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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 27.09.2007:

Demokratie tut gut

Wie gelernte und gelebte Demokratie die Schulkultur verändert
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: "Demokratie lernen & leben"

Nach fünf Jahren Laufzeit endete das erfolgreiche Programm "Demokratie lernen & leben" der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) Anfang des Jahres 2007. In den vergangenen Jahren nahmen 170 Schulen verschiedener Schulformen aus dreizehn Bundesländern an dem Programm teil und übten demokratisches Verhalten ein. Es wurden Klassenräte und Schulparlamente eingerichtet, Konfliktlotsen und Streitschlichter ausgebildet und Mediationstrainings für Lehrerinnen und Lehrer eingeführt. Doch auch nach Beendigung des Programms geht die Demokratieerziehung an den meisten Schulen weiter. Für die Reinhardswald-Grundschule in Berlin-Kreuzberg ist eine Weiterbildung über den Programmzeitraum hinaus verpflichtend.

Demokratische Strukturen vor der Teilnahme am Programm
Schon vor Teilnahme an dem Demokratieprojekt glühte an der Grundschule in Berlin ein "demokratisches Lämpchen". Aus einer ausgeprägten Teamarbeitsstruktur heraus - Zwei-Lehrer-Klassenbesetzungen, Einsatz von Sonderpädagoginnen in Integrationsklassen etc. -hatte sich eine gute Kommunikationskultur entwickelt. Die Gremienarbeit, auch mit den Eltern und mit dem Förderverein, sowie die Arbeit in Jahrgangs- und Fachkonferenzen funktionierten gut. Informelle Qualitätszirkel wie die "Pädagogischen Monatsgespräche" und Studientage wurden als erfolgversprechende Elemente der Schulentwicklung begriffen. Die Arbeit am Schulprogramm war bewusst partizipativ und konsensdemokratisch organisiert, erläutert Schulleiter Werner Munk. Auf der Schülerseite gab es gewaltpräventive Maßnahmen und im Rahmen von Einzelprojekten wurden die Schülerinnen und Schüler in Partizipationsprozesse eingebunden.

Errungenschaften durch das Programm
Mit der Teilnahme am Programm "Demokratie lernen & leben" hat sich das demokratische Erleben an der Schule noch einmal erheblich verändert. Alle Beteiligten empfanden es als Mehrwert. Lehrerinnen und Lehrer merkten, dass sie nun nicht mehr nur die Vermittlungsinstanzen, sondern ebenfalls wichtige Elemente des Prozesses waren, berichtet Werner Munk. Sie entwickelten Vorschläge zur Demokratisierung von Konferenzen. So forderten sie eine Beteiligung bei ihrer Planung und Durchführung ein und setzten diese auch um. Ein stabiles Konferenzteam, in dem alle Gruppen vertreten sind, bereitet heute die Konferenzen vor und wird dies auch weiterhin tun. Es ist schön, dem Kollegium Vertrauen zu schenken, es zu beteiligen und sich selbstzurückzunehmen, freut sich der Schulleiter. Er empfindet die Beteiligung mehr und mehr als Entlastung.

Auch die Eltern-Lehrer-Zusammenarbeit wurde hinsichtlich der Entwicklung einer demokratischen Kultur an der Schule intensiviert. Ein spezielles Supervisionsprogramm vereinheitlichte bei den Lehrkräften die Einstellung zum konfliktfreien Umgang mit den Eltern. Seitdem hat sich die Kommunikation zwischen Pädagogen und Eltern erheblich verbessert. Der innerhalb der Demokratisierungsprozesse erworbene Mut zum offenen Umgang miteinander ermöglichte in den Elterngremien unter Einbeziehung der Lehrkräfte einen Austausch über unterschiedliche Wahrnehmungs- und Sichtebenen.

Das dritte Arbeitsfeld betraf im Programmzeitraum und betrifft darüber hinaus die Optimierung der Miteinbeziehung der Kinder in Entscheidungs-, Gestaltungs- und Interventionsprozesse. Die Umgestaltung des gesamten Schulgeländes geschah unter Beteiligung aller Kinder an den Planungen. In umfangreichen Partizipationsverfahren erarbeiteten und formulierten sie ihre Wünsche, bauten Modelle und konzipierten demokratisch den absolut mehrheitsfähigen Traumschulhof. Dazu wurde eine große Fläche als Kinderbaustelle organisiert, in der die Kinder aktiv mitbauten. "Demokratie sollte sich zum höheren Anteil möglichst als Prozess zeigen - und dazu gehört mehr noch als das Entscheiden nach unserer Überzeugung das aktive gestalterische Umsetzen, also Demokratie leben!" ist Werner Munk überzeugt.

Verbesserungen der Unterrichtskultur
Die Reinhardswald-Grundschule in Berlin-Kreuzberg hat sich zur "echten Gemeinschaftsveranstaltung" von Pädagogen, Eltern und Schülern entwickelt. Erziehung zur Toleranz, Herausbildung sozialen Engagements und die Installation von Verantwortungssystemen gehören selbstverständlich zum Schulalltag. "Dass sich aus dem Programm heraus über die Schüler-Mediationsarbeit hinaus eine von den Schülerinnen und Schülern einer vierten Klasse initiierte Anti-Rassismus-AG mit sehr beständiger breiter Teilnahme und inzwischen vielfach preisgewürdigten Projekten entwickelt hat, schreiben wir eindeutig unserer gemeinsam erworbenen demokratischen Schulkultur zu", freut sich Werner Munk.

Auch im Unterricht ist eine erweiterte Mitbestimmungskultur spürbar. Durch das Demokratieprogramm hat sich ein enormer Fortschritt in der Unterrichtsentwicklung ergeben. Echte Partizipation macht die Schülerinnen und Schüler selbstbewusster und entscheidungsfreudiger und gibt ihnen mehr Freude am Arbeiten. Klassenräte und Patenschaften wirken konfliktbewältigend. Selbstbestimmung und Selbstorganisation beim Lernen sind genauso wie Teamarbeit, Kompromissbereitschaft und Eigendokumentation wichtige methodische Ziele der Schule. Deshalb wurde im Zuge der Demokratisierung eine Lernwerkstatt in der immer geöffneten Bücherei eingerichtet, die eine Fülle an Material für das selbstständige Lernen bereithält. 

Demokratieerziehung geht weiter
Am Ende der Projektzeit ist aus dem "glimmenden Lämpchen" eine "schöne Demokratiesonne" geworden, bestätigt Werner Munk. Wenn sie allerdings auch weiterhin scheinen soll, ist ein ständiger Aufbauprozess zu leisten. Der Erfolg einer demokratischen Schule basiert auf den Menschen und ihren veränderten demokratisierten Haltungen. Da die Beteiligten an der Schule, insbesondere die Schüler und Eltern, naturgemäß häufig wechseln, ist der Demokratisierungsprozess immer in Gefahr abzureißen. Ein permanentes Wiederaufnehmen ist daher unerlässlich. Doch es lohnt sich. "Demokratische Schulen werden fast zwangsläufig gewaltärmer, toleranter und wohlfühliger", so Werner Munk. Und darum wird der demokratische Prozess an der Reinhardswald-Grundschule auf jeden Fall weitergehen.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 27.09.2007
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