vergleichbarkeit und Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen ein. Seit 2007 ist er auch C.E.O. der ASIIN Consult GmbH.

 

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 28.09.2017
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