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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 20.07.2006:

Neue Lebenslagen ausländischer Studenten

Ausländische Studierende als Seismografen für Hochschulreformen

Roufaou Omarou aus Kamerun studiert an der RWTH Aachen Kommunikationstechnik und Informatik. Er musste im Schnellkurs Deutsch lernen, Wohnung und Nebenjob finden, Freunde kennen lernen und sich Durchblick durch das chaotisch erscheinende Studiensystem verschaffen. Industriegesellschaften haben auch einen Dschungel - den Campus. Doch gerade die Selbstständigkeit und Freiheit im Studium und die Gebührenfreiheit waren damals ausschlaggebend für seine Entscheidung, in Deutschland ein Studium aufzunehmen. Und die Sprachprüfung, die er zu Beginn seines Studiums ablegte, sowie die Sprachkurse zur Verbesserung der deutschen Sprachkenntnisse der waren noch "günstig".

Aber das war einmal. Roufaou Omarou hatte die bekannten Anfangsschwierigkeiten im Studium: Orientierung über die Studienangebote, Studienplanung, Behördenkleinkrieg und wenig Kontakte. "Heute fühle ich mich gut, aber ich habe mir das hart erkämpfen müssen", so der Technikstudent aus Afrika. Er geht davon aus, dass ihn die Anlaufschwierigkeiten gut und gerne zwei Semester gekostet haben. Die Technische Hochschule in Aachen steht auf Platz zwölf der Beliebtheitsskala ausländischer Studierender im Bundesgebiet, so die Studie "Wissenschaft weltoffen 2006" vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Hochschul-Informationszentrum (HIS). Am attraktivsten für ausländische Studierende sind Universitäten in München, Berlin und Heidelberg. Was Fachhochschulen angelangt, steht Köln in der Gunst der ausländischen Studierenden ganz oben.

Free Mover haben die höchsten Hürden zu nehmen
Knapp 250.000 Ausländer studieren nach Informationen des Deutschen Studentenwerks an deutschen Hochschulen, dazu zählen auch Ausländer, die in Deutschland die Hochschulreife erworben haben. Diese werden auch als "Bildungsinländer" bezeichnet. Rund 139.000 kommen aus Ländern, die als Schwellenland oder Entwicklungsland eingestuft werden. Der Campus ist international: Er könnte ein Labor für interkulturelle Verständigung sein, für Fähigkeiten also, die in den Berufen von morgen unentbehrlich sein werden. Studierende aus EU-Ländern haben eine viel bessere Ausgangsposition als die ausländischen Studierenden aus Entwicklungsländern, die so genannten "Free Mover".

Die Freiheit der Free Mover-Studierenden ist die Freiheit derjenigen, die um ihren Aufenthaltstitel ringen müssen, um ihren unsichereren Lebensunterhalt, um Wohnungen und um die Anerkennung ihrer Kultur, die vielfach unbekannter ist als die von Studierenden europäischer Länder. "Unterschiedlich wie Tag und Nacht", kennzeichnet Kambiz Ghawami vom World University Service (WUS) die Situation ausländischer Studierender aus Entwicklungsländern im Vergleich zu Studierenden aus der Europäischen Union. WUS, das ist die Lobby für ausländische Studierende aus ärmeren Ländern ? Schwellenländern oder Entwicklungsländern.

Die Hindernisse auf ihrem Weg zum graduierten Akademiker sind sprachlicher, sozialer, ökonomischer und vor allem auch rechtlicher Natur. Eine Verschärfung der Situation ausländischer Studierender bereitet sich auf dem Feld der Sprachtests und Sprachkurse vor. Konnte der Kameruner Omarou Deutsch über Sprachkurse und Sprachtests mit 250 Euro noch vergleichsweise günstig belegen, so ist der Markt für Sprachprüfung und Sprachkurse nun zunehmend in privater Hand. "Für die obligatorische Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) oder für die Sprachprüfung Deutsch als Fremdsprache (TestDaf) müssten Studierende je Test bis zu 130 Euro berappen", sagt Johannes Glembeck vom Bundesverband ausländischer Studierender (BAS).

