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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 17.05.2001:

Nichts so konstant wie Veränderung

Schule muss kein isolierter Raum sein - Berliner Oberschule macht es vor

"Vieles wurde mir erst klar, seit ich aus der Schule raus bin. Die Arbeitslosigkeit, die Angst - all das ist noch da. Da ist es wichtig, selbst etwas zu machen. Aber das muss man einmal gelernt haben. Dazu muss man sich selbst kennen und sich selbst etwas zutrauen. Und das lernten wir bei den Künstlern. Und davon kam die Willenskraft sich Ziele zu setzen. Und wenn du Ziele hast, hast du Leben", erklärt eine ehemalige Schülerin der Freiligrath-Schule. In der Schule in Berlin-Kreuzberg, die sich als Schule im gesellschaftlichen Verbund versteht, leiten qualifizierte Personen und Unternehmen von draußen gemeinsam mit den Lehrern den Unterricht im Arena-Bereich, der gleichberechtigt neben dem Fachunterricht steht. In den Arenen können die Jugendlichen nach Interesse und Neigung lernen und arbeiten: Von Fotografie über Theater bis Bildhauerei - angeleitet von den sogenannten "Dritten" - qualifizierte Menschen und Unternehmen, die gemeinsam mit Lehrern den Unterricht bestreiten. Neigungen und Stärken der Jugendlichen, die mit dem Instrument Schule nicht messbar sind, kommen so an die Oberfläche und können gefördert werden. In der Arbeit mit den "Dritten" lernen die Schüler nicht nur für die Berufswelt: Sie arbeiten im Team, lösen Probleme und tanken Selbstvertrauen, denn die Arena ist eine öffentliche Bühne. Alle müssen ihre Arbeit und Leistung präsentieren - ob als Ausstellung in einer Galerie, einem Musical in der Schule oder auch schon mal eine Akrobatik-Aufführung vor den Augen des Bundespräsidenten.

Die Arena Natur und Technik zum Beispiel zeigt, dass man nicht immer pauken, büffeln und grübeln muss, um mathematische Gleichungen zu verstehen: Die Schüler spielen Schach. Das erhöht das die Verständnis für Logik und die Konzentrationsfähigkeit - inzwischen treten die Schüler schon bei Schachturnieren an.

Auch BMW drückt die Schulbank
Doch nicht nur die Schüler lernen, sondern auch die Lehrer und die Dritten drücken noch einmal die Schulbank. So ist Ulrich Franke, Aus- und Weiterbildungsleiter bei BMW in Berlin, überzeugt, dass sich nicht nur der schulische Unterricht verändern muss, sondern auch die Berufsausbildung in den Unternehmen selbst. Für die Zukunft wünscht sich der Ausbildungsleiter von BMW eine Ausbildung, die bereits in der Schule beginnt, damit Jugendliche nach der Schulzeit nicht wieder von vorne beginnen müssen. Außerdem wünscht er sich Lernumfelder, die auf das individuelle Lernen abgestimmt sind. Mit einer intensiven Verzahnung von Wirtschaft und Schule würden vielleicht auch die Auswahlverfahren überflüssig, mit denen die Unternehmen ihre Auszubildenden auswählen, so die Vision des BMW-Ausbildungsleiters. Schließlich ist, so Franke, "bei uns im Unternehmen nichts so konstant wie die Veränderung".

Ort der Sprachlosigkeit
Die Freiligrath-Schule hat schon einen langen Weg hinter sich: Seit 1990 feilt sie an ihrem Schulkonzept. Damals hieß das Programm Kreativität in die Schule (KidS), finanziert von BMW. Die Schule öffnete ihren Wahlpflichtbereich für Künstler, die mit den Schülern arbeiten wollten. Auslöser für den neuen Weg des Unterrichts waren die sozialen Begleitumstände: Es war und ist eine Schule von Minderheiten - in einem siebten Jahrgang bestanden damals drei von vier Klassen aus türkischen Kindern. Diese sprachen kaum deutsch und auch wenig türkisch. "Das war ein Ort der Sprachlosigkeit, was den Menschen zum Schweigen oder zum Gebrüll bringt", versucht Hildburg Kagerer die damaligen Verhältnisse zu schildern. Über die Stationen KidS (1990-1995), Modellversuch der BLK (1995-1999), führte die Entwicklung zum Schulversuch "im gesellschaftlichen Verbund", der laut Kagerer "Laborcharakter" hat.

Dritte verändern die gesamte Schule
Natürlich stellt die Arbeit mit den "Dritten" in der Schule alles auf den Kopf: Zeitstrukturen, Schulorganisation, die rechtliche Situation, Finanzierung und die Rolle des Lehrers. Der Lehrer wird plötzlich selbst zum Lernenden und steht wie die Schüler oft vor neuen, unbekannten Situationen. Gemeinsam entwickeln sie Instrumente, um das neue Terrain zu passieren. Die Dritten sind ein "konstruktiver Störfaktor", der die Schule zwingt Fragen zu stellen und Zweifel zu haben. So schaffte die Schulleitung den klassischen Stundenplan ab, denn "in solchen Zeiteinheiten lernt ja kein Mensch" mäkelten die "Dritten". Der Vorteil von Blockunterricht liegt auf der Hand: Die Kinder müssen sich nicht dauernd neu orientieren und können über einen längeren Zeitraum konzentriert arbeiten. Ebenso gibt es keine Jahrgangsklassen mehr - gelernt wird altersgemischt und thematisch. Schule im gesellschaftlichen Verbund - ein Beispiel, das Schule machen könnte.

Ferdinand-Freiligrath-Oberschule
Schule im gesellschaftlichen Verbund
Bergmannstraße 64
10961 Berlin
Tel.: 030-25886511
Fax: 030-25886515

Autor(in):
Kontakt zur Redaktion
Datum: 17.05.2001
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