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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 09.08.2002:

Bücherwürmer gesucht!

Die Förderung von Lesekompetenz
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Antolin

Lesekompetenz war ein zentraler Untersuchungsgegenstand der PISA-Studie. Dabei ist Lesekompetenz mehr als einfach nur lesen zu können. „Unter Lesekompetenz versteht PISA die Fähigkeit, geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht zu nutzen.“.... Lesekompetenz ist „nicht nur ein wichtiges Hilfsmittel für das Erreichen persönlicher Ziele, sondern eine Bedingung für die Weiterentwicklung des eigenen Wissens und der eigenen Fähigkeiten – also jeder Art selbstständigen Lernens...“.

Hinsichtlich der Leseleistung deutscher Schüler/innen ergab die Studie ein differenziertes Bild: Mit ca. 20 Prozent der 15-Jährigen ist der Anteil der Schüler/innen, die nur fähig sind auf einem elementaren Niveau zu lesen, ungewöhnlich hoch. Nur vier Länder schnitten bei dem Test noch schlechter ab. Bei den sehr guten Leseleistungen stehen deutsche Schüler/innen im internationalen Vergleich etwas besser da. Hier rangieren sie mit 9 Prozent knapp unter dem OECD-Durchschnitt. Bedenklich ist allerdings die Tatsache, dass 42 Prozent der befragten Schüler/innen nicht zum Vergnügen lesen. Hier bildet Deutschland das Schlusslicht.

Was ist also zu tun, angesichts dieser Ergebnisse, die unterschiedlich interpretiert und diskutiert werden?
Es gibt in Deutschland bereits eine Vielzahl von Bemühungen – nicht erst seit PISA – Kinder an das Lesen heranzuführen und Freude am Lesen zu wecken. Eine kleine Auswahl soll zeigen, wie engagierte Erzieher/innen, Lehrer/innen und Eltern sich darum bemühen, dass im „Land der Dichter und Denker“ und im Zeitalter der Computer gelesen wird. Lesen macht nicht nur Vergnügen, sondern ist „eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ (PISA).

Lust auf Lesen durch Vorlesen
Seit Sommer 2000 gibt es in Berlin das Projekt „Lesewelt – wir lesen vor“. Ehrenamtliche Vorleser/innen – es sind fast ausschließlich Frauen – lesen deutschen und Kindern ausländischer Herkunft, die bislang keinen unmittelbaren Zugang zur phantastischen Welt der Bücher haben, in neun Berliner Kinderbibliotheken vor. Spielerisch werden die Kinder mit der deutschen Sprache vertraut gemacht, es wird auch erzählt, gelacht, erklärt, zugehört und, wenn die Konzentration nachlässt, gemeinsam gespielt. Das erfolgreiche Engagement von Carmen Stürzel und ihrem Team wurde mit dem Integrationspreis der Ausländerbeauftragten des Berliner Senats ausgezeichnet.
Um das Projekt erfolgreich fortsetzen zu können, werden dringend Spenden gebraucht.

Lust auf Lesen durch den Computer
Was zunächst einmal wie ein Widerspruch anmutet, ist keiner: Lust auf Lesen durch Computer. So hat das Landesinstitut für Schule NRW in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei in Hamm das Projekt „Kinder lesen“ ins Leben gerufen. Das Internet-Angebot zur Leseförderung richtet sich an Schüler/innen, Lehrkräfte und Eltern. Also, reinschauen und mitmachen.

Ein Internet-Angebot ganz anderer Art hält „Antolin.de“ bereit.
Die Online-Redaktion befragte dazu Albert Hoffmann, Konrektor an der Grund- und Teilhauptschule Ruderting und Initiator von Antolin.de.

Bildung PLUS: Es gibt zahlreiche Projekte und Initiativen, die Kinder an das Lesen heranführen sollen. Wodurch zeichnet sich Ihr Projekt "Antolin.de" aus?

