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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 02.10.2006:

"In Australien hat man ganz andere Möglichkeiten"

Vom Studium "down under" und was Deutschland von Australien lernen kann
Das Bild zum Artikel
Study Operator Sebastian Wichmann

Bildung PLUS: Das Studienland Australien liegt im Trend. Über 150.000 junge Menschen aus aller Welt sind an den australischen Universitäten eingeschrieben, und auch immer mehr deutsche Studenten entdecken Australien für sich: Ihre Anzahl hat sich in den vergangenen drei Jahren vervierfacht. Was waren Ihre Beweggründe für das Studium auf dem fünften Kontinent?

Sebastian Wichmann: Das hat wirklich viele Gründe, ich bin von Februar bis Dezember 2004 als Tourist hier gewesen. In dieser Zeit habe ich Land und Leute kennen- und schätzen gelernt. Als ich zurück in Deutschland war, habe ich mich dann um ein Design-Studium bemüht und bin auf das Problem der Bachelor- und Master-Akzeptanz in Europa gestoßen. Der Bachelor steckt ja noch in den Kinderschuhen, und ich denke, es dauert noch ein paar Jahre, bis die Strukturen greifen wie beispielsweise die Kooperationsverträge zu australischen Universitäten. Das war der Hauptgrund, ich habe in Deutschland diese Strukturen nicht gesehen, und die Zukunftsaussichten in Australien einfach als besser empfunden.

Bildung PLUS: Viele ausländische Studenten an den deutschen Universitäten fühlen sich alleine gelassen bei Planung und Organisation ihres Studiums, klagen über mangelnde soziale Kontakte. Wie gut sind ausländische Studenten im Einwanderungsland Australien integriert?

Sebastian Wichmann: Ich denke, dass Australien eines der fortschrittlichsten Einwanderungsländer weltweit ist, nicht nur in Sachen Einbürgerung und Integration. Wenn man sich englischsprachige Länder wie Kanada, Amerika oder England anschaut, dann ist Australien von der Struktur her eines der ansprechendsten. Das Land ist wunderschön, und die Regierung unterstützt die Studenten in großem Umfang. Jedes Jahr kommen viele Tausende Studenten aus aller Welt nach Australien, wesentlich mehr als das in Deutschland der Fall ist. Vor diesem Hintergrund sind die Strukturen in den australischen Universitäten ganz anders, man hat ganz andere Möglichkeiten. Auch was die finanziellen Mittel angeht, mit denen die Studenten gefördert werden. In Deutschland haben die Universitäten einfach nicht das Personal. Das ist ein großes Manko.

Auch die Sprachschulen sind in Australien ein großes Thema. Im Vorfeld des Studiums muss ein TOEFL-Sprachzertifikat abgelegt werden, das sicherstellt, dass der Standard einer Universität hochgehalten wird. Durch die internationalen Studenten, die keine Muttersprachler sind, könnte sonst der Unterricht leiden. Die eigentliche Unterstützung durch die Universität greift dann während des Studiums. Ausländische Studenten haben eigene Departments und Offices, wo eine Vielzahl an Mitarbeitern damit beschäftigt ist, sie zu fördern und zu unterstützen. Auch bei Problemen mit der Sprache oder bei inhaltlichen Problemen stehen hier immer Ansprechpartner zur Verfügung.

Ich war ursprünglich an der James Cook University in Townsville an der Ostküste eingeschrieben. Natürlich ist es nicht einfach, von Deutschland aus die richtige Entscheidung zu treffen. Ich bin dann nach Townsville geflogen und habe mich einfach nicht wohl gefühlt. Ich habe versucht, das Studium abzubrechen, noch bevor ich es eigentlich begonnen habe. Das australische Gesetz besagt aber, dass internationale Studenten mindestens zwölf Monate an der eingeschriebenen Universität studieren müssen, bevor sie die Universität wechseln können.

Das Studentenvisum ist in Australien an eine spezielle Universität geknüpft. Das bedeutet, wenn man nicht mehr an dieser Universität studiert, verliert man sein Studentenvisum. Es sei denn, die Universität stellt einen Entlassungsschein aus. Nur mit diesem Schein ist ein internationaler Student in der Lage, die Universität zu wechseln. Weil die James Cook University Townsville von den Studenten "außergewöhnliche Umstände" verlangt, um innerhalb der ersten zwölf Monate ein Studium an einer anderen Universität beginnen zu können, erwies sich das für mich als äußerst schwierig. Ich habe mich schließlich mit einem Senator in Verbindung gesetzt und der hat sich an das Ministerium in Canberra gewendet. Erst nachdem der Senator mit dem Vize-Kanzler der Universität gesprochen hat, haben die mir den Entlassungsschein ausgestellt. Jetzt bin ich hier in Perth und freue mich jeden Tag, hier studieren zu können.