Hochschulen entlastet, Studierende belastet
Privatisiert ist auch das Bewerbungsverfahren für viele ausländische Studierende. Der Grund dafür war die Überlastung der Hochschulen mit der Prüfung der eingehenden Bewerbungen und die hohe Quote der ausländischen Studienabbrecher. Derzeit 85 Hochschulen aller Bundesländer mit Ausnahme von Bayern nehmen die Bewerbungshilfen von Uni-assist wahr, das im Auftrag der HRK und des DAAD arbeitet. Die Hochschulen sollen so die besten Kandidaten aus dem Bewerberpool herausfischen können und die ausländischen Studierenden einen persönlichen Ansprechpartner und Bewerbungsberater erhalten. Die Bewerbungskosten belaufen sich für bestimmte Studierende, etwa aus China, laut Johannes Glembeck auf bis zu 600 Euro. Privatisierung der Sprachkurse und der Bewerbungsverfahren über eine Art "ZVS für ausländische Studierende" lässt die Kosten fürs Studium hochschnellen, dabei sind noch lange nicht die Studiengebühren und Lebenshaltungskosten eingerechnet.

Da Uni-Dienstleistungsunternehmen wie TestDaf und Uni-assist Monopolisten ohne Konkurrenz sind, seien die Gebühren für Studierende noch nicht das Ende der Fahnenstange bei den Kosten, so Glembeck. Studiengebühren von mindestens 500 Euro in Ländern wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen spätestens ab dem Sommersemester 2007 stellen ausländische Studierende vor besondere Schwierigkeiten. In Hessen müssen sich Ausländer, die nicht aus EU-Ländern kommen, auf Studiengebühren von bis zu 1.500 Euro einstellen. Auf der anderen Seite dürfen sie nur 90 Tage im Jahr jobben (drei Monate), und sind auch nicht berechtigt, BAföG-Gelder zu beziehen. "Ich kenne Studenten für die Frankreich deswegen wieder attraktiv wird", sagt Omarou angesichts der finanziellen Belastung Studierender in Deutschland. Afrikanische Studentinnen und Studenten müssten dort nicht die Landessprache erlernen und dafür obendrein zahlen.

"Jeder ausländische Student ist ein Botschafter für Deutschland"
Für Kambiz Ghawami stehen Entwicklungspolitik und Bildungspolitik im Widerspruch zueinander. Nur Studierende aus reichen Familien könnten es sich leisten, zusätzlich zu den obligatorischen 600 Euro Lebensunterhalt, die ausländische Studierende der Ausländerbehörde nachweisen müssten, auch noch Studiengebühren zu zahlen. Auf der einen Seite setze sich die Bundesregierung für Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern aus ärmeren Regionen ein. Auf der anderen Seite ginge die Zahl der Studierenden aus armen Ländern zurück, weil der Besuch einer deutschen Hochschule auch durch die Einführung der Studiengebühren kaum noch finanzierbar sei. Studienkredite für diese Gruppe gibt es nicht, weil die Banken fürchteten, das Geld später nicht mehr zurückzubekommen. "Jeder Student aus den Entwicklungsländern ist ein Botschafter für Deutschland in seinem Heimatland", wirft Kambiz Ghawami ein. Er fordert daher, ausländische Studierende von Studiengebühren für das Erststudium zu befreien.

Die Aussicht, Geld während der Semesterferien zu verdienen, wird zunehmend düsterer, weil viele Firmen Hilfstätigkeiten mit Unterstützung technischer Neuerungen überflüssig gemacht hätten. Durch die in den Unternehmen verordnete Kostenverringerung und durch die Verschlankung der Produktion (lean production) sind Betriebsabläufe so rationalisiert worden, dass Schüler und Studenten in der Ferienzeit weniger Nebenjobs finden.

Ausländerbehörden legen das Zuwanderungsgesetz unterschiedlich aus
Auch das Zuwanderungsgesetz (Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern) verändert die Situation von ausländischen Studierenden. Mit dem Zuwanderungsgesetz erkennt die Bundesrepublik erstmals die Tatsache an, dass Zuwanderung konstitutives Element der Gesellschaft ist. Bei der Steuerung der Zuwanderung sind die Ausländerbehörden angehalten, die wirtschaftliche Situation in Deutschland und die Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Nach Ghawami hat WUS einen Anteil daran, dass die Rechtsposition der ausländischen Studierenden nach Abschluss des Studiums verbessert wurde. So können Ausländer im Lande bleiben, sollten sie eine qualifizierte Arbeit finden, die einheimischen Bewerber auf der Suche nach einer Stelle nicht benachteiligt. Auf die Formulierung des § 16 des Zuwanderungsgesetzes soll WUS Einfluss durch "konkrete Verbesserungsvorschläge" genommen haben.