Hoffmann: In wohl einzigartiger Weise führt Antolin.de ein altes und neues Medium zusammen. Kinder und Jugendliche beschäftigen sich plötzlich intensiv mit dem alten Medium Lesen, wenn das Lesen von Büchern mit der Motivationskraft des neuen Mediums Internet in Verbindung gebracht wird. Als Nebeneffekt erfolgt - durchaus gewünscht - die Hinführung der Kinder in sinnvoller, verantwortungsbewusster Weise zu Computer und Internet.
Faszinierend ist die Einfachheit des Systems, so dass auch Erstklass-Schüler, sobald sie mit dem Lesen vertraut sind, Antolin.de spielend bedienen können.
Antolin.de ist für die Schüler auch deshalb interessant, da dieses System, zumindest für die speziellen Antolin-Lesestunden (innerhalb der regulären Deutsch-Unterrichtsstunden), eine offene, moderne Unterrichtsweise erfordert, die jeden Schüler seinen Interessen und Fähigkeiten gemäß arbeiten lässt. Schüler lesen in dieser speziellen Stunde individuell (Buchwahl/ Leseplatz), gehen selbstständig zum Computer/ ins Internet, beantworten die Fragen, sehen sich ihre Lese-Leistung schwarz auf weiß an (auch im Zusammenhang des bisher abgelaufenen Schuljahres), tauschen selbstständig ihr Buch um und kehren wieder zu ihrem Sitzplatz zurück.
Antolin.de ist für die Lehrer interessant: Sie erleben zusammen mit den Kindern angenehme, erholsame, wirkungsvolle Unterrichtsstunden. Die Kinder lesen in der Regel (sobald sie in dieses System eingeführt sind) sehr gerne, verhalten sich ruhig, freuen sich wieder auf die nächste Antolin-Lese-Stunde. Der Lehrer kann entspannen, auch selbst ein Buch lesen. Des Weiteren bekommt er über das Lehrer-Modul in Antolin eine aussagekräftige Übersicht über die tatsächliche Leseaktivität und Leseleistung des einzelnen Kindes.
Antolin.de ist auch für Eltern interessant: Sie verfolgen von zu Hause aus - per Internet - die Leseentwicklung ihres Kindes mit. Ihr Kind kann ihnen voller Stolz seine "Konto-Seite" mit all seinen Leistungen (gelesenen Büchern und die hiefür erreichte Punktzahl) zeigen. Die Eltern können aber auch dabei sein, wenn ihr Kind den Fragenkatalog zu einem Buch von zu Hause aus bearbeitet. Eine große Chance für Lehrer und Eltern, in gleichem Sinne auf die Kinder einzuwirken.
Antolin.de de ist ein Programm, das das Lese-Verständnis überprüft.

Bildung PLUS: Was hat Sie bewogen, Schüler über den Computer für das Lesen zu gewinnen?

Hoffmann: Es ist zunächst einmal die riesige Motivationskraft, die vom Computer bzw. Internet grundsätzlich ausgeht, die ich für mein Ziel, das Lesen zu fördern, nütze.
Einen weiteren Anreiz stellt die Kombination des Programms mit der dahinter liegenden Datenbank dar. Aufgrund dieser Datensammlung besitzt jeder Schüler sein individuelles "Konto", auf das seine Leistungen objektiv und systematisch eingetragen werden. Der Schüler kann seine erreichten Leistungen jederzeit und von jedem Ort (an dem Internet verfügbar ist) abfragen, er kann seine Leistungen Dritten (den Eltern, der Oma) zeigen und kann jederzeit selbstständig - ob während der Schulzeit, ob während der Ferien - Einfluss auf seinen Leistungsstand nehmen (d.h. weitere Bücher lesen und "eingeben").
Wohl die meisten Schulen in Deutschland und Europa besitzen inzwischen Computer und Internetanschluss. Die hiermit entstandenen Probleme sind: Wie können die Schüler sinnvoll an dieses neue Medium herangeführt werden? Was können sie sinnvoll damit anfangen? Antolin.de liefert eine gute Anwendungsmöglichkeit.

