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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 26.07.2004:

Sommerfrische, Teil 3

Kurzinterviews zu Bildungsbiografien

Prof. Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität in Frankfurt an der Oder
Prof. Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität in Frankfurt an der Oder

Prof. Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität in Frankfurt an der Oder

Bildung PLUS: Welche Menschen und welche Ereignisse haben Ihre Bildungsbiografie nachhaltig beeinflusst?

Schwan: Zunächst ganz sicher meine Eltern, auch mein größerer Bruder, denn meine Familie war für mich die entscheidende Kraft und Orientierungsquelle meiner Bildung, auch eine wichtige Herausforderung, weil die zahlreichen Gespräche in der Familie mein Interesse gefördert haben, ebenso wie die Aufmerksamkeit auf die Sprache, auf die mein Vater großen Wert legte. Im Anschluss daran waren es wichtige Lehrerinnen und Lehrer in der Schule, auch die Chance am französischen Gymnasium mit der französischen Kultur und Sprache und mit französischen Freundinnen und Freunden so eng vertraut zu werden, dass sie ein Leben lang für mich von zentraler Bedeutung geblieben sind. Im Anschluss daran war es die Herausforderung meiner Dissertation vor dem Hintergrund einer wunderbaren Lebensgemeinschaft mit Alexander Schwan, der mich noch als Assistent der Freiburger Universität auf den Weg gebracht hat, wirklich das zu studieren, woran ich das persönliche Interesse hatte: nämlich Philosophie. Politikwissenschaft und Geschichte. Auch wenn sich daraus keine eindeutige berufliche Zukunft ergab. Im Zusammenhang mit der Dissertation möchte ich noch ausdrücklich Leszek Kolakowski erwähnen, der polnische Philosoph war Gegenstand meiner Dissertation, ist seit Jahrzehnten ein enger Freund, und hat sicher auf meine geistige Entwicklung einen großen Einfluss ausgeübt.

Bildung PLUS: Welche Erinnerungen und Erfahrungen an Ihre Schulzeit wünschen Sie auch heutigen Schülerinnen und Schülern und welche sollten den Kindern dagegen erspart bleiben?

Schwan: Ich wünsche heutigen Schülerinnen und Schülern vor allen Dingen wunderbare Erfahrungen im musischen Bereich, die ich in der Schule gemacht habe mit einer vorzüglichen Lehrerin und einem Kunstlehrer, die das vorangebracht haben, Theaterspielen, Pantomime, Choraufführungen oder Singspiele. Dies alles hat für mich einen ganz wesentlichen Teil meiner Schulzelt ausgemacht. Aber auch eine Reihe von Unterrichtserfahrungen, die dann für mich wunderbar waren, wenn sie gedanklich spannend verliefen. Es ging mir gar nicht so sehr um einzelne didaktische Techniken, sondern mehr darum, dass die Fragen, die aufgeworfen wurden, mich weitertrieben und ebenfalls den Unterricht spannend machten. Am dankbarsten war ich immer, wenn ich nicht auf die Uhr gucken musste, weil es so langweilig war. Erspart bleiben sollten Schülerinnen und Schülern solche Erfahrungen, die sie demütigen. Ich selbst habe sich glücklicherweise kaum machen müssen, aber ich habe oft erlebt, wie Mitschülerinnen und Mitschüler regelmäßig z. B. an die Tafel gerufen wurden, wenn man von ihnen erwartete, dass sie die Aufgabe ohnehin nicht lösen können. Solche Demütigungserfahrungen spornen nicht an, fordern nicht heraus, sondern entmutigen und rufen eine Reaktion der Abwehr hervor, die ich sehr bedaure für die Personen, aber auch für den Lernerfolg.

 

Dr. Frank Kostrzewa, Leiter des Lehrerbildungszentrums in Köln
Dr. Frank Kostrzewa, Leiter des Lehrerbildungszentrums in Köln

Dr. Frank Kostrzewa, Leiter des Lehrerbildungszentrums in Köln

Bildung PLUS: Welche Menschen und welche Ereignisse haben Ihre Bildungsbiografie nachhaltig beeinflusst?

Kostrzewa: Besonders beeindruckt haben mich die Biographien großer Persönlichkeiten, z.B. Albert Einstein, Albert Schweitzer, Heinrich Schliemann. Ein zentrales, sehr eindrucksvolles Ereignis war natürlich die Mondlandung. Insgesamt beeindruckte mich die Vorstellung, durch Bildung Zugang zu interessanten Inhalten und Gegenständen erlangen zu können.

Bildung PLUS: Welche Erinnerungen und Erfahrungen an Ihre Schulzelt wünschen Sie auch heutigen Schülerinnen und Schülern und welche sollten den Kindern dagegen erspart bleiben?

Kostrzewa: Ich wünsche den Schülerinnen und Schülern heute, dass sie sich weitgehend unbelastet von äußeren Problemen und inneren Nöten den interessanten Lehr- und Lerngegenständen nähern können. Voraussetzung dafür sind stabile Beziehungen in der Familie und im Freundeskreis und vor allem auch Zugang zur Natur. Viele Erfahrungen, die wir machen konnten, vermitteln sich Kindern heute z.T. nur noch über die Medien. Nicht zuletzt Niklas Luhmann wies darauf hin, dass wir heutzutage auch viele Phänomene aus der Natur, das Aussehen von Pflanzen und Tieren etc. nur noch medial vermittelt bekommen. Pferde und Kühe kennt man u.U. nicht mehr von der Weide, sondern aus der Encarta-Enzyklopädie.
Schön wäre es, wenn den Schülern der Zynismus eines Dr. Mantelsack aus den Buddenbrooks erspart bliebe. Hanno Buddenbrook soll lateinische Verse vortragen, ist jedoch nur unzureichend darauf vorbereitet und spricht daher unzusammenhängend und stockend. Der Ordinarius reagiert darauf mit den folgenden Worten: "O Buddenbrook, si tacuisses. Sie entschuldigen wohl ausnahmsweise das klassische Du! ... Wissen Sie, was Sie getan haben? Sie haben die Schönheit in den Staub gezogen, Sie haben sich benommen wie ein Vandale, wie ein Barbar. Sie sind ein amusisches Geschöpf, Buddenbrook, man sieht es Ihnen an der Nase an! Wenn ich mich frage, ob Sie die ganze Zeit gehustet oder erhabene Verse gesprochen haben, so neige ich mehr der ersteren Ansicht zu. Setzen Sie sich, Unseliger."

Autor(in): Ursula Münch
Kontakt zur Redaktion
Datum: 26.07.2004
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