Das Zuwanderungsgesetz werde zudem "nicht einheitlich" ausgelegt, weil die Länder das Bundesgesetz noch nicht in Verwaltungsvorschriften umgewandelt hätten. Eine Voraussetzung für die Erteilung der befristeten Aufenthaltserlaubnis ist der Nachweis, dass der Lebensunterhalt gesichert ist, einschließlich der Krankenversicherung. Doch schon innerhalb eines Landes handhaben die Ausländerbehörden die Gesetzesvorgaben ganz unterschiedlich. Manche Städte verlangen als Voraussetzung für das Aufenthaltsrecht den Nachweis des Lebensunterhalts für zwei Monate, andere hingegen für zwei Jahre im Voraus. Es gibt Ausländerbehörden, die von ausländischen Studierenden Lebensunterhalt in Höhe des vollen BAföG-Satzes erwarten, andere blieben weit darunter, so Ghawami. Dies verunsichere ausländische Studierende.

Erste Erleichterungen
Nicht in jedem Fall müssen ausländische Studierende die Studiengebühren für ein Erststudium entrichten. In Ländern mit allgemeinen Studiengebühren - Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen - kann es zu Befreiungen von bestimmten Gruppen ausländischer Studierender kommen, wenn Vereinbarungen internationaler Organisationen, Bund, Länder oder Hochschulen dies festlegen. Sieht etwa eine Hochschule in der Partnerschaft mit Bolivien ihr Profil, so könnte sie Studierende dieses Landes von der allgemeinen Studiengebühr freistellen.

In Einzelfällen können auch ausländische Studierende Studienkredite aufnehmen, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten. So vergibt die KfW-Förderbank Studienkredite an EU-Bürger, die sich seit drei Jahren im Bundesgebiet aufhalten. Auch ausländische Studierende, die mit Deutschen verheiratet sind und in Deutschland leben, gehören zum Kreis derjenigen, die Studienkredite aufnehmen können, die sie bei Arbeitsaufnahme tilgen können. 

Viele ausländische Studierende fühlen sich im Verlauf des Studiums allein gelassen. Um die Hochschulen für sie attraktiver zu machen, hat der DAAD ein Programm entworfen, das Geldleistungen und Betreuung miteinander verquickt. Das kombinierte Stipendien- und Betreuungsprogramm (STIBET) verfährt nach dem Motto: "Eine Hand wäscht die andere". Es wird aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert. Ausländer betreuen ausländische Studierende im Grundstudium oder bei der Promotion und erhalten dafür Stipendien. Seien es Sprachkurse oder Tutorien durch ausländische Studierende, Unterstützung bei Einführungsveranstaltungen, Exkursionen oder soziale Betreuung - stets gibt es gegen Betreuung Geld zum Studieren. Die Studierenden betreuen dabei andere ausländische Studierende im Umfang von zwei bis vier Stunden wöchentlich.

Der Höchstsatz dieses Stipendiums variiert je nach Ausbildungsstand zwischen 615 und 975 Euro. Knapp 200.000 ausländische Studentinnen und Studenten kommen jährlich auch dadurch in den Genuss der Förderung, weil STIBET die Zahl der Stipendien ausländischer Studierender durch die Einwerbung von Drittmitteln erhöht. Programme wie STIBET sind erforderlich, um den durch die Reformen erhitzten Stein abzukühlen.

Die sprachliche, ökonomische, die rechtliche oder die soziale Situation ausländischer Studentinnen und Studenten - die Umbrüche durch die Studienreformen erfassen alle Lebenslagen. Das gilt auch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, die verstärkt zu Prüfungsdruck bei allen Studentinnen und Studenten führten, so Oumarou. Hierbei komme es zur Gefahr der Isolation. "Initiativen, die den Kontakt der Studierenden auf dem Campus verstärken, halte ich daher für unerlässlich", erklärt Roufaou Omarou.

Autor(in): Arnd Zickgraf
Kontakt zur Redaktion
Datum: 20.07.2006
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