Bildung PLUS: Was ist ausschlaggebend dafür, dass Kinder lesen? Denn gelesen muss ja erst einmal werden, um "Antolin.de" zu nutzen?

Hoffmann: Grundsätzlich: Kinder, zumindest Leseanfänger und Grundschüler, lesen in der Regel gerne, wenn sie in netter Weise zum Lesen hingeführt werden. Oftmals allerdings bricht dieser so hoffnungsvoll begonnene Zugang zum Lesen wieder ab. Hier setzt Antolin.de ein.
Doch Antolin.de ersetzt den Lehrer nicht, auch nicht die Eltern und die Lese-Kultur innerhalb der Familie. Lehrer und Eltern bleiben die wichtigsten Kräfte innerhalb der Lese-Erziehung. Das ist auch der Grund, warum Antolin.de an die Schule, hier vor allem an den Klassenlehrer/ Deutschlehrer gekoppelt ist. Nur wenn der Lehrer eine positive Einstellung zum Lesen zeigt, wenn er sich für das interessiert, was Kinder lesen, wenn er sich über die Lesefortschritte seiner Kinder mitfreut, wenn er weitere Lese-Anregungen vielfältigster Art gibt, wird Antolin.de seine volle Wirkung erreichen. Das Entscheidende ist aber: Jetzt hat der Lehrer ein Mittel zur Hand, mit dem er in wirkungsvoller Weise auf die Lese-Aktivitäten seiner Schüler direkt und indirekt eingreifen kann. Die Zusammenarbeit mit den Eltern verstärkt diesen Prozess in nahezu idealer Weise. Unberührt bleibt ihre häusliche Erziehung zum Buch. Allerdings stellt Antolin.de auch für die Eltern eine große Hilfe dar.

Bildung PLUS: Welche Bücher sind die Renner?

Hoffmann: Alle Harry Potter-Bände, Märchenbücher, Wilhelm Buschs "Max und Moritz", "Die kleine Hexe"/ "Das kleine Gespenst" (Preußler), "Der fliegende Stern" (Wölfel), "Findefuchs" (Korschunow), "Eine Woche voller Samstage" (Maar)

Bildung PLUS: Welche Resonanz findet das Projekt bei den Kindern, aber auch bei Lehrern und Eltern?

Hoffmann: Für meine Schüler und für mich als Lehrer sind die "Antolin - Lesestunden" inzwischen die Lieblingsstunden der Woche geworden. Gemeinsam freuen wir uns hierauf.
In einem Anruf sagte mir ein Kollege: "Ich bin begeistert von Antolin. Es ist ein Freude zu sehen, wie meine Schüler nun lesen - und das bis zum letzten Schultag. Wie ich im letzten Jahr, seitdem wir Antolin an unserer Schule verwenden, beobachten konnte, stieg nicht nur die Lesequalität merkbar, sondern auch die Leistungen im gesamten Deutschbereich."
Und eine Mutter meinte: "Seit Antolin an unserer Schule eingeführt ist, liest mein Sohn Bücher. Er liest sie sogar sehr gerne. Früher war das Lesen für unseren Sohn eine einzige Quälerei."

Bildung PLUS: Gibt es messbare Ergebnisse?

Hoffmann: Richtige Forschungsergebnisse noch nicht. Dazu ist die Idee von Antolin wohl noch zu jung. Aber ich gebe gerne die Zahlen aus meiner letzt jährigen Klasse (4. Klasse) bekannt: Jedes Kind las im vergangenen Schuljahr im Schnitt 62 Bücher. Einige Kinder brachten es auf über 100 Bücher. Wir waren aber nicht die beste Klasse, die mit Antolin.de gearbeitet hat.

Autor(in): Ursula Münch
Kontakt zur Redaktion
Datum: 09.08.2002
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