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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 20.08.2015:

„Die Initiative VerA und der SES sind das Beste, was mir passiert ist.“

Senioren im Ruhestand unterstützen Auszubildende
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Initiative VerA

Die Initiative VerA des Senior Experten Service (SES) stellt Auszubildenden, die kurz davor sind, ihre Ausbildung abzubrechen, einen Ausbildungsbegleiter an die Seite. Diese Senioren im Ruhestand helfen den jungen Menschen mit ihrer Berufs- und Lebenserfahrung.


„Ohne die Hilfe eines Ausbildungsbegleiters hätte ich es nicht geschafft, die Ausbildung beim ersten Mal zu bestehen“, gibt Benjamin unumwunden zu. Benjamin, 22, hatte eine Ausbildung als Verkäufer angefangen und stand kurz davor, sie abzubrechen. Ihm fehlte einfach die Energie. Sein Lehrer machte ihn auf die Initiative VerA aufmerksam, die Auszubildenden zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen Ausbildungsbegleiter an die Seite stellt. Er bewarb sich, und zwei Tage später meldete sich der ehemalige Lehrer Willi Sch. bei ihm. „Am Anfang verliefen die Sitzungen nicht so toll, da ich auch immer noch träge war. Aber so ab dem zweiten Lehrjahr hat es sich dann geändert. Ich habe mich verbessert durch Herrn Sch. und seine Geduld mit mir. Das Fachrechnen hat sich bei mir um zwei Noten verbessert. Vorher war ich schlechter. Die Initiative VerA und der SES sind das Beste, was mir passiert ist. Ich kann jedem Azubi diese Organisation empfehlen.“

Auch Maria, 20, ist sicher, dass sie ihre Ausbildung zur Friseurin alleine nicht durchgestanden hätte: „Meine Ausbildungsbegleiterin hat mir geholfen, meinen Job und mein Kind unter einen Hut zu bekommen. Ich hab mich einfach total überfordert gefühlt. Meine Eltern stammen aus Brasilien. Bei uns zu Hause wurde kaum Deutsch gesprochen. In der Schule und Berufsschule hatte ich deshalb immer Schwierigkeiten mitzuhalten. Ich habe außerdem einen Sohn, er ist jetzt zwei. Die Ausbildung im Friseursalon, die Berufsschule, Hausaufgaben und unser Kind: Ich hab das alles nicht mehr geschafft. Meine Noten wurden immer miserabler, und ich hatte immer öfter Ärger mit der Chefin. Ein Lehrer an der Berufsschule hat mich dann auf VerA aufmerksam gemacht, und seit sechs Wochen treffe ich mich mit meiner Ausbildungsbegleiterin. Mit ihrer Hilfe habe ich einen Salon gefunden, der bereit ist, mich in Teilzeit auszubilden – und die Betreuung für meinen Sohn zu organisieren. Jetzt geht es an die Noten in der Berufsschule: Endlich habe ich das Gefühl, dass mir nicht mehr alles über den Kopf wächst“, freut sie sich.

SES-Ausbildungsbegleiter verhindern Ausbildungsabbrüche
Jeder vierte Jugendliche bricht in Deutschland seine Ausbildung ab, oft schon im ersten Lehrjahr. Wenige, nur jeder zweite, setzt sie dann in einem anderen Betrieb oder in einem anderen Beruf fort. Um Abhilfe zu schaffen, hat Ende 2008 die größte deutsche Ehrenamtsorganisation für Fach- und Führungskräfte im Ruhestand – der Senior Experten Service (SES) – zusammen mit den Spitzenverbänden der deutschen Industrie, des Handwerks und der freien Berufe die Initiative VerA zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen gegründet. VerA wird im Rahmen der Initiative Bildungsketten vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ist ein Angebot für alle Jugendlichen, die aus unterschiedlichen Gründen kurz davor stehen, ihre Ausbildung abzubrechen. Einigen fehlt die Kraft und Ausdauer, andere kommen mit dem Stoff nicht mit, leiden unter Prüfungsangst, haben Ärger mit Ausbildern oder Lehrern oder suchen einen anderen Ausbildungsplatz, weil sie mit ihrer ersten Wahl falsch lagen. Wenden sie sich in ihrer Not an den SES, stellt dieser ihnen einen Senior-Experten zur Seite. Das sind Frauen und Männer, die im Ruhestand sind und viel Berufs- und Lebenserfahrung haben. Sie kümmern sich um „ihren“ Azubi, geben ihm Halt und Orientierung und werden nicht selten seine Vertrauensperson. „Wir Ausbildungsbegleiter nehmen uns Zeit, machen Mut, wenn nötig solange, bis der Jugendliche sein Abschlusszeugnis in den Händen hält“, erzählt Franz D., 67, Ausbildungsbegleiter aus München. Er freut sich, dass er auch im Ruhestand jungen Menschen helfen kann. „Es ist schon beeindruckend, was Azubis in kurzer Zeit so alles schaffen müssen – auf jeden Fall mehr als ich damals. Deshalb ist es wirklich keine Schande zu sagen: „Ich brauche Hilfe!“. Ich helfe „meiner“ Auszubildenden bei den Prüfungsvorbereitungen. Einmal in der Woche besprechen wir, was sie nicht verstanden hat. Ganz wichtig dabei: Es gibt keine dummen Fragen! Hauptsache, am Ende sitzt alles, und es klappt mit einem ordentlichen Abschluss. Vor allem mit dem technischen Zeichnen tut sie sich schwer. Wenn sie etwas nicht versteht, gehe ich auch schon mal in die Werkstatt und baue schnell ein Modell. Alles in allem glaube ich, der ordentliche Abschluss ist in Sicht“, ist Franz D. zuversichtlich.