Bildung PLUS: In Ihrer Rolle als "Study Operator" vermitteln sie zwischen den beiden Bildungssystemen. Was kann Deutschland von Australien lernen?

Sebastian Wichmann: Deutschland hat vor allem damit zu kämpfen, dass viele Schüler schon in der Realschule oder dem Gymnasium in einer "Sackgasse" landen. In Australien gibt es eigentlich keine Sackgassen. In der Highschool wird man gefragt, was man gerne machen möchte, wenn man diese Entscheidung aber als junger Schüler falsch getroffen hat, gibt es immer Möglichkeiten, sich in eine andere Richtung zu orientieren. Ich denke, das ist in Deutschland ein großes Problem, vor allem wenn man sich das Diplom anschaut. Wenn man eine Richtung eingeschlagen hat, hat man keine Möglichkeit sich "Creditpoints" wie beim Bachelor und Master zu erarbeiten, um eine andere Studienrichtung einzuschlagen. Der Bologna-Prozess ist ein wichtiger Schritt, um das zu ändern.

Die australischen Studenten beenden mit 17 oder 18 Jahren die Highschool und machen mit 23 oder 24 ihren Master. In Deutschland kommt nach dem Gymnasium noch der Zivil- oder Wehrdienst für die Jungen, und danach in mindestens vier fünf Jahren das Diplom. Meiner Meinung nach sind deshalb deutsche Studenten nicht wettbewerbsfähig. Hier kann Deutschland sehr viel vom australischen System lernen.

Bildung PLUS: In Deutschland gehen Studenten gegen die Studiengebühren auf die Barrikaden. Wie haben sich die australischen Studenten mit den Bildungskosten arrangiert?

Sebastian Wichmann: Die Studiengebühren in Australien bewegen sich pro Semester zwischen 2.000 und 5.000 Dollar. Das sind ungefähr 1.300 bis 3.300 Euro pro Semester, was natürlich von der Universität abhängig ist. Die Akzeptanz der Studiengebühren ist in Australien eine ganz andere und man geht mit dem Thema ganz anders um. Wenn Studenten eine gewisse Schulbildung und später einen entsprechenden Standard in ihrem Beruf erreichen wollen, müssen bestimmte Kosten einfach angenommen werden. Ich verstehe natürlich auch, dass die Studenten in Deutschland sich jetzt beschweren und sagen "Warum mussten wir am Anfang keine Studiengebühren bezahlen, und warum müssen wir es jetzt?". Wenn man sich aber die 500 Euro pro Semester in Deutschland anschaut, und die australischen Studiengebühren dagegenhält, die doppelt bis dreimal so hoch ausfallen, dann muss man schon mal darüber nachdenken. Ich glaube, dass ein gewisses Umdenken in Deutschland stattfinden muss.

Was ich sagen kann, ist, dass in den australischen Familien die Akzeptanz, für die Kosten eines Studiums aufzukommen, wesentlich höher ist als in Deutschland. Da wird dann auch mal auf das neue Auto verzichtet. Die Prioritäten sind einfach anders gesetzt.

Bildung PLUS: Die australischen Universitäten finanzieren sich auch über die Studiengebühren der ausländischen Studenten. Müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, man könne sich dort gute Noten erkaufen?

Sebastian Wichmann: Nein. Wenn man australische und deutsche Universitäten vergleicht, sind die Strukturen einfach ganz anders. Und die Studiengebühren in Australien wären wesentlich höher, wenn die ausländischen Studenten das System nicht fördern würden. Das ist sicher ein Grund, warum die internationalen Studenten viel bezahlen müssen. Hier sind aber so viele Studenten aus dem Ausland eingeschrieben, dass man sich nicht bevorzugt fühlt. Ich glaube aber schon, dass bei einer Aufnahmeentscheidung für einen internationalen Studenten der finanzielle Aspekt schon ein Kriterium ist, um die Kosten der Uni zu decken. Was nicht bedeutet, dass die internationalen Studenten im reinen Uni-Geschäft bevorzugt werden oder besser gestellt sind als die einheimischen.

