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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 06.01.2011:

DDR-Geschichte in Ton und Bild

Das Schulprojekt „Eure Geschichte“

„DDR? Keine Ahnung!“ Vielen Schülerinnen und Schülern ist die Geschichte der DDR fremd. Als die Mauer 1989 fiel, waren die heutigen Abiturienten noch nicht auf der Welt. Umso wichtiger ist es, im Schulunterricht Geschichte(n) rund um den DDR-Alltag anschaulich zu machen und nicht nur auf reines Fakten- und Textwissen zu setzen. Das multimediale Schulprojekt „Eure Geschichte“ gibt dazu reichhaltig Gelegenheit, indem es eine Fülle an audiovisuellen Materialien für Schüler und Lehrer anbietet.

Kurz und anschaulich: Multimediale Infos zur DDR für gedrängte Lehrpläne
Zwar ist die DDR ab der 9. Klasse in allen Bundesländern und in allen Schultypen Lehrplan-Pflichtthema, doch stehen für die gesamte Geschichte nach 1945 gerade einmal 12 bis 15 Unterrichtsstunden zur Verfügung. Geschichtslehrer sind demnach gezwungen, Unterrichtsmaterial auszuwählen, das knapp und eindringlich den Schülern vermittelt, was zum Beispiel die Beweggründe für die friedliche Revolution waren, wie die Menschen den „demokratischen Sozialismus“ erlebten, warum die DDR ein Unrechtsregime war. „Eure Geschichte“, von Lehrern des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands (VGD) und der Redaktion „Damals im Osten“ des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) entwickelt, hilft hier weiter. Im Mittelpunkt stehen nicht Texte, sondern online verfügbare Audios und Videos aus dem MDR-Archiv. Mitglieder des VGD ergänzten diese Materialien durch didaktische Empfehlungen und Aufgabenblätter für Lehrerinnen und Lehrer des Fachs Geschichte. Das Portal ist frei zugänglich und somit für alle Schulen mit Internetzugang schnell und unkompliziert einsehbar.

Von „Alltag“ bis „Widerstand“
Das Portal bietet in einem virtuellen Klassenzimmer acht übergeordnete Themen: „Alltag und Nischenkultur“, „Grenzerfahrungen“, „Jugend und Bildung“, „Kultur und Sport“, „Opposition und Widerstand“, „Schlüsselereignisse“, „Staat und Politik“ sowie „Wirtschaft“. Zu diesen Hauptthemen finden sich nach einem kurzen informativen Teaser und einem passenden Bild zum Teil exemplarische Einzelthemen. In einer Pilotphase des Projekts sind bisher Materialien zu vier solcher speziellen Aspekte eingestellt: „Friedliche Revolution“, „Rockmusik“, „Leben in der Platte“ und „Kinderfernsehen“. Wer beispielsweise auf den Themenkomplex „Kultur und Sport“ klickt, kann Details zur „Rock- und Pop-Musik in der DDR“ erfahren. Rock- und Popgrößen der DDR, die sich nicht selten offen gegen die Beschränkungen des Staates gestellt haben, berichten in Video-Interviews von ihren ganz alltäglichen Herausforderungen als Künstler und Bürger. So laden die „Puhdys“ zu sich ins Wohnzimmer, und Klaus Renft, Sänger von „Renft“, erzählt, wie die Band 1975 wegen „Beleidigung der Arbeiterklasse und Diffamierung der Staatsorgane“ verboten wurde. Zum Thema „Jugend und Bildung“ sind Videos zum zwar gut gemachten, aber auch ideologisch eingefärbten Kinder- und Jugendfernsehen in der DDR einzusehen. Unter „Alltag und Nischenkultur“ machen Bewohner der Plattenbausiedlungen anschaulich, dass das sozialistische Bauparadies nach Plan in mehrfacher Hinsicht schnell rissig wurde. Interviewt wird beispielsweise das Ehepaar Schulz, das seit 1980 in der Plattenbausiedlung Gera-Lusan lebt.

Das eigentliche Plus des Portals - die persönliche Perspektive von Zeitzeugen

Diese ganz persönlichen Szenen mit Menschen, welche den Alltag der DDR erlebt haben, machen den eigentlichen Gewinn des multimedialen Portals „Eure Geschichte“ aus. Besonders spannend sind zum Einzelthema „Die friedliche Revolution von 1989“ Interviews mit Menschen, die sich offen gegen Unrecht in der DDR gestellt haben. So erzählt eine Wahlhelferin, wie sie den Wahlbetrug anprangerte und darum Repressalien erlebte. Dadurch können sich die Schülerinnen und Schüler nicht nur von den Ereignissen ein Bild machen, sondern ebenso von den bekannten, aber auch  unbekannten Akteuren des Alltags. Gerade letztere werden in der Geschichtsschreibung oft vernachlässigt, was auch Auswirkungen auf den Geschichtsunterricht hat. „Cäsar eroberte Gallien. Hatte er nicht wenigstens einen Koch dabei?“, fragte der Dichter Bertolt Brecht einst ironisch. Es ist ein großes Plus des Portals, dass nicht nur die Honeckers und Kohls zu Wort kommen, sondern auch diejenigen, ohne die Geschichte schlicht nicht stattfinden würde. Nur durch den „Mut der Namenlosen“, wie es in einem Video-Interview mit couragierten Wahlhelfern, Protestführern, Pfarrern und Lehrern heißt, wurde die friedliche Revolution möglich. Flankiert sind die Audio- und Videomaterialien durch schriftliche Hintergrundinformationen, Links zum Thema und weiterführende Literatur. Zudem regen Chatprotokolle, Arbeitsaufträge und Impulse zum Weiterdenken und interaktiven Mitmachen an. So können sich die Schüler an einem Song der „Puhdys“ einmal selbst als staatliche Zensoren versuchen, indem sie sich überlegen, welche Verse sie streichen würden und welche politischen Botschaften in und zwischen den Zeilen stecken.

Das multimediale Schulprojekt „Eure Geschichte“ befindet sich im Aufbau, viele Einzelthemen sind noch nicht online gestellt. Schon jetzt lässt sich das Portal jedoch als ein Gewinn für den Geschichtsunterricht bezeichnen. Zwar können die Videos und Audios den traditionellen Unterricht mit schriftlichen Quellen und Fakten nicht ersetzen. Hier könnte das Portal dem multimedialen Klassenzimmer einen kurzen einführenden Text zur Geschichte der DDR beistellen, unterstützt vielleicht durch eine Zeitleiste. Als wichtige Ergänzung zu Textquellen ist das Portal jedoch sehr sinnvoll, da Video-Interviews mit Zeitzeugen den Schülern etwas bieten, was Zahlen und Figuren in Schulbüchern in der Regel nicht leisten können: Sie machen die Quelle selbst lebendig.





Autor(in): Arndt Kremer
Kontakt zur Redaktion
Datum: 06.01.2011
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