Die Senioren bringen ihr Wissen und ihre Erfahrung ein
Die Senior-Experten bringen Fachwissen aus Industrie, Handwerk und vielen technischen, kaufmännischen und sozialen Berufen mit. Sie beantworten ihren Schützlingen fachliche Fragen, begleiten sie bei Übungen für die Berufspraxis, unterstützen ihre Prüfungsvorbereitungen, fördern aber auch sprachliche Defizite, die soziale Kompetenz und die Lernmotivation der jungen Menschen. Außerdem versuchen sie auf das Vertrauensverhältnis zwischen „ihrem“ Auszubildendem und seinem Ausbilder bzw. Berufsschullehrer positiv einzuwirken. So wie Elke S., 69, Ausbildungsbegleiterin aus Dresden. Ihre junge Auszubildende fühlte sich von ihren Arbeitskollegen ungerecht behandelt. Oft wurde ihr gesagt, sie sei unfähig. So war sie kurz davor, alles hinzuwerfen. Elke S. zeigte ihr den Weg: „Bei unserem ersten Treffen in einem Café haben wir uns mal ganz genau angeschaut, was eigentlich in der Ausbildung schiefläuft. Sie ist eher ein zurückhaltender Typ, da war der raue Ton der männlichen Kollegen manchmal schwer auszuhalten. Ich habe ihr klargemacht, dass man manchmal einstecken muss, aber dass man sich auch nicht alles bieten lassen darf. Wir haben geübt, wie sie schlagfertig und selbstbewusst reagieren kann. Sie selbst sagt, dass sie wieder gern arbeiten geht und nicht mehr jede Stunde bis zum Feierabend zählt!“

Persönliche Treffen sind entscheidend

Die Ziele legen die Senior-Experten mit den Jugendlichen gemeinsam fest. Regelmäßige Treffen sind das A und O jeder VerA-Begleitung. SES-Ausbildungsbegleiter sind ehrenamtlich tätig – sie erhalten zur Deckung ihrer Kosten eine Aufwandspauschale – und werden auf ihre Aufgabe gezielt vorbereitet. Wenn sie das Bedürfnis haben, treffen sie sich mit anderen VerA-Begleitern zum Erfahrungsaustausch oder wenden sich an einen der 70 VerA-Regionalkoordinatoren. Die VerA-Begleitungen sind für den Auszubildenden und den Ausbildungsbetrieb kostenlos. Sie gehen über zwölf Monate, können aber bis zum Abschluss der Lehre verlängert werden. Viele SES-Experten helfen auch dann, wenn das Ausbildungsverhältnis vorzeitig beendet wird, und machen sich gemeinsam mit ihrem Schützling auf die Suche nach einem geeigneten neuen Ausbildungsplatz.

Der Senior Experten Service (SES) hat seinen Sitz bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit in Bonn. Das Angebot gilt aber bundesweit. In jedem Bundesland gibt es Regionalkoordinatoren, die die hunderten Expertinnen und Experten, die sich täglich für VerA engagieren, zuordnen. Anfragen kann jeder stellen: der Auszubildende, seine Eltern, die Berater bei den Kammern, der Ausbildungsbetrieb oder die Berufsschulen. Die Auswahl des Begleiters trifft dann der SES.






Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 20.08.2015
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