Bildung PLUS: Mit dem "Australian Qualifications Framework" überprüft und evaluiert die australische Regierung regelmäßig alle Universitäten des Landes. Wie macht sich diese Qualitätskontrolle im Hörsaal bemerkbar?

Sebastian Wichmann: Die Frage ist schwer zu beantworten, da ich keinen Vergleich habe. Jeder Kurs, der den internationalen Studenten angeboten wird, muss vom Framework abgesegnet werden, es gibt also keinen Kurs, der nicht vorher geprüft wurde. Die Professoren sind sehr gut geschult und verfügen über fachspezifische Kompetenzen. Ich habe hier keinen Professor kennen gelernt, der nicht seinen Doktor gemacht hat, was in Australien ja grundsätzlich möglich ist. Viele Professoren in Australien sind darüber hinaus auch in der freien Wirtschaft tätig, das macht sich natürlich im Hörsaal bemerkbar.

Bildung PLUS: Welchen Eindruck haben Sie in Ihrer Zeit "down under" von der Wertigkeit und Akzeptanz des Bachelor-Abschlusses gewonnen?

Sebastian Wichmann: Wenn man sich weltweit die Akzeptanz von Bachelor und Master anschaut, hat Deutschland zu lange am Diplom festgehalten. Ich bin sehr froh, dass der Bologna-Prozess jetzt ein bisschen Wirkung zeigt. Viele andere Länder haben diese Abschlüsse schon seit Jahren, wie beispielsweise Holland und Belgien. In Deutschland wird die volle Integration von Bachelor und Master erst in vier Jahren gegeben sein. Dadurch, dass Australien die beiden Abschlüsse schon immer angeboten hat, ist die Akzeptanz hier natürlich eine ganz andere. Jeder hier weiß, was ein Bachelor und Master wert sind.

Ich sehe ein großes Problem darin, dass jedes Land einen eigenen Abschluss hat. Und in Ländern, die diesen Abschluss nicht anbieten, weiß keiner, was der jeweilige Abschluss wirklich wert ist.

Das ist der große Vorteil der standardisierten Abschlüsse Bachelor und Master, weil sie international dieselbe Wertigkeit besitzen. Das Diplom hat in Australien beispielsweise überhaupt keinen hohen Stellenwert, und ist in nur einem Jahr zu erwerben, eine Art- Akademie- oder College-Abschluss. Der direkte Vergleich zwischen dem australischen und dem deutschen Diplom gestaltet sich also äußerst schwierig. Ich sehe ein Problem darin, dass Firmen und Arbeitgeber im Ausland gar nicht wissen, was das deutsche Diplom wirklich wert ist.

Bildung PLUS: Kehren Sie nach dem Studium nach Deutschland zurück?

Sebastian Wichmann: Eine gute Frage. Ich bin nach Australien gekommen, weil das ein großer Wunsch von mir war und ich musste sehr viel dafür tun. Ich habe dafür viel aufgeben müssen, weil es mir sehr wichtig war, einen Abschluss zu machen, der auch in den nächsten Jahrzehnten Anerkennung findet. Ich versuche schon, mein Bachelor-Studium hier abzuschließen und jedes Semester gut zu absolvieren. Wenn ich danach ein Jobangebot bekomme, dann kann ich mir schon vorstellen, hier zu bleiben. Aber diese Frage stelle ich erst mal zurück. Ich bin hier, um zu studieren, arbeite mich von Tag zu Tag durch und sehe was am Ende dabei heraus kommt.


Sebastian Wichmann ist 26 Jahre und studiert Design an der Curtin University of Technology in Perth. Als Study Operator für die Organisation juststudies! fungiert er als Mittler zwischen den australischen Universitäten, juststudies! und den Studenten. Er betreut die Internetseite www.studium-australien.de.

Die Organisation juststudies! bietet eine Vielzahl an verschiedenen Bildungsprogrammen im englischsprachigen Ausland an. Durch eine jahrelange Expertise gilt juststudies als Spezialist im Bereich des Education Systems der Länder Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland, USA.

Autor(in): Matthias Denke
Kontakt zur Redaktion
Datum: 02.10.2006
© Innovationsportal

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